Reifendruck, Aerodynamik und Co: Immer weniger MotoGP-Überholmanöver

Auch in Misano gibt es im MotoGP-Rennen kaum Überholmanöver - Kritik der Fahrer an der neuen Reifendruckregel - Es wird immer riskanter, etwas zu probieren

(Motorsport-Total.com) - Auch das MotoGP-Rennen in Misano zählte nicht zu den spektakulärsten. Überholmanöver waren Mangelware. Der Großteil des Feldes spulte wie in einer Prozession 27 Runden ab. Mehrere Faktoren spielten eine Rolle, weshalb es ein relativ statisches Rennen war.

Titel-Bild zur News: Start in Misano

Nach dem Start werden Überholmanöver immer seltener Zoom

"Wenn man das Rennen so schnell fährt, wie wir es getan haben, dann ist es wirklich schwierig zu überholen", meint Start-Ziel-Sieger Jorge Martin. "Ich stimme Jorge zu", nickt Marco Bezzecchi. "Unsere Rennpace war sehr ähnlich, wodurch es schwierig war, mehr zu haben."

"Auf dieser Strecke gibt es zwei, drei Möglichkeiten. Aber Jorge war schnell, 'Pecco' war schnell. Ich war schnell." Deswegen gab es in der Spitzengruppe praktisch nur zwei Überholmanöver zwischen Bezzecchi und Francesco Bagnaia im Duell um Platz zwei.

"Für mich", sagt Bagnaia, "spielen auch die neuen Regeln für den Reifendruck eine Rolle. Wenn man nahe hinter jemandem ist, dann ist der Druck im Vorderreifen nach vier Runden so hoch, dass man kein Überholmanöver probieren kann, weil es zu riskant ist."

"Die neue Regel ist ein Desaster dafür. Für mich hat diese Regel nichts mit Sicherheit zu tun, weil man mehr riskieren muss und leichter stürzen kann. Wenn man hinter jemandem ist und etwas probieren will, muss man viel riskieren und das Vorderrad kann rasch einklappen."

"Bei Bedingungen wie in Misano kann das eine große Einschränkung sein. Aber es ist, wie es ist. Wir müssen besser verstehen, wie man damit umgeht. Es ändert sich viel, aber diese Regel macht unseren Sport nicht sicherer."

Francesco Bagnaia, Marco Bezzecchi, Dani Pedrosa

Nur wenige Überholmanöver im Kampf um das Podium Zoom

Der Druck im Vorderreifen muss mindestens 50 Prozent der Renndistanz in einem definierten Bereich sein. Die Ingenieure müssen vor dem Start raten, wie sich das Rennen entwickeln könnte. Danach stellen sie den Reifendruck ein.

Fordert neue Reifendruckregel Startunfälle?

Bei Martin wurde ein etwas höherer Druck eingestellt, denn man rechnete damit, dass er alleine an der Spitze in frischer Luft fahren kann. Bei den Fahrern im Feld wird tendenziell mit sehr niedrigem Druck gestartet, der sich in der Gruppe mit den Runden erhöht.

Das kann auch eine Rolle für die vermehrten Startunfälle spielen. Mit den Holeshot-Systemen gelingt praktisch immer ein optimaler Start. Vor der ersten Kurve muss hart gebremst werden, damit sich das Startsystem bei der Vordergabel deaktiviert.

Die Fahrer müssen also mit wenig Druck im Vorderreifen hart bremsen und auch etwas riskieren, um Positionen gutzumachen, da Überholmanöver später immer schwierig werden. Das perfekte Rezept für Chaos in der Startphase.

Wurde mit Pedrosa absichtlich gegen die Regel verstoßen?

"Es ist nicht schön, weil man nicht überholen kann. Es ist auch nicht gut für die Show und das Risiko steigt auch", spricht Martin die entscheidenden Punkte an. Pedrosa erhielt nach dem Grand Prix eine Verwarnung, weil er mehr als 50 Prozent der Distanz nicht im Reifendruckfenster war.

Sein Startdruck war zu niedrig, weil man nicht damit gerechnet hätte, dass er das komplette Rennen fast alleine fahren würde. Da ihm keine Strafe drohte, wurde im Fahrerlager sogar gemutmaßt, dass KTM mit Pedrosa absichtlich gegen die Regel verstoßen hat.

Dani Pedrosa

Nach Vinales in Barcelona erhielt Pedrosa in Misano eine Verwarnung Zoom

"Wenn ich in Danis Situation wäre, würde ich es genauso machen", meint etwa Bagnaia. "Man hat eine Chance, etwas Besonderes zu schaffen. Dadurch hat man einen Bonus, den man natürlich haben möchte. Es war eine gute Strategie von ihm."

Trotzdem hielt Pedrosa fest, dass das Gefühl im Grand Prix schlechter war als im Sprint, als er keine Verwarnung erhalten hatte und somit im definierten Rahmen war. Zu hoch darf der Druck im Vorderreifen nicht werden, denn sonst steigt das Sturzrisiko.

"Es ist eine gefährliche Sache", sagt Pedrosa und erklärt: "Wenn man über 2.1 bar kommt, hat man keinen Grip. Der Vorderreifen blockiert. Das macht es sehr gefährlich. Man kann sehr leicht stürzen. Aber was passiert, wenn man unter dem Mindestdruck fährt, weiß ich nicht."

Man kann schnellere Fahrer in Schach halten

Fährt man hinter einem oder mehreren Fahrern, dann überhitzt der Vorderreifen relativ rasch. Ein Überholmanöver zu starten, wird deshalb riskant. "Das ist jetzt nicht neu", meint Marc Marquez zur Überholproblematik.

Marc Marquez, Luca Marini, Raul Fernandez

Marc Marquez konnte schnellere Fahrer in Schach halten Zoom

"Wenn es eine große Strecke mit langen Geraden gibt, dann sind im Windschatten mehr Überholmanöver möglich. Aber es sind zwei Sachen. Entweder man überholt wie Binder im Sprint. Alle seine Manöver waren über dem Limit."

"Das waren schöne Manöver und ich war sehr beeindruckt, weil das sehr schwierig zu machen war. Oder Überholmanöver sind unmöglich. In den letzten drei Runden war Marini deutlich schneller als ich und hat auf mich aufgeschlossen. Aber ich habe mich verteidigt und er kam nicht vorbei."

"Die Regeln bleiben bis 2027 gleich. Sie wurden erlaubt, also geht jeder in diese Richtung." Deswegen wird nicht damit gerechnet, dass sich die Situation in naher Zukunft ändert. Michelin entwickelt einen neuen Vorderreifen, der für 2025 geplant ist.