Update-Hoffnung und Windkanal-Zweifel: Wie Red Bull den Anschluss halten will

Max Verstappen wird intern ideutlicher, Red Bulls Probleme in der Formel 1 nehmen zu: Trotz öffentlicher Beschwichtigungen sind strukturelle Schwächen offensichtlich

(Motorsport-Total.com) - "Krise? Welche Krise?" - Diese Schlagzeile, einst von der britischen Tageszeitung The Sun geprägt, könnte derzeit auch das Motto von Red Bull in der Formel 1 sein. Teamchef Christian Horner weist den Begriff einer "Krise" konsequent zurück. Doch die Probleme beim amtierenden Weltmeisterteam nehmen weiter zu - und ihr wertvollstes Gut, Max Verstappen, wird zunehmend deutlicher in seiner Kritik.

Titel-Bild zur News: Christian Horner

Teamchef Christian Horner will öffentlich nichts von einer Krise wissen Zoom

Ganz so dramatisch wie Großbritanniens politisches Chaos im Jahr 1979 ist die Situation in Milton Keynes natürlich nicht. Red Bull liegt in der Konstrukteurswertung noch immer in Schlagdistanz, und Verstappen ist nur acht Punkte hinter WM-Spitzenreiter Lando Norris zurück. Aber der Schein eines Teams in Schieflage wird immer schwerer zu widerlegen.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Probleme zu häufen scheinen - und sich nicht nur auf Einzelfälle beschränken. Schon in Bahrain war der Eindruck deutlich: Die Ingenieure trafen sich nach dem Rennen zu einem ungewöhnlich spontanen und hochkarätig besetzten Meeting.

Horner, Helmut Marko, Technikchef Pierre Wache und Chefingenieur Paul Monaghan - ein Krisengipfel, wie viele Medien ihn bezeichneten. Horner dementierte prompt. Aber: Wenn sich vier Schlüsselfiguren in dieser Form und unter Zeitdruck zusammensetzen, dann hat das Signalwirkung.

Verstappens Sieg in Japan war eher die Ausnahme

In Dschidda versuchte Horner noch einmal, die Diskussion zu entschärfen: "Wenn man sich mit seinen Ingenieuren zusammensetzt, ist das kein Krisengipfel." Doch wie die Journalisten zurecht einwenden: Wenn so ein Treffen in dieser Form bisher noch nie vorkam, ist das mehr als nur eine normale Nachbesprechung.

Max Verstappen

Beim Sieg in Suzuka "umfuhr" Verstappen die Schwächen des RB21 Zoom

Hinzu kommt: Der einzige Lichtblick der letzten Wochen - der dominante Sieg in Japan - wird immer mehr zur Ausnahmeerscheinung. In den restlichen Rennen kämpfte Verstappen mit der Balance, die Performance des RB21 war launisch, schwer zu lesen. Horner selbst hatte nach Bahrain zugegeben, dass die Korrelation zwischen Simulation und Realität derzeit nicht funktioniert - ein fatales Eingeständnis in einer datengetriebenen Sportart wie der Formel 1.

Solche Probleme verschwinden nicht von heute auf morgen. Auch wenn das Auto an bestimmten Wochenenden zufällig funktioniert, ändert das nichts an den zugrundeliegenden Schwächen. Das Training in Dschidda zeigte die Problematik erneut: Das erste Training war schwach, das zweite etwas besser, aber Verstappen lag trotzdem hinter beiden McLaren und sagte: "Das Auto ist noch immer nicht da, wo ich es haben will."

Ein Auto ohne Konstanz - und ein Team auf der Suche

Yuki Tsunoda testete eine alternative Abstimmung und landete nach einem Unfall im Training frühzeitig in der Mauer. Das zeigt: Red Bull probiert derzeit noch viel aus, sucht die richtige Richtung - ein weiteres Indiz dafür, dass das Vertrauen in die eigenen Tools abgenommen hat.

Horner relativiert die Balanceprobleme gerne als "kleine Unsauberkeiten" oder "Eigenheiten" des Autos, die sich über eine Runde summieren. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache: Ein Auto, das von einem Wochenende zum nächsten so unterschiedlich reagiert, ist nicht berechenbar - und damit schwer entwickelbar.

Besonders gefährlich: Wenn ein schwieriges Auto plötzlich gut funktioniert, ist das für die Ingenieure genauso problematisch, wie wenn es unerwartet schlecht läuft. Denn in beiden Fällen fehlt die logische Erklärung. Und genau das scheint Red Bulls größtes Problem: Man versteht das Auto nicht vollständig - und der Windkanal liefert keine verlässlichen Antworten.

Red Bulls Windkanal: Ein Relikt mit Tücken

Horner nennt das eigene Aerodynamik-Labor gerne ein "Relikt aus dem Kalten Krieg" - und das ist keine bloße Metapher. Der Windkanal stammt ursprünglich aus dem militärischen Flugzeugbau und wurde Anfang der 2000er von Jaguar übernommen. Noch heute bestehen zentrale Elemente wie die Betonstruktur aus dieser Ära - und genau darin liegt das Problem.


GP Saudi-Arabien: Freitag in der Analyse

Die Toleranzen des Kanals sind nicht mehr auf dem Stand moderner Technologie. Temperaturunterschiede beeinflussen den Luftstrom im Tunnel zu stark, was zu unzuverlässigen Messwerten führt. Diese Inkonsistenz macht es schwer, aerodynamische Entwicklungen exakt zu validieren - ein fataler Nachteil in einer Phase, in der sich die Leistung der Teams unter einem stabilen Reglement zunehmend angleicht.

Red Bull kündigte 2023 an, einen neuen Windkanal zu bauen - aber das Projekt braucht Zeit. Solange das bestehende System Unsicherheiten produziert, bleibt der Spielraum für aerodynamische Fortschritte begrenzt. In einer Ära, in der jede Zehntelsekunde zählt, ist das wie ein Rennen mit verbundenen Augen.

Updates kommen - aber treffen sie auch ins Schwarze?

Zwar verspricht Red Bull neue Updates für die kommenden Rennen, etwa für Imola - doch ohne verlässliche Korrelation bleibt offen, ob diese Maßnahmen wirken werden. Die Ingenieure sind zunehmend gezwungen, direkt auf der Strecke zu experimentieren - ein riskanter Ansatz bei begrenzten Testmöglichkeiten und unter Budget-Cap-Bedingungen.

Verstappen selbst wird spürbar ungeduldig. Er weiß: Die Probleme sitzen tief - und wenn die technischen Werkzeuge nicht liefern, kann das selbst das beste Fahrerfeedback nicht kompensieren. Der Niederländer hat mehrmals betont, dass er alles gibt - aber eben auch nicht zaubern kann.

Und genau hier liegt der kritische Punkt: Wenn sich herausstellt, dass Red Bulls strukturelle Schwächen - vom Windkanal bis zur Entwicklungsrichtung - fest verankert sind, dann könnte die Stunde der Wahrheit für das Team schlagen. Noch mag Horner das Wort "Krise" vermeiden - doch die Geier kreisen bereits, und Verstappen kennt seine Ausstiegsklauseln.