• 08.04.2025 11:45

  • von Vording, d'Alessandro, Codling, Nimmervoll, Übersetzung: Ehlen

Meinung: Hat McLaren in Japan den Sieg vergeigt?

Max Verstappen hat den Japan-Grand-Prix 2025 in Suzuka im eigentlich langsameren Auto gewonnen: Hat McLaren also im Umkehrschluss etwas falsch gemacht?

(Motorsport-Total.com) - Es heißt oft, dass Max Verstappen einen starken Teamkollegen braucht, der ihn während der Formel-1-Rennen unterstützt. Da McLaren mit Lando Norris und Oscar Piastri zwei Fahrer hat, die an der Spitze mitkämpfen können, müsste es Red Bull und dessen Spitzenfahrer rein strategisch eigentlich austricksen können.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen im Red Bull RB21 vor Lando Norris im McLaren MCL39 in Suzuka 2025

Max Verstappen im Red Bull RB21 vor Lando Norris im McLaren MCL39 in Suzuka 2025 Zoom

Das ist Theorie - und in der Praxis funktioniert das nicht immer. Denn der Große Preis von Japan 2025 hat das deutlich gezeigt: Trotz eines Temponachteils schaffte es Verstappen, seine Führung über 53 Runden zu verteidigen und seine starke Qualifying-Leistung in den ersten Saisonsieg umzuwandeln.

Hat McLaren also eine große Chance verpasst? So denken unsere Redakteure!

McLaren hatte zwei Chancen, aggressiver zu sein

von Ronald Vording, Motorsport.com Niederlande

"Dieses Rennen wurde am Samstag verloren", lautete McLarens Fazit nach dem Großen Preis von Japan. Der Vorteil der freien Fahrt war entscheidend für Verstappens Sieg, denn Überholen war in Suzuka nahezu unmöglich.

Aber auch wenn das Qualifying entscheidend war, hatte McLaren am Sonntag 53 Runden Zeit, um den verpassten Startplatz wettzumachen. Teamchef Andrea Stella stellte fest, dass McLaren in Sachen reiner Rennpace ein paar Zehntel schneller war als Verstappen. Es gab also zwei Optionen: auf Nummer sicher gehen und ein Doppelpodium akzeptieren - oder etwas versuchen, ohne zu zocken und ohne die Konstrukteurswertung zu gefährden.

Die erste Möglichkeit war eine strategische Variante, wie Norris vorschlug. Zwar war ein Undercut riskant wegen möglicher Safety-Car-Phasen und dem Verlust der Position auf der Strecke, aber ein Overcut hätte mit der Pace funktionieren können. Nach dem Rennen zeigten Daten, dass selbst im Falle eines Fehlschlags Norris wohl nur gegen Piastri die Position verloren hätte - also kein Schaden für das Team.


Die zweite Möglichkeit: ein Platztausch am Ende, um Piastri wenigstens eine Chance zu geben, Verstappen anzugreifen. Auch wenn laut Stella ein Delta von sieben bis acht Zehntel nötig gewesen wäre - warum nicht einfach fünf bis zehn Runden probieren, mit klaren Regeln? Wenn es nicht klappt, tauscht man wieder zurück. Das Resultat wäre wahrscheinlich gleichgeblieben, aber der Eindruck bleibt: McLaren hätte etwas mehr Mut zeigen können.

Es gab nur ein schmales Zeitfenster

von Gianluca d'Alessandro, Motorsport.com Italien

War Verstappens Sieg das Sahnehäubchen eines perfekten Wochenendes - oder verpasste McLaren mit dem schnelleren Auto eine echte Chance?

Die Wahrheit liegt wohl dazwischen. Wenn McLaren im Qualifying nicht das volle Potenzial des MCL39 abruft, nutzt Verstappen das gnadenlos aus. Andrea Stella nannte Max' Pole-Runde "nahezu perfekt" - und genau dort wurde der Grundstein für den Sieg gelegt.

