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Agostini: Von ungeduldigen Anfängen bis zum herzzerreißenden Rücktritt
Giacomo Agostini verbrachte seine Kindheit in ungeduldiger Erwartung, Motorradrennfahrer zu werden, und schrieb die größte Karriere aller Zeiten
(Motorsport-Total.com) - Giacomo Agostinis Name dominiert seit über 50 Jahren die Statistiken des Motorradrennsports. Was auch immer die Generationen nach ihm versucht haben mögen, seine 15 WM-Titel und 122 Grand-Prix-Siege bleiben unerreicht.

© Motorsport Images
Giacomo Agostini in der Saison 1973, seiner letzten auf MV Agusta Zoom
Diese auch heute noch erstaunlichen Rekorde wurden von Agostini in gerade mal 15 Jahren Grand-Prix-Sport aufgestellt. Im Alter von 22 Jahren, nur vier Jahre nach seinem Debüt, begann er zu dominieren und etablierte sich rasch als Superstar mit einer unvergleichlichen Aura.
Wenn er über seine Karriere spricht, beschreibt Agostini sie als eine Berufung, fast eine unbändige Berufung. Er sagt, er sei von Geburt an für das Motorradfahren geschaffen gewesen, auch wenn seine Familie den Rennsport überhaupt nicht verfolgt hatte.
"Ich wurde mit dem Gedanken an das Motorradfahren geboren. Meine Eltern waren besorgt. Mein Vater sagte immer: 'Wo kommst du denn her? Wir haben hier nichts mit zwei Rädern zu tun, nichts mit Sport!' Ich weiß es nicht. Das hat mir Mutter Natur mitgegeben", erklärt Agostini im Gespräch für die französischsprachige Ausgabe von Motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network.

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Giacomo Aogstini, geboren 1942, fuhr von 1963 bis 1977 in der Motorrad-WM Zoom
"Ich träumte von zwei Rädern, ich wollte Motorradrennen fahren. Wenn ich auf der Straße ein Motorrad sah, habe ich immer geweint", erinnert sich der 15-malige Motorrad-Weltmeister.
Aber der junge Giacomo, das älteste Kind seiner Familie, musste viel härter arbeiten als ihm lieb war, um all dies zu ermöglichen. Er war so ungeduldig, dass er jedes Zweirad anfasste, das er in die Finger bekam. Er nutzte Dorffeste und Kinderversammlungen für ein paar Runden. Seine Familie jedoch war strikt dagegen.
Erste Motorradrennen als 18-Jähriger
Erst 1960, als Agostini endlich das erforderliche Mindestalter erreicht hatte, erhielt er von seinem Vater die Erlaubnis, an offiziellen Rennen teilzunehmen. Oder besser gesagt, er rang seinem Vater diese Erlaubnis ab.
Das ist bemerkenswert. Denn Agostini war bereits erwachsen, als er die Erlaubnis erhielt. Heutzutage beginnen Karrieren sehr früh, indem die Fahrer schon als Kinder an Wettkämpfen teilnehmen und im Teenager-Alter bereits in die WM einsteigen.
"Ich habe mit 18 Jahren angefangen, weil man das früher nicht konnte. Man brauchte die Unterschrift der Eltern. Leider waren es sogar 18 und ein halbes Jahr, weil mein Vater nicht unterschreiben wollte! Einmal hat er sogar gesagt: 'Ich unterschreibe nicht den Tod meines Sohnes'. Ich habe ihn gehasst, aber heute verstehe ich, wie er sich fühlte, als er das zu mir sagte", so Agostini.

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Giacomo Agostini musste lange warten, bis er Motorradrennen fahren durfte Zoom
Der junge Giacomo war überzeugt, dass er für das Motorradfahren geschaffen war, und er hatte nicht unrecht. Als er endlich an Rennen teilnehmen durfte, zeigte er sofort ein außergewöhnliches Talent.
Er besteht darauf, dass er die Kunst des Fahrens nie lernen musste, sondern dass sie ihm angeboren war: "Niemand hat mir dies oder das gesagt. Ich kaufte mir einen Helm, einen Rennanzug, ein Motorrad und ich wurde bei meinem ersten Rennen Zweiter von 40 Fahrern." So einfach also.
Seine Vorbilder hießen Tarquinio Provini, Carlo Ubbiali, Gary Hocking. "Das waren die Fahrer, die mich träumen ließen. Ich dachte, wie schön es wäre, so zu werden wie sie. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich es schaffen würde. Es war ein Traum, und dann wurde er Wirklichkeit." Sein Lebenstraum wurde tatsächlich wahr, und schon bald sollte Agostini zum absoluten Maßstab im Motorradrennsport werden.
Der Champion, der alle Rekorde bricht
Nach seinen ersten Erfahrungen in Italien, bei Bergrennen und auf Rennstrecken, zunächst mit seiner privaten Morini Settebello 175 und dann mit einer offiziellen Maschine, gab Agostini im Jahr 1963 sein Debüt in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Er bestritt seine ersten drei Rennen in der 250er-Klasse und wurde bald darauf von MV Agusta als Teamkollege der damaligen Referenz, Mike Hailwood, verpflichtet.
Und schon ging es los. 1965 errang Agostini seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Er gewann in der 350er-Klasse den Grand Prix von Deutschland, der damals auf der Nürburgring-Südschleife stattfand. Schon in dieser Saison kämpfte Agostini um den Titel. Es dauerte nicht lange, bis er der Spitzenfahrer von MV Agusta wurde. Sein erster WM-Titel kam in der Saison 1966 in der 500er-Klasse. Es war der Beginn einer erdrückenden Überlegenheit.
Im Zeitraum 1966 und 1972 gewann Agostini sieben aufeinanderfolgende 500er-Titel und zwischen 1968 und 1974 noch sieben 350er-Titel. Es war das Ende der 1960er-Jahre, das seine Legende wirklich zementierte, und das aus gutem Grund.

