Teammanager Masini: "Wir folgen dem Vermächtnis von Fausto Gresini"
Gresini-Teammanager Michele Masini im Interview - Wie er in diesem Rennstall aufgewachsen ist und welche Rolle das Vermächtnis von Fausto Gresini heute spielt
(Motorsport-Total.com) - Als Gresini zur Saison 2022 als eigenständiges Satellitenteam in die MotoGP zurückkehrte, wurde Michele Masini zum Teammanager gemacht. Der Italiener hat unter der Riege von Fausto Gresini den Rennsport im Detail kennengelernt.

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Michele Masini zählt zu den jüngsten MotoGP-Teammanagern Zoom
Im Interview mit der italienischen Edition von Motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network blickt Masini auf die Anfänge zurück und welchen Einfluss das Vermächtnis von Gresini auch heute noch auf das kleine, familiäre Team aus Faenza hat.
Frage: "Michele, Sie sind im Gresini-Team groß geworden. Das ist Ihre Familie und jetzt sind Sie Teammanager. Wie hat alles angefangen?"
Michele Masini: "Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die große Leidenschaft für Motoren hat - Autos, Motorräder. Als ich mein erstes Moped bekam und mich frei bewegen konnte, bin ich oft zu Fausto Gresinis Werkstatt gefahren, die damals von Fabrizio Cecchini geleitet worden ist."
"Ich habe dort meine Tage verbracht und beobachtet, wie die Leute dort gearbeitet haben. Ich wollte auch etwas tun, aber es war unmöglich. Fabrizio hat mir damals sehr geholfen. Er hat mir geraten, dass ich zuerst die Schule beenden soll."
"2006 hat er mir dann die Chance ermöglicht, Fausto zu treffen. Er hat auch gesagt, dass ich zuerst die Schule beenden soll. Dann werden wir sehen, ob wir etwas tun können. Im Winter 2007 hat Fausto mit Honda Italien die Honda NFS100-Trophy übernommen."
"Er hat mich angerufen und 2008 war ich dabei. Ich habe als Mechaniker angefangen, aber ich war mehr ein Allrounder. Fabrizio hatte viel Vertrauen zu mir und hat mir sofort die Schlüssel in die Hand gedrückt. Ich musste früh am Morgen kommen, um aufzusperren."
"Wenn ich zurückblicke, war es ein großes Opfer, aber das war nie ein Problem. Opfer sollte ich gar nicht sagen, denn ich hatte fast alle Rollen inne. Dabei habe ich realisiert, dass ich nicht der beste Mechaniker bin. Deshalb wurde ich Manager für Teile."
"Ich habe damals alle Champions gesehen: Enea Bastianini, Fabio Di Giannantonio, Romano Fenati, Andrea Locatelli. Es waren viele Kinder, die größte Gruppe italienischer Fahrer in der Weltmeisterschaft."
"2009 hat Fausto Marco Simoncelli unter Vertrag genommen, mit dem ich zur Mittelschule gegangen bin. Ich wurde für die Ersatzteile für seine Motorräder verantwortlich. Dann wurde ich Teamkoordinator für Moto2 und Moto3. 2016 brauchte Fausto dann einen Teamkoordinator für die MotoGP mit Aprilia."

