• 16.04.2025 09:50

  • von Davoine, Karpow, Bekking, Codling, Faturos, Übersetzung: Wiegold

Meinung: Ist Oscar Piastri jetzt der Titelkandidat in der Formel 1?

Oscar Piastri hat in Bahrain seinen zweiten Saisonsieg in der Formel 1 2025 gefeiert - Ist er jetzt der Favorit auf den Titel?

(Motorsport-Total.com) - China und Bahrain: Oscar Piastri hat in der Formel-1-Saison 2025 bereits zwei Grands Prix gewonnen und liegt damit in der Gesamtwertung hinter seinem McLaren-Teamkollegen Lando Norris auf Platz zwei. Drei Punkte fehlen dem Australier auf die Spitze, doch ist er dank seiner Leistungen nun sogar Titelfavorit?

Titel-Bild zur News: McLaren-Fahrer Oscar Piastri nach seinem Formel-1-Sieg in China

McLaren-Fahrer Oscar Piastri nach seinem Formel-1-Sieg in China Zoom

Immerhin ist Piastri der einzige Fahrer im Feld, der mehr als ein Rennen gewonnen hat. Norris und Verstappen kommen auf je einen Grand-Prix-Sieg, Lewis Hamilton gewann im Ferrari den bisher einzigen Sprint in China. Hat sich Piastri vom Geheimfavoriten zur Nummer eins gemausert? Das meinen unsere Redakteure.

Piastri ist da, wenn er gebraucht wird

Von Stuart Colding, Autosport

Piastri wird von Marc Webber gemanagt, der selbst einmal rechnerische Titelchancen hatte, doch damals setzte Red Bull auf ein anderes Pferd: Sebastian Vettel. Webber lag 2010 sieben Punkte vor Vettel, doch der Deutsche setzte sich im Finale durch und wurde Weltmeister. Vettel war damals der Favorit bei Red Bull.

Webber kam danach nie mehr in seiner Karriere so nah an den Titel heran und das Verhältnis zu seinem Team kühlte ab. Das ist eine Lektion, die man sich merken sollte, denn so kann es hinter den Kulissen der Formel 1 zugehen. Piastri ist kein Mann, der sich mit der Geschichte aufhält, er macht einfach seinen exzellenten Job.

Er zeigt, was er kann, statt große Worte zu machen. McLaren steht hinter dem 24-Jährigen, der in jeder wichtigen Session genau das abliefert, was nötig ist. In der Saison 2025 liegt das Feld so eng beieinander, dass es viele Plätze kosten würde, den Teamkollegen um ein paar Zehntel zu bevorzugen. Das kann sich McLaren nicht leisten.

Für Norris scheint es immer schwierig zu sein, Piastri hingegen geht sehr gut mit den Problemen des Autos um. Die Italiener haben dafür ein Wort: Sprezzatura. Es bedeutet, eine schwierige Aufgabe ganz einfach aussehen zu lassen, und genau das gelingt Piastri. Er ist auf dem besten Weg, um den Titel zu kämpfen.

Norris macht zu viele Fehler

Von Basile Davione, Motorsport.com Frankreich

Als Piastri im Regen von Melbourne einen Unfall hatte, verlor er viele Punkte auf Norris. Wir dachten damals, er hätte auch mental verloren, aber das war nicht der Fall. Seit diesem Zwischenfall in Australien hat er mit Siegen in China und Bahrain zurückgeschlagen. Damit liegt er nur noch drei Punkte hinter der Spitze und hat einen starken Saisonstart hingelegt.

Die Art und Weise, wie er zurückgeschlagen hat, war beeindruckend. Norris gewann auf Piastris Heimstrecke, aber die Antwort kam prompt. Seine Einstellung ist beeindruckend, aber auch sein Verhalten auf und neben der Strecke. Piastri ist eiskalt und hat immer ein Pokerface aufgesetzt. Er ist cool, aber er funktioniert tadellos und macht das Beste aus seinen Möglichkeiten.

Mit dem MCL39 ist Piastri sicherlich ein Titelkandidat. Für ihn spricht, dass er noch Luft nach oben hat. Die scheinen bei ihm auch größer zu sein als bei Norris, der schon lange in der Formel 1 fährt, aber zu viele kleine Fehler gemacht hat, wie zum Beispiel am Sonntag in Bahrain.

Hier kommt Piastri

Von Federico Faturos, Motorsport.com Lateinamerika

Piastri ist so gut drauf, dass Norris sich Sorgen machen muss, denn sein Teamkollege ist jünger und hungrig. Er kommt gut mit dem Auto zurecht, während der Brite seine Schwierigkeiten hat. Die Saison steht noch am Anfang, aber die ersten Rennen können für den Ausgang der Meisterschaft sehr wichtig sein.