Gab es eine echte Chance für McLaren, das Rennen noch zu drehen? Ja, aber nur eine kleine. Ende Runde 20 bot sich ein schmales Fenster für einen Undercut. Das Timing hätte perfekt sein müssen - und selbst dann war der Erfolg ungewiss.

Aber genau das war der Punkt: Nur ein Runde später zu reagieren, war schon zu spät. Es war ein Wagnis - aber wenn das Ziel der Sieg ist, hätte es sich gelohnt. Wenn das Ziel aber Chancengleichheit zwischen den Fahrern ist, war die Strategie nachvollziehbar: Piastri stoppte zuerst, um Risiken zu minimieren und Platz drei abzusichern.

Hat McLaren also eine Gelegenheit verpasst? Vielleicht. Aber entscheidend war weniger, was McLaren tat, sondern wie es dachte. Die Herangehensweise war der Schlüssel.

Nur im Rückblick betrachtet

von Stuart Codling, Autosport

Red-Bull-Teamchef Christian Horner meinte nach dem Rennen, der Undercut sei in Suzuka "ziemlich wirkungsvoll" gewesen - und dass Norris einen Vorteil gehabt hätte, wenn er eine Runde vor Verstappen gestoppt hätte. Laut Horner liegt McLarens Problem darin, beide Fahrer gleich zu behandeln: Piastri wurde als Dritter zuerst hereingeholt, wodurch der Undercut verhindert wurde.


Fotostrecke: Suzuka: Die Fahrernoten von Marc Surer und der Redaktion

Ein typischer Horner-Seitenhieb, denn in Wahrheit hätte McLaren vielleicht sogar die Strategie splitten können: ein Fahrer für den Undercut, der andere für den Overcut. Aber hätte Red Bull mitgezogen? Als McLaren bei Norris bluffte, reagierte Red Bull nicht. Vermutlich wäre der frühe McLaren-Stopper dann im Verkehr steckengeblieben. Und genau das hätte McLaren Punkte gekostet.

Die Daten von Motorsport.com-Partner PACETEQ zeigen, dass der Undercut gar nicht so stark war. Der Overcut vielleicht eher - wie Mercedes bewies: Antonelli kam zwölf Runden nach Russell rein und war am Ende schneller. Laut den Longrun-Daten vom Freitag hätte Norris weitere zwölf Runden fahren können, ohne Gefahr durch Leclerc oder Russell.

Aber natürlich hat niemand eine Glaskugel. McLaren konnte diese Informationen noch nicht haben, als es Norris zum Stopp holte.

Selbst mit einem Overcut hätte Norris Verstappen noch auf der Strecke überholen müssen - schwierig in Suzuka, besonders gegen einen Verteidiger wie Max.

Fazit: Bei 21 verbleibenden Rennen und fünf Sprints kann McLaren sich solche Rennen leisten. Langfristig denken ist keine Schwäche.

McLaren hatte nicht den Luxus zu zocken

von Christian Nimmervoll, Motorsport-Total.com

Ehrlich gesagt verstehe ich die ganze Diskussion nicht. McLaren hat das Rennen im Qualifying verloren - durch einen kleinen Fehler von Norris in der Schikane und weil Verstappen einfach der stärkste Fahrer im Feld ist.

Anzeige
McLaren Fanartikel

Ich glaube nicht, dass Piastri wirklich schneller war als Norris, auch wenn seine Funkmeldungen das vielleicht suggerierten. Man hätte sie tauschen können, klar - aber es hätte nichts geändert: Piastri hätte Max nicht überholt und man hätte wieder zurückgetauscht.

Auch die Strategie-Diskussion ist müßig. Ein früher Stopp für Norris hätte Piastri womöglich Leclerc und Russell ausgeliefert. So handelt kein Team, das Wert auf ein optimales Teamresultat legt.

Und nur weil Antonellis Overcut funktionierte, heißt das nicht, dass es die bessere Strategie war. Mercedes konnte sich den Versuch leisten, weil hinter Antonelli genug Abstand war. McLaren hatte diesen Spielraum nicht.