Formel 1 vs. MotoGP: Große Unterschiede auf der Bremse
Brembo zeigt den Vergleich zwischen Formel 1 und MotoGP aus Sicht des Bremsenherstellers - Warum Überholen auf einem Motorrad einfacher ist
(Motorsport-Total.com) - Die Faszination beider Rennserien wird immer wieder kontrovers diskutiert. Formel 1 und MotoGP sind die jeweiligen Königsklassen ihrer Disziplin, trotzdem achten beide Meisterschaften stets auf den anderen: Nicht nur, um Terminkollisionen möglichst zu verhindern, sondern auch, um voneinander abzuschauen. Hier soll es jedoch nicht um die Frage gehen, welche Rennserie die bessere ist. Brembo präsentiert Zahlen zu den Unterschieden hinsichtlich der Bremsleistungen der jeweiligen Maschinen.
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Die Anforderungen an MotoGP-Bremsen sind gänzlich andere als in der Formel 1 Zoom
Die Strecke nahe Austin im US-Bundesstaat Texas ist eine von zweien, auf denen sowohl Formel 1 als auch MotoGP dasselbe Layout fahren, die andere ist Sepang. Obwohl ein Formel-1-Auto viermal so viel wiegt wie ein MotoGP-Motorrad, sind die Bremsscheiben mit 278 Millimetern kleiner als diejenigen am Zweirad mit 340 Millimetern. Dafür gibt es natürlich bei vier Rädern auch vier Bremsen, während die Motorradfahrer fast ausschließlich mit dem Vorderreifen verzögern.
Ein noch größerer Unterschied ist für den Bremsenhersteller aber die Reifenfläche, die fürs Verzögern zur Verfügung steht: Während die 245 (vorne) und 325 (hinten) Millimeter breiten Reifen eines Formel-1-Autos nahezu vollständigen Kontakt mit der Fahrbahn haben, steht nur ein Bruchteil des 125 Millimeter breiten Vorderreifens zum Verzögern zur Verfügung. Insgesamt ist die Aufstandsfläche eines einzelnen Formel-1-Reifens viermal größer als derjenige eines MotoGP-Bikes.
Gravierende Unterschiede bei Bremsdauer
Das sorgt dafür, dass die Bremszonen in der MotoGP deutlich länger sind. In nüchternen Prozentzahlen ausgedrückt bedeutet das: 18 Prozent des Rennens steht ein Formel-1-Fahrer in Austin auf der Bremse, ein MotoGP-Pilot hingegen 23 Prozent. Klingt nicht beeindruckend? Dann das Ganze in greifbareren Zahlen.
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So steht beim Anbremsen von Kurve zwölf, der scharfen Linkskurve am Ende der langen Geraden, der Formel-1-Fahrer nur 1,4 Sekunden lang auf 128 Metern auf der Bremse. Dabei wirken bis zu 5,7G Längsbeschleunigung auf den Fahrer. Bemerkenswert ist, dass die Formel 1 aufgrund des Luftwiderstands geringfügig langsamer geradeaus ist: Während Nico Rosberg beim Großen Preis der USA 2015 auf einen Topspeedwert von 332,3 km/h kam, wurde Pedrosa-Ersatz Hiroshi Aoyama beim MotoGP-Rennen 2015 mit 344,2 km/h geblitzt.
Die Motorräder kommen also schneller an, fahren aber langsamer durch die Kurve und haben darüber hinaus wesentlich weniger Kontakt zum Boden. Das sorgt dafür, dass der Bremsvorgang mit 5,9 Sekunden mehr als viermal so lang ausfällt. Mit 300 Metern ist die Bremsdistanz immerhin noch zweieinhalb Mal so groß wie im Formel-1-Boliden. Die G-Kräfte sind mit 1,8G nicht minder beeindruckend, wenn man in Betracht zieht, dass diese Kraft auf gerade einmal wenige Millimeter Auflagefläche des Vorderreifens wirkt, während der Hinterreifen teilweise den Bodenkontakt völlig verliert.
Autos verzögern anders als Motorräder
Ein interessanter Vergleich ist auch die Kurve vor der langen Geraden, die enge Spitzkehre Kurve elf. Hier wird aus wesentlich geringer Geschwindigkeit verzögert. Folgerichtig dauert der Bremsvorgang mit 4,6 Sekunden in der MotoGP weniger lang. Der Formel-1-Fahrer jedoch steht mit 1,5 Sekunden länger auf der Bremse als am Ende der anschließenden Geraden. Woran liegt das?
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Wer in der Formel 1 nicht degressiv genug bremst, blockiert die Reifen Zoom
Zum einen hängt es mit dem enormen Anpressdruck zusammen, den der vierrädrige Bolide bei 330 km/h generiert. Das Auto wird so hart auf die Erde gepresst, dass der Fahrer noch stärker in die Bremse treten kann. Aufgrund der Massenträgheit dauert es ein wenig, bis der Wagen wieder an Bodenfreiheit (wir reden von Millimetern) gewinnt. Zum anderen wird in die Kurve elf hineingebremst, der Bremsvorgang erfolgt also degressiv - der Formel-1-Pilot nimmt den Bremsdruck sukzessive zurück, während der in die Kurve einlenkt. Degressiv wird auch auf einem geraden Stück gebremst, nur weniger ausgeprägt.
Dem gegenüber ist der Bremsvorgang eines Motorradpiloten progressiv. Während sämtliche automobile Rennklassen beim Bremspunkt voll in die Eisen steigen, muss der Motorradfahrer den Bremsvorgang sanft einleiten. Bei 340 km/h auf einem Motorrad eine rapide Vollbremsung mit einer Carbon-Bremsscheibe vorzunehmen ist nämlich weniger empfehlenswert. Das sorgt für ein gänzlich anderes Verzögerungsbild.
Überholen auf dem Motorrad einfacher
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MotoGP-Piloten bremsen hingegen progressiv Zoom
Alles zusammen sorgt dafür, dass Überholen auf Motorrädern wesentlich einfach ist als im Auto: Zum einen sind MotoGP-Maschinen deutlich schmaler als Formel-1-Fahrzeuge. Darüber hinaus sind die Bremszonen länger. Und schlussendlich kann ein Motorradfahrer, der mutig ist, leicht später bremsen und etwas aggressiver den Bremsdruck erhöhen. Im Autorennen hingegen steigen beide Kontrahenten volles Rohr in die Bremse - hier hat der Fahrer kaum Einfluss auf die Bremsleistung.
Die geringe Aufstandsfläche und der fehlende Anpressdruck bei Motorrädern macht sich in schnellen Kurven bemerkbar: Während die vorletzte Kurve - eine schnelle Links - in einem Formel-1-Fahrzeug mit 169 km/h durchfahren wird, müssen die MotoGP-Piloten auf 115 km/h verzögern. In engen Kurven hingegen fällt der Unterschied gering aus: In Kurve eins fährt die Formel 1 73 km/h. die MotoGP deren 60.
Insgesamt fahren Formel-1-Boliden auf der 5,513 Kilometer langen Strecke über 20 Sekunden schneller als die MotoGP-Maschinen. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber: Der Circuit of the Americas gilt sowohl in der Formel 1 als auch in der MotoGP als Kurs mit mittelhohem Bremsenverschleiß.