Vasselon: Ein Extra-Monocoque für KERS
Toyota-Technikchef Pascal Vasselon im Exklusiv-Interview mit 'Motorsport-Total.com': KERS nur als Option, Reifentemperatur als große Unbekannte
(Motorsport-Total.com) - Im Wettlauf der Präsentationen hat sich Toyota sofort in eine gute Position gebracht. Nachdem sich Ferrari bei der Vorstellung des Boliden für 2009 in die Pole-Position geracht hatte, zogen die Japaner sofort nach. Vielleicht wollte man damit die Zielsetzung für die neue Saison untermauern: Toyota will zu den Topteams aufschließen, Jarno Trulli und Timo Glock schielen auf den ersten Sieg für die Werksmannschaft. Im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' beschrieb Technikchef Pascal Vasselon die Herangehensweise.

© Toyota
Pascal Vasselon hat den neuen Toyota TF109 entworfen: Ein Siegerauto?
Frage: "Pascal, am Ende des vergangenen Jahres hieß es, dass Toyota KERS erst ab Monaco einsetzten wird. Wie ist aktuell der Stand der Dinge?"
Vasselon: "Wir haben damals einfach erkannt, dass die Zeit knapp werden könnte. Wir haben die Möglichkeit, KERS jederzeit einzusetzen. Wir haben unser System zwei Tage lang getestet. Es lief gut und machte genau das, was wir erwartet hatten. Wir halten uns einfach de Option offen, das KERS am Saisonstart villeicht nicht einzusetzen."#w1#
"Wir sind einfach in einer ähnlichen Situation wie viele andere Teams. Wir haben das System noch nicht so weit, dass es uns einen Vorteil verschaffen würde. Man muss deutliche Kompromisse bei der Gewichtsverteilung eingehen und hat eine veränderte Stabilität auf der Bremse. Wir wollen es erst nutzen, wenn es uns insgesamt einen Leistungsschub geben kann."
KERS bringt noch keine Vorteile
Frage: "Wenn du die Bremsstabilität anspricht, meinst du das auftretende Drehmoment an der Hinterachse?"
Vasselon: "Wenn die Batterien aufgeladen werden, dann entsteht an der Hinterachse ein negatives Drehmoment. Daraus kann dann eine veränderte und inkonstante Bramsbalance entstehen. Das ist eines der Dinge, die man in den Griff bekommen muss, damit sich die Gesamtleistung des Fahrzeugs tatsächlich verbessert."

© Toyota
Der Toyota TF109 tritt mit einer vergleichsweise kleinen Nase an Zoom
"Das ist die Art von Problem, die man mit KERS lösen muss. Das Hybridsystem selbst ist gar nicht mal so ein Problem. Man spricht von einem maximalen Zeitgewinn durch KERS in Höhe von zwei bis drei Zehntelsekunden. Man kann diese Zeitspäne nur allzu leicht durch eine veränderte Gewichtsverteilung oder ein anderes Bremsverhalten verlieren. Es geht hauptsächlich um die typische Instabilität, die auftritt, wenn die Bremsbalance nicht ganz stimmt."
Frage: "Welche Philosophie habt ihr beim Bau des neuen TF109 zugrunde gelegt?"
Vasselon: "Wir haben unser Hauptaugenmerk auf die Stabilität gelegt. Das machen wir nun schon im zweiten Jahr in Folge so, aber in diesem Winter haben wir das aus einem anderen Grund getan. Beim Bau des letztjährigen Fahrzeugs haben wir auf die Analyse des TF107 reagiert, der eine deutliche Schwäche in der Stabilität hatte. Bei diesem Mal war die Grundlage anders, aber wir haben trotzdem den Fokus auf die generelle Fahrzeugstabilität gelegt."
"Wenn man sich die Zielsetzung der neuen Regeln anschaut, dann erkennt man, dass man weniger Abtrieb hat bei gleichzeitig vielleicht höheren Endgeschwindigkeiten. Das führt zwangsläufig zumindest im ersten Jahr zu Problemen in der Stabilität. Daher war es unser Hauptziel, ein Auto zu konstruieren, welches von der Basis her viel Stabilität bietet. Wir haben uns sehr frühzeitig dafür entscheiden, den Radstand noch einmal zu verlängern, um das Auto zu beruhigen."
Ein spezielles Monocoque für KERS
Frage: "Sie haben eine recht schlanke, hohe Nase gewählt. Warum?"
Vasselon: "Wir haben schon sehr unterschiedliche Lösungen bei den neuen Autos gesehen. Es erschien uns in der Kürze der Zeit die bestmögliche Option. Das ist der einfache Grund."
