• 09.06.2008 14:36

  • von Pete Fink

Klaus Graf: "Für den Zuschauer fährt Audi gegen Porsche"

Klaus Graf im Interview über die Problematik, in der Sportwagenwelt eine Chancengleichheit für alle Antriebskonzepte zu erarbeiten - wer bestimmt was?

(Motorsport-Total.com) - Klaus Graf ist ein lang gedienter Sportwagenpilot, der wie kein Zweiter die Sportwagen-Szene in Europa und vor allem auch in den USA kennt. Für 'Motorsport-Total.com' nahm sich der Schwarzwälder Zeit, einmal eine ausführliche Aufarbeitung einiger reglementtechnischer Themen zu unternehmen, die speziell im Vorfeld des 24-Stunden-Klassikers von Le Mans für gewöhnlich auf ein breites öffentliches Interesse stoßen.

Titel-Bild zur News: Klaus Graf

Klaus Graf kennt sich in der weltweiten Sportwagenszene bestens aus

Frage: "Klaus, im Vorfeld von Le Mans sind die Sportwagen - wie jedes Jahr - wieder in aller Munde. Leider betrifft das Interesse der breiten Öffentlichkeit immer nur den Le-Mans-Juni. Liegt das möglicherweise auch an dem für Otto Normalverbraucher etwas verwirrenden Reglement mit den zig verschiedenen Klassen?"
Klaus Graf: "Das ist schon richtig. Die große Anzahl der Klassen war schon immer ein wenig das Problem der Sportwagen. Andererseits bringt das den Leuten, die direkt an der Rennstrecke sind, auch sehr viel Abwechslung. Ich persönlich war immer ein Fan davon, das Ganze auf zwei Klassen herunter zu reduzieren. Das heißt eine Prototypenklassen und eine GT-Klasse."#w1#

"Aber das ist dem Le-Mans-Veranstalter ACO definitiv zu wenig. Dort will man einfach mehr Aufsplittung und das denke ich wird auch noch eine Zeitlang so bleiben. Der ACO hat es eigentlich so vorgesehen, dass die Topklasse LMP1 die Spielwiese der Werke ist, und in der LMP2-Klasse die privaten Teams fahren sollen."

"Das ist natürlich vor allem in der ALMS etwas verfälscht worden, wo Porsche und Acura/Honda ja werksunterstützte Teams an den Start gebracht haben, die eifrig um Gesamtsiege kämpfen. In Le Mans selbst funktioniert es wiederum wieder, weil die Regeln so gemacht wurden, dass mit einem LMP2-Auto definitiv nicht um den Gesamtsieg mitgefahren werden kann."

Frage: "Zum Thema Reglement bei den Sportwagen - es gibt die LMS, die ALMS und die FIA-GT-Serie. Als Reglementshüter hat man den ACO, die FIA und in den USA die IMSA. Kannst du einmal eine kurze Aufklärung darüber geben, wer im Sportwagenbereich für was zuständig ist, was die Reglements betrifft?"
Graf: "Der ACO ist verantwortlich für die Regelauslegung der 24 Stunden von Le Mans. Da die Le-Mans-Serie, und auch die American-Le-Mans-Serie, also die IMSA, den Namen 'Le Mans' in ihren jeweiligen Serien verwenden dürfen, sind beide Serien eigentlich dazu verpflichtet, das Reglement des ACO in allen Klassen zu übernehmen."

ALMS mit leicht modifizierten Einstufungen

Cytosport Klaus Graf

In der ALMS startet Klaus Graf mit einem LMP1-Boliden von Cytosport Zoom

"In den USA macht die IMSA mittlerweile eigene Einstufungen, um den Wettbewerb besser zu gestalten. Das betrifft in der ALMS vor allem die LMP2-Autos, wobei der ACO nach meinem Kenntnisstand bereits insofern reagiert hat, als dass nicht reglementkonforme LMP2-Autos über ihre Ergebnisse in Sebring oder beim Petit-Le-Mans auch keine automatischen Plätze in Le Mans bekommen, selbst wenn die Resultate dazu berechtigen würden."

Frage: "Das ist aber nicht der Grund, warum zum Beispiel Roger Penske mit seinen LMP2-Werksporsche nicht in Le Mans antritt?"
Graf: "Nein. Ich glaube, wenn Penske und Porsche bei solch einem Projekt nach Le Mans kommen, dann kann das vom Aufwand her nur ein Projekt sein, wo man um den Gesamtsieg mitfahren müsste. Und weder das Reglement, noch die Rennstrecke lassen einen LMP2-Gesamtsieger in Le Mans zu."

Frage: "Dann erkläre doch bitte einmal, warum ein LMP2-Porsche Spyder in der ALMS gegen Audi das eine oder andere Rennen gewinnen kann, und warum er gleichzeitig in Le Mans chancenlos ist..."
Graf: "Ein erster Unterschied ist wie gesagt die Rennstrecke, die in Le Mans sehr lange Geraden hat. Ein LMP2-Fahrzeug hat deutlich weniger Motorleistung als ein LMP1-Auto, das bewegt sich im Rahmen von über 150 PS. Und ab einer gewissen Geschwindigkeit braucht man natürlich - unabhängig von der Aerodynamik - eine gewisse Motorleistung, um das Auto durch den Wind zu schieben."

"Dazu kommt, dass die ALMS-Regeln ein wenig mehr nach dem Kriterium der Chancengleichheit aufgestellt sind. Dort ist zum Beispiel der Gewichtsunterschied zwischen LMP1 und LMP2 etwas anders, und auch die Luftmengenbegrenzer für die LMP2-Motoren sind in den USA etwas größer als in Europa. Auch tanken die Diesel in den USA etwas langsamer als in Europa."