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Was passierte, als McLaren zuletzt drei der ersten vier Rennen gewann? Das war 1998. Ein Jahr zuvor hatte David Coulthard gegen Mika Häkkinen die Nase vorn, doch der schlug zurück, legte einen fulminanten Saisonstart hin und blickte nie zurück. Natürlich ist das nur ein Beispiel und die Situation bei Piastri und Norris ist eine ganz andere, aber Piastri ist erst im dritten Jahr und wird sich im Laufe der Saison noch steigern.

Wenn wir die Saisons 2024 und 2025 vergleichen, wird das deutlich. Piastri verlor 2024 24:6 im Qualifying, einschließlich der Sprints. Auf allen Strecken, die 2025 bisher gefahren wurden, verlor er 2024 gegen seinen Teamkollegen. 2025 steht es bereits 3:2 für den Australier, teilweise mit großem Vorsprung. Vier Zehntel waren es im Sprint-Qualifying von China und am Samstag in Bahrain. Bei seinen Niederlagen war es weniger als ein Zehntel.

Norris hat noch Chancen

Von Oleg Karpov, Motorsport.com International

Ein Fahrer wird an seinem letzten Ergebnis gemessen, und deshalb stehen Norris' Titelambitionen nach Bahrain in Frage. Er macht Fehler, aber er ist auch schnell. Es ist einfach zu sagen, dass er im Moment nicht die Leistung bringt, die er braucht, aber es gibt einen Punkt, den man berücksichtigen muss.

Trotz aller Fehler ist er der einzige Fahrer, der alle Rennen - inklusive China-Sprint - in den Top 3 beendet hat. Auch wenn er Fehler macht, holt er Punkte. Er hat schlechte Wochenenden gehabt und ist trotzdem Zweiter oder Dritter geworden. Das ist keine schlechte Ausbeute für ein schlechtes Wochenende.

Piastri scheint stark zu sein und nach Bahrain ist es schwer, eine Schwäche zu finden. Aber auch ihm stehen noch schwierige Rennen bevor. Norris stand viermal auf dem Podium, Piastris Fehler in Melbourne bei schwierigen Bedingungen war schlimmer. Piastri wird nicht plötzlich aus dem Nichts dominieren. Es wird auch Wochenenden geben, an denen er nicht mit Norris mithalten kann.

Was der Australier in den vergangenen drei Rennen gezeigt hat, beweist, dass es für Norris 2025 nicht einfach wird. Es zeichnet sich ab, dass Piastri sein härtester Gegner sein wird. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Norris mehr Erfahrung hat und bewiesen hat, wie gut er lernen und sich verbessern kann.

Verstappen niemals unterschätzen

Von Casper Bekking, Motorsport.com Niederlande

In der Formel 1 kann das Glück schnell umschlagen. In der einen Woche wird ein Fahrer gefeiert und in den Himmel gelobt, in der nächsten hängt er die Hälfte des Rennens am Heck eines Haas oder Alpine. So stark Piastri in Bahrain auch war, eines darf man nicht tun: Max Verstappen unterschätzen. Das haben wir vor eineinhalb Wochen in Suzuka gesehen. Jeder hat erwartet, dass McLaren dominiert, aber der Weltmeister hat alles aus sich und dem Auto herausgeholt.


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Natürlich war Bahrain schwierig, aber Verstappen hat das gemacht, was er am besten kann: das Ergebnis maximieren. Selbst wenn die Pace nicht da ist, holt er alles aus seinem RB21 heraus. Platz sechs war in Bahrain das Ende der Fahnenstange, aber er hat Schadensbegrenzung betrieben. Ohne das Safety-Car wäre es noch schlimmer gekommen. Wenn es einen Fahrer in den Top-Teams gibt, der weiß, wie man den Titel holt, dann ist es Verstappen. Sein Rivale Norris hingegen ist nicht fehlerfrei.

Eines ist klar: Red Bull wird sich in den kommenden Monaten steigern. Schlimmer kann es nicht mehr werden. Solange sich die Konkurrenz gegenseitig die Punkte klaut und Verstappen das macht, was er machen muss, ist alles möglich. Wenn in Barcelona der Flexi-Wing verboten wird, kann sich die Hackordnung wieder ändern. Das könnte Red Bull in die Karten spielen.

McLaren hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass ein Team trotz eines schwachen Saisonstarts noch mitmischen kann. Der Fahrertitel war nur nicht in Reichweite, weil Norris zu viele Chancen liegen ließ. Verstappen wird jede Chance nutzen, die sich ihm bietet. Das macht den Unterschied aus und deshalb darf man ihn nie abschreiben.