James Vowles: Warum Williams den Millionen-Köder ignoriert
Teamchef James Vowles erklärt, warum Williams trotz einer guten Ausgangsposition in der Formel 1 nicht alles auf kurzfristigen Erfolg in der Saison 2025 setzt
(Motorsport-Total.com) - Im Mittelfeld der Formel 1, in dem Zehntel - manchmal Hundertstel - den Unterschied zwischen Triumph und Mittelmaß ausmachen, wäre es für Williams verlockend gewesen, noch einmal alles auf 2025 zu setzen. Der fünfte Platz in der Konstrukteurs-WM ist greifbar nahe, Haas liegt nur einen Punkt vor dem Team aus Grove. Und: Der Unterschied macht im Preisgeld bis zu 40 Millionen US-Dollar aus.

© Sutton Images
Williams hat die Entwicklung bereits voll auf 2026 ausgerichtet Zoom
Doch Teamchef James Vowles bleibt standhaft. Williams hat sich früh - und bewusst - gegen diese kurzfristige Versuchung entschieden und seine gesamte Entwicklungsarbeit voll auf das Jahr 2026 ausgerichtet. Der neue Reglementzyklus stellt einen technischen Neustart dar, und Vowles will sicherstellen, dass Williams dabei eine gute Ausgangsposition hat.
"Wenn es nötig gewesen wäre, hätte ich das Modell persönlich aus dem Windkanal getragen", so Vowles drastisch. Es sei keine Option mehr, sich von kurzfristigen Chancen ablenken zu lassen - das habe man 20 Jahre lang gemacht, mit bekannten Konsequenzen.
Der lange Weg aus der Sackgasse
Williams war in den letzten Jahren immer wieder ein Opfer seiner kurzfristigen Denkweise - mal aus finanzieller Not heraus, mal aus Erfolgsdruck. Unter den neuen Eigentümern Dorilton Capital, und mit Vowles an der Spitze, soll sich das grundlegend ändern. Der Aufbau eines konkurrenzfähigen Top-Teams braucht nun mal Jahre, nicht Monate. Und genau diese Geduld sieht Vowles die einzige Chance auf nachhaltigen Erfolg.

© LAT Images
Williams-Teamchef James Vowles verfolgt eine langfristige Strategie Zoom
Vowles betont, dass die Entscheidung für 2026 keine schwere war. Bereits bei seiner Vertragsunterzeichnung sei klar gewesen, dass man nicht von kurzfristigen Erfolgen getrieben sein darf. "Es wurde von Anfang an offen besprochen: Es dauert, es kostet Geld - und es funktioniert nur, wenn wir konsequent dranbleiben", sagt er.
Das heißt aber nicht, dass 2025 komplett abgeschrieben wird. Tatsächlich sind Fortschritte gegenüber 2024 sichtbar, auch wenn strukturelle Defizite - etwa in der Infrastruktur - das Team weiter bremsen. Viele der notwendigen Modernisierungen in der Fabrik werden frühestens 2027 einsatzbereit sein.
Carlos Sainz muss sich mit alten Schwächen arrangieren
Auch auf der Strecke kämpft Williams weiter mit Altlasten. Das Fahrverhalten des FW47 ist immer noch nicht ideal - ein Punkt, mit dem sich Neuzugang Carlos Sainz besonders auseinandersetzen muss. Der Spanier, frisch von Ferrari gekommen, tastet sich langsam an das Fahrverhalten des Wagens heran, stößt dabei aber auf bekannte Grenzen.
GP Saudi-Arabien: Freitag in der Analyse
"Einige Eigenschaften des Autos sind einfach nicht auf dem Niveau, auf dem sie sein sollten", erklärt Vowles. Die Balance stimme nicht, die Werkzeuge zur Abstimmung seien limitiert. In diesem Jahr könne man hier und da nachjustieren - aber eine echte Lösung sei erst in der Zukunft möglich. "Wir können die Probleme ein wenig kaschieren, aber nicht beheben", so der Teamchef.
Vowles spricht von "Pflastern", die man 2025 aufkleben könne - aber die fundamentalen Schwächen lassen sich damit nicht heilen. Für 2026 sei ein klarer Richtungswechsel notwendig - und genau dafür wolle man jetzt die Weichen stellen, ohne sich von kurzfristigen Erfolgsaussichten ablenken zu lassen.
Wie viel steckt noch im FW47 - und was ist mit den Konkurrenten?
Trotz aller Limitierungen ist der FW47 kein schlechtes Auto. Alexander Albon und Sainz holen regelmäßig Punkte - und wenn sie die Performance des Wagens maximieren, ist ein Platz im vorderen Mittelfeld realistisch. Vowles ist überzeugt, dass mit gezielten Set-up-Verbesserungen noch Potenzial aus dem Paket zu holen ist.
Die Frage ist jedoch: Wie lange werden sich andere Mittelfeldteams noch auf 2025 konzentrieren? Der Trend zeigt, dass auch Haas, Alpine und Sauber dem Beispiel Williams bald folgen könnten. Wer den Absprung zu spät schafft, riskiert 2026 hinterherzufahren.
Und genau hier sieht Vowles einen psychologischen Vorteil: Während andere noch zögern, arbeitet Williams bereits mit voller Konzentration am neuen Reglement - mit dem Ziel, sich aus dem Hinterfeld langfristig zu verabschieden. Preisgeld hin oder her.
Williams macht Schluss mit den Fehlern der Vergangenheit
So verlockend Platz fünf auch sein mag - Williams wird nicht zurückfallen in alte Muster. Vowles hat eine langfristige Vision, und sie basiert auf Struktur, Infrastruktur und Stabilität. Keine hektischen Notlösungen mehr, keine Feuerwehreinsätze.
Mit Albon und Sainz verfügt Williams über zwei starke Fahrer. Doch der eigentliche Erfolg wird sich nicht 2025 entscheiden, sondern mit Blick auf 2026 und darüber hinaus. Die Geduld, die das Team jetzt zeigt, könnte sich in zwei Jahren doppelt auszahlen - sofern der Plan aufgeht.


Neueste Kommentare