Williams-Teamchef Vowles im Interview: Das war seine größte Lektion 2024

Williams-Teamchef James Vowles blickt auf die Höhen und Tiefen seiner Formel 1-Saison 2024 zurück und verrät, was seine größte Lektion war

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 kann manchmal eine Achterbahnfahrt sein, aber für Williams-Teamchef James Vowles war die Saison 2024 besonders extrem - beginnend vom Start in die Saison mit einem übergewichtigen Auto bis hin zur Verpflichtung von Carlos Sainz und der Entscheidung, Logan Sargeant auszutauschen.

Titel-Bild zur News: Williams-Teamchef James Vowles

Williams-Teamchef James Vowles musste 2024 einige harte Lektionen lernen Zoom

Zuletzt sorgten Franco Colapintos brillante Leistungen für Begeisterung. Das Pendeln zwischen diesen Höhen und Tiefen mag auch für Vowles herausfordernd gewesen sein, aber er ist nicht der Typ, der sich von Emotionen beeinflussen lässt.

Ihm ist klar, dass er bei Williams angestellt wurde, um das Team zurück an die Spitze des Feldes zu bringen. Und auch wenn der Traditionsrennstall aus Grove bereits einige gute Tage in dieser Saison hatte, weiß er, dass noch ein langer Weg vor ihm liegt, bevor er das Gefühl hat, seiner Mission näherzukommen.

"Wenn ich gefragt werde, ob ich mit der ersten Saisonhälfte zufrieden bin, lautet meine Antwort eindeutig: 'Nein'", sagt Vowles im Gespräch mit Motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com. "Wir hatten so viel Potenzial und Performance im Auto, die wir nicht genutzt haben."

"Das ist frustrierend. Aber für mich sind das alles nur Schritte auf dem Weg zum langfristigen Ziel. So sehe ich as", verweist der Brite auf die große Vision für Williams.

Sainz ist ein Teil davon. "Carlos ist eine großartige Ergänzung, aber er ist nur eine von tausend Dingen, die wir auf unserem Weg zurück an die Spitze tun müssen. Es ist genauso wichtig, die Performance des Autos zu steigern und uns selbst, nicht der Welt, zu zeigen, dass wir ein Auto erfolgreich weiterentwickeln können, besonders in einem so starken Wettbewerbsfeld wie diesem", betont Vowles.

"Deshalb habe ich das Ziel 2026/27 immer vor Augen und versuche, einige grundlegende Dinge in Angriff zu nehmen. Das gibt einem eine gewisse Distanz zu allem, was gerade passiert. Das klingt vielleicht seltsam, aber es hilft, sich nicht von den Höhen und Tiefen mitreißen zu lassen, weil es davon mehr als genug gibt."

Sargeant zu entlassen war "schwierig"

Einer der schwierigsten Momente für Vowles kam nach dem Grand Prix der Niederlande, als er die Entscheidung traf, Logan Sargeant aus dem Team zu nehmen.

Da der Amerikaner im Vergleich zu Teamkollege Alexander Albon nicht den erhofften Fortschritt zeigte, erwies sich ein schwerer Unfall am Samstagmorgen in Zandvoort als der letzte Anstoß. Trotzdem gibt Vowles zu, dass es ihm nicht leicht fiel.

"Ich wusste, was auf mich zukommt, als ich den Job angenommen habe, aber wenn man sich die Teamchefs in der Startaufstellung anschaut, sind es nur sehr wenige, die ihren Fahrer mitten im Jahr gewechselt haben. Es ist nicht einfach, das zu tun."


Fotostrecke: Formel-1-Fahrer, die während der laufenden Saison entlassen wurden

"Aber ich bin von Offenheit und Ehrlichkeit getrieben. Logan wusste lange vor diesem Punkt, dass er gefährdet war, und er kannte seine Ziele. Ich habe ihm klar gesagt: 'Hier sind die Bereiche, in denen du nicht auf dem Niveau bist, das wir brauchen, und das liegt in deinen Händen. Ich helfe dir so gut ich kann. Aber wenn wir nicht dorthin kommen, werden wir Änderungen vornehmen'", verrät der Teamchef.

