Sensation in China: Sollte Haas nicht eigentlich Letzter sein?

Haas ist in China die große Überraschung des Tages: Am Donnerstag schreibt der Teamchef des Team noch nach hinten, am Sonntag gibt es dann Platz fünf und acht

(Motorsport-Total.com) - Nach dem Saisonauftakt in Australien schien Haas am Boden zu sein. Das Team wurde in Melbourne doppelt Letzter und offenbarte vor dem Wochenende in China große Probleme, die man wohl nicht sofort in den Griff bekommen könnte. Doch am Sonntag steht nun das zweitbeste Ergebnis der Teamgeschichte zu Buche.

Titel-Bild zur News: Esteban Ocon (Haas VF-25) und Andrea Kimi Antonelli (Mercedes W16) beim Formel-1-Rennen in China 2025

Ocons Höhepunkt: Überholmanöver gegen Antonelli im Dreck Zoom

Esteban Ocon beendete ein starkes Rennen - inklusive Überholmanöver gegen einen Mercedes - auf Rang sieben, und auch Rookie Oliver Bearman kam mit einer alternativen Strategie noch in die Top 10. Durch die Disqualifikation der beiden Ferrari wurde Haas nach dem Rennen sogar auf die Plätze fünf und acht beordert - ein fantastisches Ergebnis.

Und eines, mit dem vor dem Wochenende wohl niemand gerechnet hätte. "Eine unglaubliche Reaktion des gesamten Teams", jubelt Teamchef Ayao Komatsu. "Australien war ein Schock für uns. Das war nicht das, was wir nach den Testfahrten in Bahrain erwartet hatten - aber was für eine Antwort darauf!"

Komatsu selbst hatte vor dem Wochenende noch gesagt, dass Haas 0,6 Sekunden hinter allen anderen im Feld liegt. In Melbourne hatte das Team große Probleme mit seinem Auto, das über enormes Bouncing in schnellen Kurven geklagt hatte. Erste Ad-hoc-Maßnahmen führten zwar zu einer Verbesserung, sorgten aber auch dafür, dass das Auto langsam war.

Eine Verbesserung hatte Komatsu eigentlich erst in ein paar Rennen anvisiert, wenn man mit weiteren Updates gegensteuern konnte, doch Haas konnte in China auch aus dem vorhandenen Material etwas machen.

"Jeder erlebt mal ein Scheitern, aber dieses Scheitern sollte nicht definieren, wer du bist. Entscheidend ist, wie du dich danach wieder aufrappelst", betont der Japaner. "Und als gesamtes Team haben wir gezeigt, dass wir ein echtes Rennteam sind."

"Ganz ehrlich, das bedeutet uns so viel", sagt er. "Ich bin einfach unglaublich stolz auf die Reaktion von jedem Einzelnen."

Nur in Spielberg 2018 holte Haas mit den Plätzen vier und fünf ein noch besseres Ergebnis. Ansonsten schaffte es der amerikanische Rennstall noch vier weitere Male in die Top 5, aber jedes Mal kam dabei nur ein Auto in die Punkte - und jedes Mal passierte es in den ersten beiden Saisonrennen. Auch diesmal war es Rennen zwei, doch Punkte gab es für beide Autos.

Ocon mit brutalem Manöver gegen Antonelli

Allen voran Esteban Ocon zeigte ein starkes Rennen. "Es ist einfach fantastisch, heute beide Autos in den Punkten zu haben", jubelt der Franzose, der seinem Team eine "enorme Verbesserung" zwischen Sprint und Rennen bescheinigt.

Denn im Sprint-Qualifying war Ocon als 18. bereits früh hängengeblieben und hatte als 16. keine Chance auf ein Top-10-Ergebnis. Doch schon im Qualifying am Samstagnachmittag fuhr er auf Rang elf und somit nah an die Punkte.

"Wir haben das Auto von Freitag auf Samstag wirklich zu 90 Prozent verändert. Und erst im Qualifying hat es plötzlich richtig funktioniert", sagt er. "Plötzlich hatte ich mehr Vertrauen und das Gefühl, viel aggressiver fahren zu können."

Die Aggressivität zeigt sich auch im Rennen, denn Ocon scheute sich auch nicht davor, einen Mercedes im direkten Duell zu überholen - und das mit zwei Rädern auf dem Dreck. "Das war wirklich gut", lacht Ocon, der sich sogar von Andrea Kimi Antonelli absetzen konnte und sich von ihm auch nicht mehr überholen ließ.

"Ich denke, wir wussten immer, dass noch mehr Potenzial im Auto steckt", sagt er. "Aber natürlich war es eine Überraschung zu sehen, wie viel an diesem Wochenende möglich war. Aber das Auto fühlt sich noch nicht zu 100 Prozent perfekt an - was eine sehr gute Sache ist. Das bedeutet, dass wir uns weiter verbessern können."