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Fausto Gresini ist 2021 an Komplikationen einer Corona-Infektion gestorben Zoom
Frage: "Und schließlich wurde Gresini wieder ein eigenständiges Team."
Masini: "Nach Faustos Tod hat Nadia eine etwas unerwartete Entscheidung getroffen, nämlich weiterzumachen. Sie übertrug mir die Rolle des Teammanagers. Also hatte sie vollstes Vertrauen in mich. Ich dachte nie darüber nach, das nicht zu akzeptieren. Wir wollten Faustos Traum vom eigenständigen MotoGP-Team fortführen."
"Ich denke, wir machen es recht gut. Trotz der Erfahrung von 20 Jahren war es ein großer Poker. Nadia hat sehr viel eingebracht. Wir haben das beste Motorrad bekommen, das wir kriegen konnten. Und ein fantastisches Projekt hat begonnen."
Frage: "Die Erinnerung an Fausto ist immer noch sehr lebendig, für Sie wahrscheinlich noch stärker. Wie viel von ihm ist in der täglichen Arbeit noch da?"
Masini: "Sehr viel! Fausto und Fabrizio waren im Rennsport meine Väter. Ich sehe von Fausto vor allem in Faenza, in der Werkstatt, sehr viel von ihm. Wir waren immer gemeinsam an der Strecke. Er war in vier Klassen aktiv und hat sich sehr um alles gekümmert - von den Sponsoren bis zu den Fahrern. Es war schwierig, viel Zeit mit ihm zu verbringen."
"In Faenza hatten wir viel Spaß. Er wusste, wie er das Beste aus jeder Person herausholen kann. Er hat einen immer angetrieben. Ich erinnere mich auch an viele Rügen, er hat viel verlangt. Aber wenn er sich beruhigt hatte, nahm er einen am Abend zu einem Aperitif mit, um die Anspannung zu lösen."
"Diese Leichtigkeit ist in unserem Team geblieben. Das soll nicht oberflächlich klingen, aber es ist so ein stressiger Job. Ich denke, es ist unser Schlüssel, dass wir diese Leichtigkeit haben im Gegensatz zum Druck, der in einem Werksteam herrscht. Dort ist die Arbeitsweise ganz anders."

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Michele Masini im Gespräch mit Lorenza D'Adderio Zoom
Frage: "Der Charakter von Fausto hat sich auch auf die Fahrer ausgewirkt, wenn man auf die Resultate blickt."
Masini: "Fausto war zweimaliger Weltmeister und hatte ein spezielles Auge. Ich denke, das ist der schwierigste Aspekt, denn er hat diese Erfahrungen selbst erlebt. Ich sehe das bei Nadia, deren Charakter und Motivation offenkundig ist. Der Schlüssel ist immer die Kommunikation. Wir versuchen diesen Weg weiter zu folgen. Das war bei der Wahl für Alex Marquez der Fall."
Frage: "Für viele war das damals eine unerwartete Entscheidung - ein Poker."
Masini: "In dem Jahr, als wir Alex für 2023 unterschrieben haben, haben wir mit verschiedenen Fahrern gesprochen. Aber mit ihm haben wir genau gefunden, was wir gesucht hatten. Wir wollten einen motivierten Fahrer und nicht jemanden, der ein Werksteam oder ein Werksmotorrad will. Alex wusste, dass er es gut machen kann und es an ihm hängt. Wir wollten eine motivierte Person, der dann auch uns motivieren kann, es noch besser zu machen."

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Mit den Marquez-Brüdern hat Gresini eine besondere Fahrerpaarung Zoom
Frage: "Gresini ist nicht nur ein Team, sondern eine Familie. Das hat auch Marc Marquez so gesagt. Aber jeder sucht neue Herausforderungen. Der Fahrermarkt ist verrückt, aber das gilt auch für die Teams. Würden Sie Gresini verlassen, wenn Sie Sportdirektor in einem Werksteam werden könnten?"
Masini: "Ehrlich gesagt, wir sind in diesem Jahr so beschäftigt, dass ich nie darüber nachgedacht habe. Meiner Meinung nach ist dieses Jahr ein Schlüssel. Wir hatten noch nie die Chance, so groß zu werden. Wir versuchen von Marc zu verstehen, was im Hintergrund passiert, wenn so ein Champion auf der Strecke ist."
"Es gibt eine andere Aufmerksamkeit für jedes Detail. Es ist etwas mehr als bei anderen Fahrern, ohne jemanden herabwürdigen zu wollen. Es ist ein Jahr, das wir genießen und bis zum Ende auskosten müssen. Ohne darüber nachzudenken, wo wir am Ende landen werden. Natürlich sind die Erwartungen riesig, aber das genießen wir."


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