• 29.11.2011 10:04

  • von Roman Wittemeier

Farfus: "Das Baby wächst und gedeiht"

BMW Werkspilot Augusto Farfus im Interview: Die Vorfreude auf die erste DTM-Saison, der Erfahrungsrückstand und das Talent eines Rennfahrers

(Motorsport-Total.com) - Im künftigen DTM-Kader von BMW sind vier von sechs Plätzen bereits fest vergeben. Von Audi holte man sich Champion Martin Tomczyk, aus Reihen von Mercedes kam Toppilot Bruno Spengler an Bord. Diese beiden bringen reichlich DTM-Erfahrungen mit nach München, während sich die langjährigen BMW Vollgastiere Andy Priaulx und Augusto Farfus zunächst noch an die Serie gewöhnen müssen. Dies stellt aber kaum ein Problem dar, meint Farfus im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Augusto Farfus

Augusto "Gustl" Farfus freut sich auf seine erste Saison in der DTM

Frage: "Augusto, du bist nun seit einigen Monaten DTM-Fahrer. Wie fühlt es sich an?"
Augusto Farfus: "Einfach großartig. Das Projekt ging für mich schon im Juli los, ich durfte damals die allerersten Runden in Oschersleben absolvieren. Seither sehe ich ganz genau, wie unser 'kleines Baby' wächst, gedeiht und immer konkurrenzfähiger wird. Ich muss mich bei Mario Theissen noch einmal herzlich bedanken, der mich überhaupt an Bord geholt hat. Und Dank auch an Jens Marquardt, der mich ins Auto lässt."

"Ich finde es toll, wie hier alle zusammen am Projekt arbeiten und all ihre Eindrücke und Empfindungen miteinander teilen. Wir alle zusammen wollen ein Rennauto mit technischen Mitteln möglichst schnell machen. Gleichzeitig darf man niemals vergessen, dass ein solches Rennauto von Menschen gebaut wird. Daran teilhaben zu dürfen, ist für mich absolut toll. Ich freue mich jetzt ganz besonders auf den Start in das kommende Jahr."

Frage: "Wie wird das erste DTM-Jahr denn werden?"
Farfus: "Ich weiß, dass es für uns alle eine sehr schwierige Aufgabe werden wird. Wir gehen dort in einen sehr harten Kampf. Die anderen beiden Hersteller haben unwahrscheinlich viel Erfahrung, die kennen die Serie, kennen die Strecken. Aber wir sind als Team sehr, sehr stark. Wir alle wollen den Erfolg so sehr, sodass ich ganz sicher bin, dass wir es schaffen werden. Nächstes Jahr haben wir bestimmt ein schnelles Auto, aber ob wir schon nächstes Jahr den Titel einfahren können? Ich glaube eher nicht."


Fotos: DTM-Stars bei der Essen Motor Show


"Wir sind bereit für diese Aufgabe, wir alle sind bereit, womöglich auch mal zwischenzeitlich zu leiden. Wir wollen lernen, uns ganz schnell weiterentwickeln und Erfahrungen sammeln. Auf technischer Seite ist es meist einfacher. Du kannst Teile einkaufen, du kannst wichtige Leute von anderen Teams holen. Aber wenn es um Erfahrung geht, dann kannst du diese nur im Rennbetrieb sammeln. Darum geht es nun also im kommenden Jahr. Darauf freue ich mich sehr."

Frage: "Ein DTM-Auto unterscheidet sich sehr von den Fahrzeugen in der WTCC, die du lange Zeit sehr erfolgreich bewegt hast. Karbonbremsen und ausgefeilte Aerodynamik sind beispielsweise zwei solcher Elemente..."
Farfus: "Ja, und? Es ist ein Rennwagen. Es ist vielleicht insgesamt alles etwas schneller, aber es ist und bleibt ein Rennauto. Wir sind doch alle professionelle Jungs. Nimm mal Rafael Nadal im Tennis. Der Kerl ist auf Rasen, auf Hartplätzen, auf Asche gut - einfach überall. Er muss sich immer nur kurz darauf einstellen. Das ist bei uns Rennfahrern ganz ähnlich. Oder nimm mal Lionel Messi. Lass ihn doch mal Beachsoccer spielen. Ich bin ganz sicher, dass er auch dort fantastisch sein wird. Wenn du das Talent hast, dann kannst du dich ganz schnell auf neue Umstände einstellen und gut sein."