"Deshalb bin ich mit mir im Reinen und habe das Gefühl, dass ich Logan jede Möglichkeit gegeben habe und ihn dabei bestmöglich unterstützt habe. Aber meine Verantwortung gilt nicht nur einer einzelnen Person in diesem Team, sondern den tausend Menschen, die hier jedes Wochenende tagein, tagaus arbeiten."

Der überraschende Colapinto-Effekt

Auch wenn es nie schön ist, einen Fahrer zu entlassen, war die Überraschung umso, als Sargeants Nachfolger Colapinto auf Anhieb so gut abschnitt. Der Argentinier schien sich sofort in der Formel 1 heimisch zu fühlen und erhielt großes Lob, nachdem er beim Grand Prix in Aserbaidschan den achten Platz belegt hatte.

Vowles sieht Parallelen zwischen Colapintos Geschichte und seinem eigenen Werdegang in der Formel 1. "Ich war vor 30 Jahren ein Absolvent", erinnert er sich.
"Jemand hat mir vertraut und mir während meiner gesamten Karriere Chancen gegeben, und heute bin ich hier. Franco kannte ich bereits, bevor er zu Williams kam. Er hatte keine Vorbereitung, sprang ins Auto und zeigte, was er konnte."

"Er ist verdammt schnell, hat eine Chance verdient, und ich konnte etwas sehen, das der Rest der Welt nicht sehen konnte. Er hat das eingelöst, und das gibt einem wirklich ein gutes Gefühl." Dabei spiegele Geschichte eines jungen Fahrers wie Colapinto den Kern dessen wider, wofür Williams steht, betont Vowles.

"Mein Kern und der Kern von Williams - und das ist der Grund, warum wir so gut zusammenpassen - ist die Investition in zukünftige Generationen. Und Franco verkörpert das im Grunde. Wir tun dasselbe innerhalb der Fabrik mit brillanten Absolventen, die wir in der Organistaion fördern und denen wir Chancen geben."

"Das ist lohnend, weil es wirklich der Kern dessen ist, was ich will. Ich möchte, dass zukünftige Generationen mich nicht aus meiner Rolle drängen, aber mich so herausfordern, dass ich die Zügel einer Sache, für die ich Verantwortung trage, loslassen muss."

Schumacher-Bemerkung war harte Lektion

Doch es war nicht nur auf der Strecke, wo Vowles im Rampenlicht stand. Er hat auch abseits davon einige harte Lektionen gelernt. Eine der größten Lektionen erhielt er vielleicht beim Grand Prix von Italien, als Vowles mit einer unbedarften Bemerkung über Mick Schumacher für reichlich Medienecho sorgte.


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Als er über die Entscheidung sprach, den Rookie Colapinto anstelle eines erfahreneren Fahrers wie Schumacher zu verpflichten, sagte Vowles: "Ich denke, wir müssen in dieser Sache ganz offen sein. Mick ist nichts Besonderes, er wäre einfach nur gut."

Die Reaktionen auf seine Aussage waren heftig, und Vowles erkannte schnell, dass seine Wortwahl nicht ideal war. Deshalb entschuldigte er sich bei Schumacher und dessen Familie. Rückblickend auf die Ereignisse gibt Vowles zu, dass ihn diese Erfahrung gelehrt habe, vorsichtiger mit seinen Äußerungen zu sein.

"Das ist schwierig, weil das in dem Fall eindeutig nicht das war, was ich meinte, und deshalb habe ich mich sofort bei ihm, seiner Familie und allen anderen entschuldigt", sagt er. "Ich war zu der Zeit am Boden zerstört, weil es mir die Macht einiger weniger Worte zeigte und dass ich viel sorgfältiger sein muss, was ich sage und wie ich es sage. Es war eine Lektion, die ich hoffentlich nie vergessen werde."