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Alain Prost: Meine Karriere war nicht nur Senna!
Trotz vier WM-Titeln wird Alain Prost von der jungen Generation oft nur auf Ayrton Senna reduziert - das sagt er zur Netflix-Serie über die F1-Ikone und ihre Beziehung
(Motorsport-Total.com) - "Bullshit, Bullshit, kompletter Bullshit. Es ist fast alles absolut fiktionalisiert worden. Ich will eigentlich gar nicht mehr darüber sprechen", sagt Alain Prost, als ihn Motorsport-Total.com am Rande des Saisonfinals in Abu Dhabi auf die neue Netflix-Serie zu Ayrton Senna anspricht.

© Motorsport Images
Legenden auf der Mauer: Senna, Prost, Mansell und Piquet im Jahr 1986 Zoom
Der Streaminganbieter, der sich seit einigen Jahren mit der Erfolgsserie "Drive to Survive" im Formel-1-Kosmos etabliert hat, hat der brasilianischen Rennlegende eine sechsteilige Mini-Serie gewidmet: Prost, einst großer Rivale Sennas im wohl legendärsten und medial am meisten beachteten Stallkrieg der F1-Historie, kommt darin wie erwartet einmal mehr nicht gut weg ...
Gegenüber den französischsprachigen Kollegen von Canal+ hat sich der viermalige Weltmeister dann doch noch zu entschieden, seine Meinung zur Serie kundzutun - und zeigt sich enttäuscht: "Ich habe nur ein paar Bilder gesehen und habe recht viel Feedback dazu gehört. Wie beim Film Senna, dem ersten, mit dem ich wahrscheinlich sogar noch mehr Zeit verbracht habe als an meiner eigenen Dokumentation, und diesem Biopic, ist offensichtlich, dass ich natürlich nicht zufrieden sein werde", sagt Prost.
Netflix-Serie über Senna: Das sagt Ex-Rivale Alain Prost
"Denn es gibt immer einen Good Guy und einen Bad Guy. Ich weiß bisschen was über die Story, was erzählt wird und ja, es ist ein Biopic, es ist fiktionalisiert. Aber leider werden ein paar sich wiederholende Geschichten eingefügt, die total erfunden sind, einfach total falsch", ärgert sich Prost. Auch darüber: "Die Leute tun so, als sei ich arrogant, und ehrlich, wenn es eine Sache gibt, die ich wirklich von mir weisen kann, dann das."
Senna auf Netflix: Die wahre Geschichte
Mit “Drive to Survive” hat sich Netflix in der Formel 1 längst einen Namen gemacht, nun legt der Streaminganbieter mit einer Miniserie über Ayrton Senna nach. Formel-1-Experte Frederik Hackbarth nimmt das sechsteilige Biopic genauer unter die Lupe und macht den Faktencheck. Weitere Formel-1-Videos
Das Senna-Thema, es verfolgt den Franzosen bis heute auf Schritt und Tritt - gerade, weil heutzutage, wie eben durch die Netflix-Serie, auch wieder ein jüngeres Publikum davon angezogen wird. "Ich kann nicht nicht an Ayrton denken, zum Glück oder Unglück, wenn man so will... Ich überlege zum Beispiel, ob ich mein Instagram abstelle, denn ich erhalte jeden Tag, wirklich ausnahmslos jeden Tag, Nachrichten - von Zeit zu Zeit ist eine hasserfüllte dabei, ja, das kann vorkommen", berichtet Prost.
Andererseits gibt der Franzose mit einem Schmunzeln zu bedenken: "Meine größte Fangemeinde in den Sozialen Medien ist ausgerechnet aus Brasilien, ich bin also gezwungen an ihn zu denken. Indirekt lebe ich schon seit 30 Jahren um diese Story herum, und das wird wohl auch den Rest meines Lebens so bleiben", hat sich Prost, der vor kurzem seinen 70. Geburtstag feierte, damit abgefunden.
Prost: "Ich hatte fünf Weltmeister als Teamkollegen"
Ein bisschen schade findet der Mann aus Lorette, in der Nähe von Lyon, es trotzdem, immer nur auf diese kurze Episode reduziert zu werden. "Das Leben besteht aus vielen Teilen: Der Weg in den Motorsport, meine Karriere, und jetzt. In den 30 Jahren (seit Karriereende) habe ich viel gemacht, aber darüber wird kaum gesprochen. Und man bekommt das Gefühl, dass mein Leben nur dieses Prost-Senna-Duell ist", erklärt er.