"Ich durfte das DTM-Auto nun schon einige Male fahren. Ich fühle mich darin schon sehr, sehr wohl. Über diese Umstellung habe ich mir wirklich niemals irgendwelche Sorgen gemacht. Dass ich in ein Auto steige und sage: 'Wow, das Ding ist mir jetzt zu heftig' - so etwas gibt es nicht. Der Wagen liegt mir, der Wagen passt zu mir und entsprechend freue ich mich darauf, dieses Fahrzeug in der kommenden Saison im Wettbewerb zu fahren."

Frage: "Viele Kollegen erklären immer wieder, ein DTM-Auto sei einem Formelfahrzeug sehr ähnlich. Ist das auch dein Eindruck?"
Farfus: "Ja, ganz klar. Und genau das liebe ich. Das Auto ist in der Handhabung sehr präzise und du kannst unheimlich viel Tempo mit in die Kurven hineinnehmen. Diese Autos haben die perfekte Charakteristik, es passt ganz genau zu meinen Stil."

¿pbvin|1|4277||0|1pb¿Frage: "Du hast bezüglich des BMW M3 DTM eben von einem 'kleinen Baby' gesprochen. Deine Tochter Victoria ist etwa genauso alt wie das Auto. Gibt es da Parallelen in der Entwicklung?"
Farfus: "Ja, das ist in gewisser Form echt lustig. Wenn ich zu einem Test fahre, dann erkenne ich die Fortschritte am Auto. Fahre ich nach dem Test zurück nach Hause, dann sehe ich sofort wieder neue Fortschritte bei meiner Tochter. Beide bekommen rasant regelmäßige Updates (lacht). Spaß beiseite: Eigentlich kann man diese beiden Dinge überhaupt nicht vergleichen."

"Die Emotionen sind einfach ganz unterschiedlich. Für Motorsport empfinde ich eine glühende Leidenschaft, für meine Familie innigste Liebe. Das sind unterschiedliche Gefühle. Vater zu sein ist ein ganz besonderes Gefühl. Wenn ich zur Arbeit muss, dann bin ich immer etwas traurig, dass ich meine Liebsten verlassen muss. Gleichzeitig ist es natürlich immer wieder großartig, wenn man nach Hause zurückkommt. Ich musste es erst lernen. So läuft mein Leben. Ich muss meine Zeit auf wichtige Bereiche verteilen. Auf der Strecke bin ich Rennfahrer, in der heimischen Wohnung bin ich Vater und Ehemann."

Farfus durfte die allerersten Testkilometer mit dem BMW M3 DTM fahren Zoom

Frage: "Im kommenden Jahr wirst du oft in Deutschland unterwegs sein, weil viele Rennen der DTM eben dort stattfinden. Wird deine Familie dich begleiten?"
Farfus: "Ja, wir leben zusammen in Monaco und wir werden versuchen, zu den meisten Rennen gemeinsam zu fahren. Wir müssen mal schauen, ob das klappt. Aber mir wäre das ganz lieb. In diesem Jahr waren sie in Road Atlanta und in Zhuhai dabei."

Frage: "Dein sechs Monate altes Kind ist mit nach China geflogen?"
Farfus: "Ja, ganz schön mutig, oder? (lacht) Victoria macht das ganz gut mit. Ich habe manchmal das Gefühl, dass sie schon genau weiß, wie mein Leben so läuft. Mir hilft es ganz einfach, wenn ich sie dabei habe. Es ist großartig, nach einem Tag auf der Rennstrecke ins Hotel zu kommen, dort dann die kleine Tochter zu sehen. Meine liebe Frau unterstützt das zum Glück. Mehr kann ich mit vom Lieben Gott nicht wünschen: Ich habe alles!"

Frage: "Stell dir vor, wir treffen uns genau in einem Jahr wieder. Was würdest du mir dann gern über die Saison 2012 erzählen?"
Farfus: "Es gab tolle Siege, erstklassige Rennen, es war eine schöne Saison. Und ich freue mich total auf die Saison 2013!"