Frage: "Wenn man sich die drei Kernpunkte der neuen Regeln anschaut, also Aerodynamik, KERS und Slicks. Welches waren in den einzelnen Bereichen jeweils die Herausforderungen?"
Vasselon: "Man kann das nicht einzeln betrachten. Das größte Problem ist eigentlich, dass die zwei wichtigsten Faktoren bei einem Formel-1-Auto - Aerodynamik und Reifen - zur gleichen Zeit verändert wurden. Die zwei wichtigsten Elemente haben deutlichen Einfluss auf die Performance eines Autos. Das macht es schwierig, denn wir mussten einerseits die Auswirkungen in den einzelnen Bereichen analysieren und gleichzeitig auch die Kombination und das Zusammenspiel beobachten."
"Wir hatten anfangs ein wenig die Befürchtung, dass der Wagen die Slicks nicht auf Temperatur bringen könnte. Es gab da Erfahrungswerte vom Test im vergangenen Jahr, denn wir haben dort bei Versuchen mit wenig Abtrieb gemerkt, dass das Aufwärmen der Reifen nicht so einfach ist. Das war eines der größten Fragezeichen: Wie wärmen sich die Reifen bei verändertem Abtrieb auf? Eigentlich sollte es jetzt ganz gut klappen. Aber es ist noch zu früh, um generelle Aussagen zu treffen. Die Wetterverhältnisse waren bislang nicht unbedingt ideal für Tests. Da werden wir bei unseren Probefahrten in Bahrain sicherlich bessere Verhältnisse haben."
Frage: "Wenn ihr KERS einsetzt, habt ihr es im gleichen Auto wie jetzt, also im gleichen Monocoque?"
Vasselon: "Naja, es ist im Grunde das gleiche Monocoque, aber eben mit der Option zur Installation von KERS. Allerdings sind die Veränderungen doch so groß, dass auch dieses Monocoque wieder einen neuen Crashtest der FIA erforderte. Wir mussten beide Versionen homologieren. Wir haben also eigentlich zwei Autos: Eines für den Betrieb ohne KERS und ein Auto für den Einsatz der Hybridelemente."
Umstellung auf Slicks birgt Fragezeichen
Frage: "Vor drei Jahren sind sie von Michelin auf Bridgestone gewechselt. Ist ein solcher Schritt noch größer als der Wechsel von Rillenreifen zu Slicks?"
Vasselon: "Das kann man schlecht vergleichen. Den Schritt, den wir jetzt gerade gehen, den machen alle Teams gleichzeitig. Wir haben alle keinerlei Erfahrung damit und stehen alle vor einer neuen Aufgabe. Da starten wir alle also aus der gleichen Position. So gesehen können wir mit dieser neuen Veränderung besser zurechtkommen."
"Der Schritt von Michelin zu Bridgestone war augenscheinlich nicht so groß, aber wir mussten uns allein dadurch kämpfen und mussten in aller Eile viel über die anderen Reifen lernen. Das hat es schwierig gemacht. Wir hatten keine Erfahrung mit diesem Hersteller, während andere Teams einen großen Vorsprung hatten. Unser jetziger Schritt ist ein großer Schritt, aber wir sind alle in der gleichen Situation. Also machen wir uns über die Änderung vergleichsweise wenig Sorgen."
Frage: "Haben sich die Mischungen der Reifen auch deutlich verändert?"
Vasselon: "Ja, es sind ganz andere Mischungen. Das ist wahrscheinlich sogar die größte Veränderung zu den vergangenen Jahren. Die Konstruktion ist nahezu unverändert, aber die Mischungen sind ganz anders. Man kann viel weichere Reifen fahren, wenn keine Rillen da sind. Als Ergebnis sind die Slicks so viel schneller. Wir gehen von etwa zwei Sekunden pro Runde aus."
Frage: "Habt ihr Sicherheitsbedenken beim Betrieb von KERS?"
Vasselon: "Wenn wir große Bedenken hätten, dann würden wir es nicht versuchen. Die Sicherheit bei KERS war sicherlich eines der großen Themen und für uns auch eines der großen Ziele. Wir wollen eine sichere Lösung. Wir haben unser System ohne Probleme betrieben, aber das ist vielleicht gar nicht so relevant. Wir müssen Sicherheit unter allen Bedingungen herstellen. Man kann nie ganz sicher sein. Wenn du einen vollen Benzintank im Rücken hast, dann ist das bei einem Crashi auch immer eine Gefahr. Natürlich erhöht KERS die Gefahren in der Formel 1, aber damit müssen wir umgehen können."