Bearman nutzt alternative Strategie

Auch Oliver Bearman konnte sich von seinem verpatzten Melbourne-Wochenende erholen und als Achter vier Punkte beisteuern. Der Brite war von Rang 17 aus mit einer alternativen Strategie ins Rennen gegangen und hatte zunächst den harten Reifen benutzt.

Damit half er auch Ocon bei seiner Strategie, wie Komatsu bestätigt: "Ollis Rückmeldung nach dem ersten Stint war sehr gut, und dadurch hatten wir das Vertrauen, dass Esteban auch bis zum Ende durchhalten kann, wenn er es richtig managt", sagt der Japaner.

Irgendwann hing Bearman allerdings hinter Lance Stroll fest, der auf seinen harten Reifen ebenfalls einen langen ersten Stint fuhr. "Lasst uns irgendwas machen", wurde Bearman am Funk ungeduldig - und prompt holte Haas seinen Fahrer zum Reifenwechsel an die Box.

"Vielleicht fehlte uns Topspeed, aber ich konnte Stroll nicht überholen. Ich hatte das Gefühl, dass ich viel Zeit hinter ihm verlieren würde", sagt er.

Doch was er an der Box erlebte, passte eigentlich gar nicht zu seinem Plan, denn Haas schickte ihn auf den Medium-Reifen wieder raus. "Zu dem Zeitpunkt hatten wir immer noch eine Zweistoppstrategie geplant, von daher hatte ich erwartet, noch einen weiteren Satz Hard zu bekommen und am Ende dann Medium. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sie auf einen Stopp gewechselt haben", sagt er.

"Ich war im Auto ein wenig sauer, weil ich gesagt hatte, sie sollen etwas machen. Ich wollte einen weiteren Satz harte Reifen und wusste nicht, dass die Zahlen im Hintergrund gesagt haben, dass sie auf einen Stopp wechseln sollen", so Bearman.

Doch die Strategie ging auf: "Die Reifen haben heute viel besser gehalten als gestern, und wir haben mit den Set-up-Änderungen einen großartigen Job gemacht. Das Auto war heute einfach fantastisch", lobt er.

"Ciao!" - Bearmans neues Markenzeichen?

Das war Bearman auch im Auto anzumerken. Zwar kam er nur auf Rang 17 wieder auf die Strecke, allerdings schnappte er sich einen Konkurrenten nach dem nächsten - erst Liam Lawson, dann Jack Doohan, dann Carlos Sainz und dann Pierre Gasly, mehrfach gekrönt mit einem "Ciao" in Richtung Konkurrenz.

"Ich war einfach voll im Moment und wirklich glücklich, weil es in der Formel 1 sehr schwierig ist zu überholen - besonders im Moment, da wir mit dem Topspeed ein wenig zu kämpfen haben", lacht er.

Die Überholmanöver (gegen Lawson und Sainz in der Haarnadel und gegen Doohan und Gasly in Kurve 1) waren laut ihm gut vorbereitet: "Man muss ein Überholmanöver über zwei oder drei Runden aufbauen und wirklich clever sein. Es ist nicht einfach nur draufhalten, sondern ich plane es schon drei Runden im Voraus, nutze meine Batterie richtig und all diese Dinge", erzählt er.

"Ich habe genau eine Chance, ein Überholmanöver zu setzen, dann muss ich meine Batterie für drei oder vier Runden wieder aufladen", so Bearman. "Wenn es dann endlich klappt, ist das eine riesige Erleichterung und ein richtig guter Moment."

Doch wird das "Ciao" nun vielleicht zu seinem Markenzeichen bei Manövern? "Nein, ich hoffe nicht", lacht er. "Ich wollte nicht unhöflich sein, sondern war einfach glücklich und wollte das mit dem Team teilen."

Weil die Racing Bulls noch einen weiteren Boxenstopp einlegten und Ferrari disqualifiziert wurde, gab es am Ende für ihn Rang acht und vier Punkte. Zusammen mit den zehn von Ocon hat Haas jetzt bereits 14 Zähler auf dem Konto und damit mehr als Aston Martin (10), Sauber (6), Racing Bulls (3) und Alpine (0).

Komatsu betont: "Haben Problem nicht gelöst"

Doch warum kam Haas nach dem Debakel von Melbourne plötzlich wie Phoenix aus der Asche? "Ich denke, diese Strecke kommt unserem Auto definitiv entgegen", meint Bearman. "Es ist genau die Art von Strecke, die auf dem Papier gut für uns sein sollte: sehr glatt, kaum Bodenwellen - genau das, was wir im Moment brauchen."


Das wird aber nicht überall der Fall sein. "Natürlich wird es nicht auf jeder Strecke so laufen", weiß Komatsu. "Ich mache mir nichts vor und sage nicht, dass wir unser Problem gelöst haben - das haben wir nicht. Auf bestimmten Strecken werden wir immer noch große Schwierigkeiten haben", fürchtet er.

"Aber wenn wir das Auto so betreiben können, wie wir es wollen - dank der Charakteristik der Strecke - dann sieht man, wozu wir in der Lage sind. Heute haben wir abgeliefert. Es ist einfach unglaublich."

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