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Eine Rivalität für die Ewigkeit: Prost vs. Senna, hier in Suzuka 1989 Zoom
"Aber es gab ja selbst währenddessen noch etwas anderes, all die Fahrer, gegen die ich gefahren bin und gekämpft habe: Ich hatte fünf Weltmeister als Teamkollegen... Und es gibt extrem wichtige Leute, die mir viel bedeutet haben. Der Teil meines Lebens, auf den ich am meisten stolz bin, ist der vor der Formel 1", offenbart Prost: "Die Zeit, die mich mental und moralisch geprägt hat, mir ermöglicht hat, was ich getan habe, mich dem zu stellen, obwohl ich zu Beginn gar nicht die Werkzeuge dazu hatte."
Vier Weltmeisterschaften holte Prost, der 1984 nur um einen halben Punkt Teamkollege Niki Lauda unterlag. Danach folgten jedoch zwei WM-Titel hintereinander mit McLaren, 1989 sogar noch ein dritter, wenngleich sich der teaminterne Zwist mit Senna da bereits auf dem Höhepunkt befand. Prost flüchtete schließlich zu Ferrari, doch seine Rivalität mit dem Brasilianer blieb bestehen - sie war damals die große Geschichte der Königsklasse, spaltete Fans und Experten gleichermaßen.
Nach der Beerdigung: Prost in Sennas Kinderzimmer
"Als Ayrton am 1. Mai 1994 auf tragische Weise starb, war das in gewisser Weise 'Schöne' daran, dass die Fans zusammenkamen. In anderen Worten, es gab keinen Hass mehr unter den Fans", reflektiert Prost, der dennoch ohne Argwohn auf die komplizierten Zeiten zurückblicken will: "Ich sehe drei verschiedene Epochen, und es gab ein sehr, sehr kompliziertes Jahr in 1989. Aber ich teile die Dinge in drei Epochen, denn ich packe Dinge gern in Schubladen - wie meine Kindheit und so weiter. Und so ist es mit Ayrton auch."
Prost: "Ich habe verstanden, wie er war, bevor er in die Formel 1 kam - denn seine Familie lud mich nach der Beerdigung in Brasilien ein, und sie zeigten mir Dinge, die mich verstehen ließen. Bilder (in seinem Zimmer), aus der Zeit als er noch im Kart fuhr: Ich war dort, aber durch seine Augen, in seinem alten Kinderzimmer, es war verrückt", verrät der Franzose: "Danach gab es die Renn-Epoche, die manchmal kompliziert war..."

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Auf das Stallduell bei McLaren waren Ende der 80er alle Augen gerichtet Zoom
"Aber als ich aufhörte, auf dem Podium in Adelaide 1993, kam sofort eine andere Person raus, im Bruchteil einer Sekunde. Er war einfach komplett anders. Und in den sechs Monaten vor seinem Tod haben wir regelmäßig telefoniert, zwei bis dreimal die Woche", berichtet Prost von einem neuen Senna: "Er war nicht mehr Derselbe, er wurde eine andere Person, als ich nicht mehr da war."
"Mehrmals hat er zu mir gesagt: 'Komm zurück, ich bin nicht motiviert gegen die anderen zu fahren.' Es gab einen ganzen persönlichen Kontext, den er mir erzählt hat, er war nicht besonders glücklich im Team", erklärt der Franzose: "Diese sechs Monate haben mich aber auch all die Dinge verstehen, und in gewisser Weise vergeben lassen, die wir in den schwierigeren Jahren unserer Beziehung getan haben, denn wir hatten auch gute Jahre", erinnert er sich.
"Wenn die Dinge korrekt laufen, gibt es kein Problem"
Zum Beispiel: "1988, ob ich da gewonnen oder verloren habe, das hat nichts ausgemacht. Ich habe wirklich die Seele eines Sportsmannes. Wenn die Dinge korrekt laufen, dann gibt es kein Problem, man kann gewinnen oder verlieren", so Prost: "Ich erinnere mich an ein oder zwei Qualifyings... Da gibt es ein schönes Foto, wo wir wie verrückt um ein paar Hundertstel gekämpft haben in Australien, und wir endeten Arm in Arm, nachdem wir beide an die Box zurückkamen, es war wunderbar."
Doch dann zerbrach das bis dato gute Verhältnis der beiden: "1989 verschlechterten sich die Dinge dann, aber nicht aus sportlichen Gründen", spielt Prost auf das Zerwürfnis der McLaren-Piloten in Imola an, das anschließend immer weitere Gräben zwischen die beiden Kontrahenten und schließlich das ganze Team zog - und in zwei legendäre wie WM-entscheidende Kollisionen in Suzuka mündete, wenngleich Prost bei Letzterer 1990 schon im Ferrari saß.