Frage: "Dann gibt es als zweiten Diskussionspunkt noch das Geschehen in der GT-Klasse, wo in der ALMS die Situation diejenige ist, dass zum Beispiel die Chevrolet in der GT1-Klasse völlig konkurrenzlos sind..."
Graf: "Genau. Mittlerweile gibt es da zwar einen Aston Martin, der aber privat eingesetzt ist und mit den Werks-Corvette natürlich nicht mithalten kann."

Für den Fan nicht transparent...

Porsche RS Spyder

In der ALMS fahren die Porsche RS Spyder um den Gesamtsieg mit Zoom

Frage: "Und nun kommt in der GT-Klasse ein neues Reglement..."
Graf: "Ja. Das ist schon entschieden und auch von der FIA für die FIA-GT-Weltmeisterschaft abgesegnet. Und dieses Reglement wurde vom ACO ab 2010 übernommen. Damit soll sichergestellt werden, dass es weltweit ein einheitliches GT-Reglement geben wird, das auch für die ALMS gelten soll. Aber da muss man noch sehen, wie konsequent dies eingeführt wird, oder ob es da Überganglösungen geben wird. Aber im Prinzip ist das die angedachte Lösung."

"Doch wie gesagt. Die ALMS muss eigentlich nach den Regeln des ACO fahren. Aber die IMSA behält sich 2008 sogar vor, zu Saisonmitte der ALMS neue Einstufungen oder Reglementkorrekturen - auch in den LMP-Klassen - zu unternehmen, um den Wettbewerb auszugleichen."

"Denn der ALMS geht es mehr um das Gesamtresultat. Die ALMS versucht, diese Klassenunterscheidungen etwas mehr aufzulösen. Denn im Prinzip sehen für den Zuschauer auf der Tribüne oder auch vor dem Fernseher die LMP1- und LMP2-Autos optisch gleich aus. Und eines ist auch klar: Für den amerikanischen Fan kann man das alles nicht mehr rüberbringen - egal, was die Werke erzählen. Denn eigentlich fährt für den Fan Audi gegen Porsche."

"Ob da nun LMP1 oder LMP2 draufsteht - das interessiert dort keinen Menschen. Und ganz klar: Viele fragen sich natürlich auch, wann Porsche denn werksseitig nach Le Mans kommt. Das wird aber erst dann passieren, wenn die Diesel-Regeln so angeglichen werden, dass man eben mit einem Benziner, einem Hybrid, oder was auch immer auch um den Gesamtsieg mitfahren kann."

Immer wieder das Thema Chancengleichheit

Toyota Supra HV-R Hybrid

Der Toyota Supra HV-R Hybrid gewann in Tokashi ein 24- Stundenrennen Zoom

Frage: "Das wäre dann der nächste Stichpunkt. Neben Diesel und Benziner gibt es jetzt die ersten Hybrid-Fahrzeuge. Toyota hat ein solches GT-Fahrzeug auf Basis des Supra bereits in Japan erfolgreich an einem 24-Stundenrennen teilnehmen lassen. Wie siehst du die Zukunft der Sportwagen unter dem Gesichtspunkt der Motorenkonzepte? Was müsste passieren, dass das ganze Geschehen ein wenig transparenter wird?"
Graf: "Also eine gewisse Undurchsichtigkeit wird wohl immer bestehen bleiben, denn die Faszination des Sportwagensports besteht ja auch in der Vielfalt der verschiedenen Marken und der dahinterstehenden Motorenkonzepte."

"Die große Kunst seitens des ACO und seiner Berater wird nun die sein, das Reglement so zu gestalten, dass für alle Motorenkonzepte Chancengleichheit besteht. Fakt ist momentan, dass man - egal mit welchem Aufwand einen Benziner bauen würde - nicht die Chance hat, in Le Mans einen Gesamtsieg zu holen."

"Der ACO gibt natürlich viele Freiheiten was unterschiedliche Konzepte betrifft, speziell was alternative Antriebsformen angeht. Sei es nun Hybrid oder von mir aus auch Ethanol, was bei den IndyCars ja schon gefahren wird, aber da muss man natürlich aufpassen, denn so kann man jemandem bei der Regelerstellung - vielleicht sogar unbewusst - Vorteile zu schanzen."

"Denn bei den Ingenieuren sind natürlich clevere Leute am Werk, die die Regeln bis ins Letzte ausreizen. Aber das Ganze ist auf einem guten Weg, wie ich finde. Es gibt ja mittlerweile richtig gute Simulationsmöglichkeiten, aber ein gewisses Restrisiko wird es immer geben."

Frage: "Glaubst du, dass es in absehbarer Zeit möglich sein wird, dass in Le Mans ein Hybrid einen Klassen- oder sogar Gesamtsieg erringen kann?"
Graf: "Definitiv. Ich bin mir sicher, dass bald irgendein Werk mit einem Hybridantrieb in Le Mans auftauchen wird. Ob das nun Toyota, oder irgendein anderer Hersteller ist, das weiß ich natürlich nicht. Aber dass wir das in den nächsten paar Jahren in Le Mans sehen werden, da bin ich mir ganz sicher."

Frage: "Wie ist deine persönliche Meinung zum Thema alternative Antriebskonzepte? Wo liegt die Zukunft?"
Graf: "Das ist eine schwierige Frage. Ich denke mir, dass wir im Rennsport die Verpflichtung haben, neue Technologien auszuprobieren, und dann das Effektivste und Wirtschaftlichste herauszufiltern, um das irgendwann auch auf die Strasse zu übertragen. Darin liegt auch der Nutzen des Rennsports, und vor allen Dingen des Sportwagensports."

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