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Ende der 60er, Anfang der 70er dominierte Giacomo Aogstini die Motorrad-WM Zoom
In den Saisons 1968 und 1969 gewann Agostini in der 500-Klasse sage und schreibe 20 Rennen hintereinander, darunter alle zehn Grands Prix 1968. In den beiden folgenden Saisons gewann er jeweils zehn von elf Rennen, 1972 dann elf von 13. Im Jahr 1971 startete er bei acht von elf Rennen und siegte jedes Mal.
Zwölf Saisons lang errang Agostini mindestens einen WM-Titel in seinen beiden Klassen, der 350er- und der 500er-Klasse. Er machte alles platt. Viermal stand er bereits fünf Rennen vor Schluss der Saison als Weltmeister fest, was in dieser Form bis heute niemandem mehr gelungen ist.
Obwohl Agostinis Eltern zögerten und mit dem Motorradrennsport nicht vertraut waren, verfolgten sie seine Heldentaten schließlich doch. Dabei gab es, wie er sich erinnert, eine Menge Emotionen.
"Meine Mutter kam nicht oft zu den Rennen, weil sie so emotional war. Samstags und sonntags war sie in der Kirche, um [Kerzen] anzuzünden, zu spenden und zu beten. Wenn ich aufbrach, sagte sie zu mir: 'Mino, ich bitte dich, fahr langsam, aber gewinne!' Ich sagte zu ihr: 'Aber Mama, langsam fahren und gewinnen, das ist schwierig!'"
Entscheidung zum Rücktritt: Drei Tage lang Tränen
Nachdem er neun Jahre lang unzertrennlich mit MV Agusta verbunden war, wechselte Agostini 1974 zu Yamaha und errang 1975 einen letzten 500er-Titel. Zwei Jahre später traf er die Entscheidung, aufzuhören.
"Ich habe sie in letzter Minute getroffen", erklärt er. "Es war eine sehr schwierige Entscheidung. Man hört auf, weil man sich sagt, dass man jetzt alt ist, obwohl man mit 38 oder 40 noch gar nicht alt ist. Aber das Alter und der Zeitpunkt zum Aufhören waren gekommen."
Für Agostini war es eine herzzerreißende Entscheidung, nach Jahren intensiver Aktivität. "Es war sehr schwierig. Ich habe drei Tage lang gelitten und geweint, weil ich meine große Liebe verlasse. Das, wovon ich seit meiner Geburt geträumt hatte, ging zu Ende und das war's. Ich sagte mir, dass ich diese Freude, dieses Gefühl nie wieder haben würde."
"Das war auch so, aber man muss seinen Kopf benutzen und muss sich sagen, dass das Leben weitergeht. Man muss dankbar sein dafür, dass man das in seinem Leben hatte, dass man diese Freuden erlebt hat. Leider können sie nicht ein Leben lang anhalten, denn unser Sport ist etwas für die Jungen, nicht für die Alten. Es ist schwierig, aber man muss versuchen, es zu verstehen und man muss darüber nachdenken, etwas anderes zu machen."

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Mit dem aktiven Motorradrennsport aufzuhören, ist "Ago" nicht leicht gefallen Zoom
Als er seinen Helm an den Nagel hängte, hatte Giacomo Agostini 15 WM-Titel errungen: sieben in der 350er Klasse und acht in der Königsklasse, wo er bis heute ungeschlagen ist. Nach 15 Jahren im Grand-Prix-Sport verbrachte er noch einige Jahre im Automobilrennsport, bevor er als Teamchef in den Motorradrennsport zurückkehrte.
Heute ist Agostinis Karriere in einem Trophäenraum zu sehen, den er in einem Haus in der Nähe seines Wohnsitzes eingerichtet hat und den er ausbauen möchte. "Ich möchte viele der Dinge, die ich auf dem Dachboden habe, dort unterbringen. Ich brauche Platz!", sagt er.
Ja, so eine Karriere braucht Platz. "Ich gehe jede Woche dorthin, gebe Interviews oder schaue mir meine Motorräder an. Wenn ich traurig bin, gehe ich dorthin und schaue mir meine Trophäen an. Und dann sage ich mir, dass es nicht so schlecht gelaufen ist", schließt Agostini mit einem Lächeln.


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