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Adelaide 1988: Herzliche Umarmung der Teamkollegen auf dem Podium Zoom
1992 setzte der Franzose nach Querelen bei Ferrari aus, nur um 1993 eine fulminante Rückkehr mit Williams und seinen vierten WM-Titel zu feiern. Obwohl er als einer der wenigen gilt, denen es gelungen ist auf dem Höhepunkt abzutreten, offenbart Prost überraschenderweise: "Ich bin nicht glücklich damit, wie ich aufgehört habe, aber es musste sein."
Der Franzose erzählt: "Als ich noch fuhr, war Nicholas (Prosts Sohn, d. Red.) bereits recht groß. Doch es war ihm verboten, einen Grand Prix live zu sehen, denn ich wollte nicht, dass er einen Unfall seines Vaters live sieht, man weiß ja nie. Der erste Grand Prix, den er live gesehen hat, war dann am 1. Mai 1994, als ich kommentiert habe... Das hat eine Symbolik, es gab eine Ahnung vom Risiko. Vielleicht wäre ich zu diesem Zeitpunkt in Ayrtons Auto gesessen, das kann niemand wissen."
Prost über Senna: "Er war sicher, dass Benetton betrügt"
An das letzte Gespräch mit Senna in Imola erinnert sich Prost noch gut: "Am Sonntag fragte er mich, ob ich vor dem Rennen in die Boxen kommen könnte, um ihn zu sehen, was er sonst nie machte. Er wärmte sich gerade auf, machte ein paar Dehnübungen und so weiter." Senna, der sich nach dem tödlichen Unfall von Roland Ratzenberger am Vortag große Sorgen um die Sicherheit machte, bat Prost darum, Präsident der Fahrergewerkschaft GPDA zu werden.
"Ich sagte ihm: 'Tut mir leid, das ist keine Rolle für mich, sondern mehr für dich. Du bist der charismatische Anführer der Formel 1 - und es ist besser, dafür noch aktiv zu sein.' Danach erzählte er mir, dass er sehr traurig ist, weil er sicher war, dass Benetton betrügt. Und er hat über die Risiken gesprochen, die Risiken, die Risiken", so Prost: "Er war extrem verärgert, es ging ihm nicht gut." Wenige Stunden später raste Senna in der Tamburello-Kurve in den Tod.

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Alain Prost holte vier WM-Titel, hatte später auch sein eigenes F1-Team Zoom
Prost relativiert im Zuge der Geschehnisse deshalb auch seine eigenes Karriereende und die zunächst verspürte Unzufriedenheit damit: "Ob ich also glücklich damit war (aufzuhören) oder nicht...", deutet er an, durchaus froh darüber zu sein, seine eigene Karriere unbeschadet überstanden zu haben. Wenngleich das Loskommen vom Rennsport nicht einfach gewesen sei: "Es hat bei mir, wie bei allen anderen auch, wenn man aufhört, zwei bis drei Monate gedauert", sagt Prost.
"Man darf nicht vergessen, das ist wichtig: Wenn du durchgemacht hast, was wir in der Formel 1 durchgemacht haben, dann gibt es nichts, was dir diese Freude, dieses Adrenalin oder diese Ziele geben kann", erklärt der Franzose, und setzt auf sein altbewährtes Mittel: "Auch hier muss man also denken, dass es eine Schublade gibt, ein Ende. Das ist nicht sofort, es dauert eine Weile, aber dann ziehst du weiter zu anderen Dingen."
Biopic über Prost? "Habe anderes im Leben zu tun"
Ob zu diesen in der Zukunft aber auch ein Biopic über ihn und seine Karriere gehört, so wie es Netflix nun Senna gewidmet hat, das kann sich Prost nach heutigem Stand eher nicht vorstellen. Zumal Ende 2024 gerade erst eine große Dokumentation über sein Leben auf Canal+ erschienen ist: "Nach so einer Doku bin ich eher dazu geneigt zu sagen, das ist es, ich habe meinen Stempel hinterlassen und bin weg. Ich will damit nichts mehr zu tun haben... Das ist heute eigentlich mehr mein Gemütszustand", verrät er.
Sein Blick richtet sich indes nach vorne: "Ich habe andere Dinge im Leben zu tun, als immer nur darüber zu reden, was mit Ayrton passiert ist. Das kann man auch für sich behalten", findet Prost - und verrät abschließend: "Er hat mir in dieser Woche in Imola Dinge erzählt, und mich versprechen und schwören lassen, dass ich nie darüber spreche, und das habe ich nicht mal meiner Familie gegenüber. Das bleibt bei mir. Ich habe Geheimnisse, und ich habe Gewissheit. Ich weiß, wie er war, ich weiß es genau. Basta."


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