Nur ein 499P auf dem Podium: Was bei der Ferrari-Strategie schiefgelaufen ist

Ferrari war in Imola der große Favorit - Warum die Italiener am Ende aber nur ein Auto auf dem Podium hatten und was bei der Strategie nicht perfekt gelaufen ist

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich hätte Ferrari allen Grund zur Freude: James Calado, Alessandro Pier Guidi und Antonio Giovinazzi lassen die Tifosi bei den 6 Stunden von Imola jubeln. Ganz zufrieden können die Italiener mit ihrem Heimspiel allerdings nicht sein, denn trotz überlegener Performance stand am Ende nur ein Ferrari auf dem Podium.

Titel-Bild zur News: Ferrari feierte zwar den Sieg, verpasste allerdings ein besseres Gesamtergebnis

Ferrari feierte zwar den Sieg, verpasste aber ein besseres Gesamtergebnis Zoom

Während der Ferrari #51 (Pier Guidi/Calado/Giovinazzi) problemlos durchlief, kämpften die beiden anderen 499P-Hypercars von AF Corse mit diversen Schwierigkeiten. Im Gegensatz zum Vorjahr, als Ferrari den Sieg durch strategische Fehler selbst vergab, war es in diesem Jahr allerdings eine Verkettung unglücklicher Umstände.

Weil dem Ferrari #50 (Fuoco/Molina/Nielsen) nach mehreren Track-Limit-Verstößen im Qualifying alle Rundenzeiten aberkannt wurden, musste das Trio vom Ende des Feldes starten. Deshalb setzte Ferrari auf eine mutige Strategie, um sich im Rennverlauf nach vorne zu arbeiten.

"Von Anfang an war klar, dass wir bei Auto #50 ein höheres Risiko eingehen mussten, denn anders ist es hier kaum möglich, sich zurück nach vorne zu kämpfen", erklärt Ferrari-Einsatzleiter Giuliano Salvi. "[Deshalb] haben wir versucht, möglichst wenig Zeit in der Box zu verlieren."

Strategie mit den Reifen "war nicht gut"

Das bedeutete, jeweils nur zwei Reifen zu wechseln oder mit dem bestehenden Reifensatz weiterzufahren, um keinen unnötigen Platzverlust zu riskieren. Ein Plan, der sich jedoch nicht auszahlte. "Wir haben vier Stints auf den linken Reifen ausprobiert, aber die Performance war nicht gut", resümiert Salvi. "Dann haben wir gewechselt."

Erschwerend kam hinzu, dass das erste virtuelle Safety-Car alle zuvor entwickelten Strategiepläne über den Haufen warf. Der Ferrari #50 fiel zu Beginn des Rennens sogar aus der Führungsrunde, konnte sich jedoch später dank einer Full-Course-Yellow-Phase zurückrunden.

Spätestens in der Schlussphase, als sich Antonio Fuoco nach einem Duell mit Sebastian Buemi im Toyota #8 (Buemi/Hartley/Hirakawa; 5. Platz) einen Reifenschaden zuzog, waren alle Hoffnungen auf ein reines Ferrari-Podium endgültig dahin.

AF-Corse-Ferrari #83 mit Pech im Rennen

Dass der privat eingesetzte AF-Corse-Ferrari #83 (Kubica/Hanson/Ye) am Ende als Vierter nur knapp den Sprung auf das Podium verpasste, lag unter anderem an den ungünstigen Gelbphasen. "Ich glaube, das hat sie auf dem falschen Fuß erwischt", meint Salvi.

Ferrari hatte zudem Lehren aus dem Debakel des Vorjahres gezogen, als alle drei Fahrzeuge auf der falschen Strategie landeten. In diesem Jahr wurde die Taktik deshalb aufgesplittet. Aufgrund drohender Regenschauer gegen Rennende entschied man sich beim Ferrari #83 für den Einsatz von Soft-Reifen, um im Fall leichter Niederschläge vorbereitet zu sein.

Auch der privat eingesetzte AF-Corse-Ferrari #83 hatte Schwierigkeiten

Auch der privat eingesetzte AF-Corse-Ferrari #83 hatte Schwierigkeiten Zoom

"Um 17:30 Uhr war der Himmel komplett schwarz, die Modelle zeigten eine potenzielle Schauerwahrscheinlichkeit", begründet Salvi. "Im Nachhinein kam der Regen nicht - und ja, aus nachträglicher Sicht hätten wir vielleicht besser auf Medium-Reifen bleiben sollen." Denn die Entscheidung, auf weiche Reifen zu setzen, erwies sich als problematisch.

"Die weichen Reifen haben vor allem im Zweikampf überhitzt. Das war ein Fehler", räumt der Ferrari-Einsatzleiter ein. "Wenn die #83 freie Fahrt gehabt hätte, hätte es wie bei der #51 funktionieren können. Die #51 hatte eine saubere Strategie und freie Strecke, da war alles unter Kontrolle."

"Mussten alles geben, um vorne zu bleiben"

So aber schafften es Robert Kubica, Philip Hanson und Yifei Ye nicht mehr, sich den letzten Podestplatz zu sichern. "Alpine und BMW haben einen guten Job gemacht, besonders der BMW #20 war sehr schnell", lobt Salvi. Dass der Imola-Sieg angesichts der günstigen BoP-Einstufung ein Selbstläufer gewesen sei, verneint er entschieden.

Alessandro Pier Guidi, James Calado, Antonio Giovinazzi

Nur der Ferrari #51 kam problemlos und fehlerfrei über die Distanz Zoom

"Wir mussten wirklich alles geben, um vorne zu bleiben." Eine Aussage, die Schlussfahrer Alessandro Pier Guidi unterstreicht: "Nach dem Boxenstopp lag der BMW plötzlich vorne. Ich wusste, dass er länger stehen würde als wir, also musste ich im Verkehr den Anschluss halten."

Die unterschiedlichen Strategien hätten gezeigt, wie "komplex und herausfordernd" die Rennen in der Langstrecken-WM mittlerweile geworden sind. Eine entspannte Fahrt zum Sieg war das Rennen für den Ferrari-Piloten daher keineswegs. "Ich habe alles gegeben, erst ganz am Schluss konnte ich das Tempo ein wenig herausnehmen", so der Italiener.

"Richtige Entscheidungen zur richtigen Zeit"

Dass Ferrari in Imola wie erwartet triumphierte, sei in erster Linie das Ergebnis strategischer Präzision gewesen. "Wir haben die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen, das war der Schlüssel", sagt Antonio Giovinazzi. "In einem so turbulenten Rennen einen kühlen Kopf zu bewahren, war entscheidend."

"Es gab deutlich mehr Neutralisierungen als im Vorjahr, sodass wir flexibel bleiben mussten", ergänzt James Calado. "Das Team hat fantastisch reagiert, wir hatten ein starkes Auto, wenngleich der Reifenverschleiß höher war als erwartet."

Mit dem zweiten Sieg im zweiten Saisonrennen hat sich Ferrari zum Titelfavoriten in der Langstrecken-Weltmeisterschaft gemacht. "Wer das springende Pferd auf der Brust trägt, kann sich nicht mit Platz zwei zufriedengeben", schmunzelt Salvi.

"Der WM-Titel ist unser klares Ziel", macht der Italiener deutlich. "Auch wenn wir großen Respekt vor unseren Mitbewerbern haben, sind wir nun als Team so weit gewachsen, dass wir dieses Ziel ernsthaft verfolgen können."