"Durchaus riskant": So mutig erkämpfte sich Güven seinen Debütsieg in der DTM
Ayhancan Güven feiert in Oschersleben seinen ersten DTM-Sieg - Wie sich der Türke vom vierten Startplatz an die Spitze kämpfte und warum er dabei auch Glück hatte
(Motorsport-Total.com) - In seinem 35. DTM-Rennen hat's endlich geklappt! Am Sonntag feiert Manthey-Pilot Ayhancan Güven den ersten Sieg seiner Karriere und den ersten Erfolg eines Türken in der DTM überhaupt - obwohl er nach dem Qualifying nur vom vierten Startplatz in das Rennen gestartet war.

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Ayhancan Güven freut sich über den ersten DTM-Sieg seiner Karriere Zoom
Der Schlüssel zum Erfolg war zunächst ein guter Start, mit dem sich Güven bereits auf die dritte Position nach vorne geschoben hatte, ehe er dank einer perfekt gewählten Strategie nach dem ersten der beiden Pflichtboxenstopps schließlich die Führung übernahm.
"Nach dem Start war klar, dass Überholen auf der Strecke kaum möglich ist", erklärt Güven. "Also war mein Ziel, so nah wie möglich an den Vorderleuten dranzubleiben, um den Ingenieuren strategische Optionen zu geben. Ich habe sozusagen für das Boxenstoppfenster investiert."
"Als dann die ersten Fahrer zum Stopp kamen, wusste ich, dass sich die Optionen öffnen", schmunzelt der Manthey-Pilot, der wie alle Fahrer innerhalb der Top 10 mit den Reifen aus dem Qualifying starten musste, und beim ersten Boxenstopp auf den frischen Reifensatz wechselte.
Strategie von Güven mit "perfektem Timing"
"Ich glaube, Jules [Gounon] musste an die Box, weil ihn ein Auto [das schon gestoppt hatte] sonst Zeit gekostet hätte", grübelt der Porsche-Werksfahrer, der genau von diesen Umständen profitierte: "Dadurch hatte ich eine freie Runde, in der ich richtig pushen konnte."
"Diese Inlap war sehr stark", freut sich der 27-Jährige, der mit seiner gewagten Strategie allerdings auch Glück hatte: "Am Boxeneingang kam ich noch hinter einen Überrundeten, aber es war perfekt getimt - ein großes Kompliment an mein Team für den Mut, denn es war durchaus riskant."
"Wären wir im falschen Moment auf Autos mit kalten Reifen getroffen, hätte das Rennen vorbei sein können", weiß Güven, der auch von "einem kleinen Fehler" beim Boxenstopp spricht. Allerdings hatte der Manthey-Pilot das Glück, dass Rene Rast im Schubert-BMW die gleiche Strategie fuhr.
Rast hilft Güven unfreiwillig zum Sieg
Der BMW-Pilot war sozusagen der Puffer zwischen Güven und dem heranstürmenden Gounon, der seine frischen Reifen in der Outlap bereits auf Temperatur gebracht hatte. "Ohne Rast wäre es deutlich schwieriger geworden, weil ich noch nicht die optimale Reifentemperatur hatte."

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Rene Rast (BMW) war für Güven nach dem Stopp ein wichtiger Puffer Zoom
Der Manthey-Pilot schaffte es allerdings, seine frischen Reifen schnell auf Temperatur zu bringen und die Spitzenposition auch gegen Rast zu verteidigen. "Ab diesem Moment wusste ich, dass wir mit einer weiteren sauberen Boxenstopp-Phase das Rennen gewinnen können."
"Es ging nur noch darum, keine Fehler zu machen und alle Abläufe korrekt abzuhaken", erklärt Güven, der sich in der zweiten Hälfte des Rennens keinen Fehler mehr erlaubte. Nach dem zweiten Boxenstopp hatte sich der Türke einen Vorsprung von gut drei Sekunden herausgefahren.
Güven am Schluss mit kühlem Kopf
"Das Team hat mich über Funk auf dem Laufenden gehalten", verrät der Debütsieger, der keinen Druck fürchten musste: "Ich wusste, dass Jules aufholte, aber bei fünf verbleibenden Runden und zwei Zehnteln pro Runde wäre er maximal um eine Sekunde nähergekommen."
"Es ist mir egal, ob ich mit zwanzig oder mit zwei Sekunden Vorsprung gewinne - wichtig ist nur der Sieg", behielt Güven bei seinem ersten Erfolg in der DTM einen kühlen Kopf. "Ich habe weiter gepusht, um Jules keine Hoffnung zu machen. Denn wenn ein Fahrer merkt, dass er aufholt, wittert er seine Chance und pusht noch stärker."
"Ich wollte konstant bleiben, ein gutes Tempo fahren, ohne unnötige Risiken einzugehen", beschreibt der Oschersleben-Sieger seiner letzten Runden. "Am Ende zählt man bei seinem ersten DTM-Sieg einfach nur noch die verbleibenden Minuten und hofft, dass nichts mehr schiefgeht. Zum Glück hat alles gehalten."
Manthey mit Doppelpodium in Oschersleben
Das gute Manthey-Teamergebnis wird durch einen dritten Platz von Thomas Preining abgerundet, der vom siebten Startplatz kam und sich ebenfalls mit einer alternativen Strategie auf das Podium fuhr. "Wir sind beim ersten Boxenstopp früher reingekommen, haben also versucht zu undercutten", so Preining.
"Das funktioniert in Oschersleben normalerweise nicht - aber wir mussten etwas versuchen", erklärt der Österreicher. "Wenn alle zur gleichen Zeit stoppen, bleibt die Reihenfolge gleich. Also haben wir etwas riskiert." Der DTM-Champion von 2023 war deshalb einer der Piloten an der Box.

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Preining fährt mit starker Aufholjagd auf den dritten Platz Zoom
Als der Rest des Feldes zum Reifenwechsel kam, hatte Preining seine frischen Pneus schon auf Betriebstemperatur gebracht. "Ich konnte dann einige Autos auf kalten Reifen überholen, was viel Spaß gemacht hat", grinst der Drittplatzierte. "Beim zweiten Stopp haben wir wieder früh gestoppt, konnten erneut Plätze gewinnen."
Preining mit gelungener Schadensbegrenzung
Anders als viele andere Piloten, die ihren frischen Reifensatz im längeren Mittelstint nutzten, sparte sich der 26-Jährige seine neuen Reifen für das Ende des Rennens. Trotzdem gelang es ihm nicht, den zweitplatzierten Gounon in den letzten Runden noch einmal ernsthaft anzugreifen.
"Oschersleben ist eine tolle Strecke für das Qualifying und für Strategien - aber das Überholen ist schwierig, manchmal braucht es leichten Kontakt", spielt der Österreicher darauf an, dass er sich bei einer Aktion auch mal leicht an die "gelbe Mamba" von Gounon anlehnte.

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Güven und Preining landen in Oschersleben beide auf dem Podium Zoom
"Ich bin sehr glücklich. Ohne die schnellen Boxenstopps und die Strategie hätten wir keine Chance gehabt, weil Überholen für uns sehr schwierig war", resümiert Preining. "Unser Ziel war die Schadensbegrenzung, Punkte holen, ohne Risiko. Am Ende wurde daraus doch ein gewisses Risiko - und ein Podium."
"Ich bin sehr zufrieden, wie der Tag verlaufen ist. Der Saisonstart ist viel besser als in den letzten Jahren", strahlt der DTM-Champion von 2023. Das lag allerdings auch daran, dass Manthey bei der Strategie in Oschersleben wohl ein glückliches Händchen hatte ...


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