WEC-Fahrer landet nach Hungerkur im Krankenhaus

James Calado gibt offen zu, aufgrund einer Hungerkur Anfang 2024 ins Krankenhaus eingeliefert worden zu sein - Jetzt werden Regeländerungen gefordert

(Motorsport-Total.com) - Ein altes, längst überwunden geglaubtes Gespenst ist in den Motorsport zurückgekehrt. Ferrari-Werksfahrer James Calado gibt offen zu, dass er sich in der WEC-Saison 2024 ins Krankenhaus gehungert hat, um im Hypercar konkurrenzfähiger zu sein.

Titel-Bild zur News: James Calado hungerte sich nach dem WEC-Auftakt in Katar ins Krankenhaus

James Calado hungerte sich nach dem WEC-Auftakt in Katar ins Krankenhaus Zoom

"Nach dem Rennen in Katar wurde ich wegen Unterernährung ins Krankenhaus eingeliefert", sagt er. "Ich habe Medikamente genommen, weil ich Sport getrieben, aber nicht gegessen habe, um abzunehmen. Es ist zu gefährlich für mich, mein Wunschgewicht zu erreichen."

Mit 1,81 Meter Körpergröße gehört der Brite zu den größeren und damit auch schwereren Fahrern. Zu Zeiten der LMGTE-Pro-Klasse bildeten Calado und Alessandro Pier Guidi bei AF Corse ein Dreamteam. Doch seit dem Aufstieg in die Hypercar-Kategorie war der Ferrari #51 mit Calado, Pier Guidi und Antonio Giovinazzi teamintern meist das langsamere Auto. Trotzdem konnte das Trio 2023 die 24 Stunden von Le Mans gewinnen.

Ein möglicher Grund ist das Gewicht der Fahrer. Giovinazzi ist mit 1,85 Metern noch größer als Calado, Pier Guidi nur unwesentlich kleiner. Nicklas Nielsen, Miguel Molina (je 1,75 Meter) und der noch etwas kleinere Anonio Fuoco sind klar im Vorteil.

Gewichtsausgleich seit Hypercar-Einführung passe

Die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) hatte in der großen LMP1-Klasse ab 2015 ein Ausgleichsgewicht eingeführt. Fahrerpaarungen, deren durchschnittliches Körpergewicht inklusive Ausrüstung (rund zehn Kilogramm) unter 80 Kilogramm lag, mussten so viele Kilogramm Zusatzgewicht zuladen, bis sie die 80 Kilo erreicht hatten.

Diese Regelung wurde mit der Einführung der deutlich schwereren Hypercars aufgehoben. Offenbar ging man davon aus, dass bei einem um mindestens 150 Kilogramm höheren Fahrzeuggewicht dieses Thema keine Rolle mehr spielen würde, wie es etwa bei GT-Fahrzeugen der Fall ist.

Weit gefehlt, wie Calado durchblicken lässt: "Ich würde gerne das Qualifying fahren, aber ich bin einfach zu schwer." Auf bis zu eine halbe Sekunde pro Runde beziffert er den Nachteil seiner 70 Kilogramm gegenüber leichteren Fahrern. Das Problem ist nicht nur das Gewicht an sich, sondern die Tatsache, dass es aufgrund des menschlichen Körpers zum Teil relativ hoch im Auto sitzt, was die Hebelwirkung erhöht.

Der enge Wettbewerb im Hypercar-Feld erfordert ein geringes Körpergewicht

Der enge Wettbewerb im Hypercar-Feld erfordert ein geringes Körpergewicht Zoom

Hinzu kommt, dass die Hypercar-Klasse durch den massiven Einstieg von Herstellern härter umkämpft ist denn je. Statt Sekunden trennen die Fahrzeuge, die zudem über eine Balance of Performance (BoP) angeglichen werden, nur noch Hundertstelsekunden.

Nur noch die reine Performance auf der Rennstrecke macht den Unterschied, nachdem - wie überall im Langstreckensport - Faktoren wie Zuverlässigkeit, Spritverbrauch und Materialschonung nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

BMW sieht Sicherheitsrisiko

"Ich würde mir wünschen, dass es mehr Gleichberechtigung gäbe, wie im Kartsport oder in anderen Meisterschaften. Es ist nicht einfach, weil es Langstreckensport ist - drei Fahrer pro Auto, zwei in anderen -, aber wir sollten versuchen, etwas zu unternehmen."

Auch BMW setzt sich für eine Angleichung ein. "Es sollte einen Ausgleich für das Gewicht der Fahrer geben, wie es in der Vergangenheit in der LMP1 der Fall war", verrät Andreas Roos gegenüber Motorsport.com Global, einer Schwesterpublikation von Motorsport-Total.com im Motorsport Network. "Wir sollten nicht in eine Situation kommen, in der die Hersteller nach den leichtesten Fahrern suchen; jeder sollte die Chance haben, konkurrenzfähig zu sein."

"Das ist auch eine Frage der Sicherheit: Die Fahrer versuchen, Gewicht zu verlieren, aber das ist ein Langstreckenrennen, das kann gefährlich werden." Konzentrationsschwächen aufgrund körperlicher Erschöpfung können im GT-Verkehr potenziell katastrophale Folgen haben.

Das Thema Fahrergewichte war in der WEC von 2015 bis 2020 eigentlich schon erledigt

Das Thema Fahrergewichte war in der WEC von 2015 bis 2020 eigentlich schon erledigt Zoom

Laut ACO-Technikchef Thierry Bouvet hängt der Vorschlag derzeit noch in der Schwebe: "Wenn jemand eine Idee hat, werden wir und die FIA die Vor- und Nachteile abwägen und entscheiden, ob sie umgesetzt werden soll oder nicht."

Die Diskussion um hungernde Rennfahrer war in der Formel 1 vor allem nach der Einführung des Hybridantriebs (KERS) im Jahr 2009 aufgekommen. Als 2014 das bis heute gültige Reglement mit Turbomotoren und stärkeren Hybrideinheiten eingeführt wurde, eskalierte die Situation.

Erst 2019 trat eine Regel in Kraft, die das Gewicht der Fahrer auf 80 Kilogramm angleicht. Wer leichter ist, muss zusätzliches Gewicht zuladen. Ein geringes Gewicht ist zwar immer noch erstrebenswert, weil das Zusatzgewicht weiter unten am Auto angebracht werden kann, aber das Thema Hunger ist seither aus der Formel 1 verschwunden.

In der WEC ist das Schreckgespenst nun wieder zurückgekehrt.

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