• 12.09.2024 11:38

  • von Stefan Ehlen, Co-Autor: Roberto Chinchero

Stefano Domenicali: Was ein Renault-Rückzug für die F1 bedeuten würde

Warum Formel-1-Boss Stefano Domenicali ein mögliches Aus von Renault als Antriebshersteller gelassen sieht und weshalb er die Regeln 2026 auch kritisch sieht

(Motorsport-Total.com) - Renault erwägt die Schließung seines Formel-1-Motorenwerks in Viry-Chatillon in Frankreich. Damit würde Alpine in der Formel 1 vom Werks- zum Kundenteam werden, wahrscheinlich mit Mercedes-Antrieben. Und die Rennserie würde einen Motorenhersteller verlieren.

Titel-Bild zur News: Esteban Ocon im Alpine A524 beim Formel-1-Rennen in Monza 2024

Esteban Ocon im Alpine A524 beim Formel-1-Rennen in Monza 2024 Zoom

Wie Formel-1-Chef Stefano Domenicali dazu steht, das erklärt er im Gespräch mit it.motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com, Formel1.de und de.motorsport.com im Motorsport Network. Ganz nach dem Motto: Erst mal abwarten.

"Es ist sicherlich wichtig, zu verstehen, was sich hier entwickeln könnte", sagt Domenicali. "Ich bin mir natürlich bewusst, was passiert, und dass alles mit der Frage zusammenhängt, wie lange man braucht, um konkurrenzfähig zu sein. Diese Zeitspanne will man so gut es geht verkürzen."

Genau das ist der Plan, den Alpine-Berater Flavio Briatore verfolgt: Er will Alpine binnen kürzester Zeit vom Hinterbänkler zum Spitzenteam formen. Der eigene Antrieb, der schon seit Jahren und auch Renault-intern als "schwächer" als die Konkurrenz eingestuft wird, wird dabei als Hemmschuh verstanden.

Aber was wäre das für ein Signal, wenn ein Formel-1-Hersteller plötzlich aufhört? Noch dazu unmittelbar vor dem Beginn des nächsten Regelzyklus ab 2026? Domenicali gibt sich hier "keineswegs besorgt" ob der Außenwirkung eines solchen Schrittes. Es gäbe schließlich an anderer Stelle "sehr starke Signale". Welche das sind, das erklärt Domenicali aber nicht.

Domenicali: Formel 1 steht besser da denn je

Er sehe vor allem, wie die Formel 1 auf die Zäsur der Corona-Pandemie reagiert habe und wie die Rennserie anschließend "überraschend schnell gewachsen" sei. "Wir haben mit einer großen finanziellen Investition eine Kommunikationsstrategie und eine Sportstrategie ausgearbeitet. Dieses Paket hatte eine derart große Wirkung, dass es alle Erwartungen übertroffen hat", sagt Domenicali.

Erneut macht er keine konkreten Angaben, fügt aber hinzu: "Wir wussten natürlich um unsere Stärken. Aber dass wir im Vergleich zu anderen Plattformen, die etwas an Boden verloren haben, so stark gewachsen sind, das war eine angenehme Überraschung für uns."

Reglement 2024: Heute würde man es anders machen

Bleibt nur die Frage, ob es unter dem neuen Formel-1-Reglement 2026 nicht zu einem bösen Erwachen kommt für die Verantwortlichen der Rennserie, wenn vielleicht schon vor der Umstellung ein Hersteller aussteigt - wo das neue Reglement doch maßgeschneidert ist auf die Bedürfnisse der Hersteller.

"Im Nachhinein weiß man es immer besser", sagt Domenicali. "Aber die Formel 1 hat schon immer versucht, Veränderungen vorwegzunehmen."


Fotostrecke: Das neue Antriebs-Reglement der Formel 1 ab 2026

"Als das Reglement für 2026 beschlossen wurde, mussten wir Entscheidungen treffen, mit technischen Kompromissen, die heute wahrscheinlich weniger notwendig wären. Aber sie waren zu diesem Zeitpunkt absolut notwendig, um neue Hersteller einzubinden und andere technologische Wege zu beschreiten."

Als Beispiel nennt Domenicali an dieser Stelle nachhaltige Kraftstoffe. Diese seien eine "strategische Frage für die Zukunft der Formel 1 und für die Mobilität im Allgemeinen", meint er.

Neue Dominanz eines Herstellers ab 2026?

Dass aus diesen großen Veränderungen eine neue Dominanzphase eines Herstellers entstehen könnte wie bei Mercedes ab 2014, davor hat Domenicali keine Angst. "Diese Möglichkeit besteht immer. Aber ich glaube, die Gegner würden sich schnell davon erholen." Auch, weil der Automobil-Weltverband (FIA) zum Beispiel mit dem Handicap-System in der Entwicklung bestimmte Maßnahmen ergriffen habe.

"Ich schätze, das hat zur Erholung der Rivalen von Red Bull in der aktuellen Saison beigetragen", sagt Domenicali. "Ich möchte aber auch betonen: Die Ergebnisse der vergangenen Jahre, in denen Max Verstappen und Red Bull die Formel 1 dominiert haben, haben nicht zu einem Interessensrückgang geführt, wie einige befürchtet haben." Er sehe der neuen Ära ab 2026 daher gelassen entgegen.

Tatsächlich denkt Domenicali bereits an 2030 und an mögliche weitere Regeländerungen in der Formel 1, wie er in einem früheren Mediengespräch erklärt hat. Darin deutete der Serienchef sogar eine komplette Abkehr von Hybridantrieben an, also eine Kehrtwende zum Regelpaket 2026.