GP Kanada 2019: Kontroverser Sieg für Hamilton - Vettel tobt!

FIA-Rennkommissare sorgen für Diskussionen: Sebastian Vettel fährt in Montreal als Erster über die Ziellinie, aber Lewis Hamilton gewinnt das Rennen

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel (Ferrari) hat in Montreal als Erster die Ziellinie überquert, aber Lewis Hamilton (Mercedes) den Grand Prix von Kanada 2019 gewonnen. Zu diesem kuriosen Ausgang kam es, weil Vettel von den FIA-Kommissaren eine umstrittene Fünf-Sekunden-Strafe aufgebrummt wurde, die nach dem Rennen für hitzige Diskussionen sorgte.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel, Lewis Hamilton

Eigentlich hätten Vettel und Hamilton das Rennen lieber anders geregelt ... Zoom

Vettel wollte im ersten Frust gar nicht zur Siegerehrung gehen, sondern musste von Ferrari-Mitarbeitern dazu überredet werden, sich den Pokal für Platz zwei abzuholen. Die Fans applaudierten ihm als moralischem Sieger, buhten Hamilton zunächst aus. Dabei zeigte Vettel großen Sportsgeist: "Buht nicht Lewis aus. Sondern solche 'lustigen' Strafen."

Was war passiert? Die beiden hatten sich von der ersten Runde an ein spannendes Duell geliefert. Vettel, Leader, kam in der 28., Hamilton in der 30. Runde an die Box. Dabei wuchs Vettels Vorsprung von eineinhalb auf viereinhalb Sekunden an. Nach dem Wechsel von Medium auf Hard wurde Hamilton aber noch schneller - und war bald wieder dran.

In Runde 39 war Hamilton erstmals im DRS-Fenster. In Runde 45 wurde Vettel angewiesen, die hohen Betriebstemperaturen genau im Auge zu behalten. In Runde 48 kam Vettel in Kurve 4 von der Strecke ab. Als er zurück auf die Strecke fuhr, musste Hamilton abbremsen, um eine Kollision zu verhindern. Dafür gab's fünf Sekunden Strafe - eine kontroverse Entscheidung.

Boxenfunk: Vettel rastet völlig aus!

Die Rennleitung nahm sich zehn Runden Zeit, um die Replays zu studieren. Als die Strafe bekannt gegeben wurde, rastete Vettel am Boxenfunk völlig aus: "Die stehlen uns das Rennen! Ich hatte Gras auf den Reifen. Wo hätte ich denn hinfahren sollen?" Auf Twitter kritisierten Experten wie Nigel Mansell die Strafe ebenfalls als zu hart.

Objektiv betrachtet gibt es zwei Sichtweisen: Vettel hätte durch seinen Fehler auf jeder anderen Strecke die Führung verloren. Aber durch das, was die Kommissare als unsicheres Zurückfahren auf die Strecke bewerten, und die Betonmauer hatte Hamilton keinen Platz und musste dramatisch abbremsen, um eine Kollision zu verhindern.

Andererseits argumentiert Vettel, dass er Hamilton nicht absichtlich blockiert hat, sondern alle Hände voll damit zu tun hatte, seinen Ferrari wieder zu stabilisieren. Er findet: "Wir hatten den Sieg verdient. Das ist unsere Meinung und die der Fans. Die Leute wollen Racing sehen. Und das war Racing." Der Wortlaut des Reglements sieht das, streng genommen, anders ...

Mercedes-Teamchef Toto Wolff räumt ein, dass die Entscheidung "kontrovers" war, hält sie aber für richtig. Auch Hamilton argumentiert: "Wenn man von der Strecke rutscht, darf man nicht sofort zurück auf die Ideallinie fahren." Das müsse "auf sichere Art und Weise" geschehen. Objektiv zu bewerten, welche Argumentation richtig ist, ist fast unmöglich.

Hamilton verbremste sich in Runde 52 in der Haarnadel und fiel so wieder aus Vettels DRS-Sekunde raus. Später kämpfte er sich noch einmal ran. Viele vermuteten: Er hätte die Angelegenheit gern auf der Strecke geregelt, um im Nachhinein keine Diskussionen aufkommen zu lassen. Aber der Mercedes-Fahrer lancierte keine ernsthafte Attacke mehr.

Hamilton: Schrecksekunde vor dem Start

Sein siebter Montreal-Sieg hing (diesmal wirklich) am seidenen Faden. Bereits am Freitag war er im Training gecrasht. Nach einem Trainings-Motorschaden bei Lance Stroll mit dem neuen Phase-2-Antrieb von Mercedes gab Toto Wolff zu, er sei "besorgt" wegen der Haltbarkeit. Und in der Aufwärmrunde meldete Hamilton tatsächlich ein Problem. Offenbar ein Fehlalarm.

"Das ist absolut nicht die Art, wie ich gewinnen möchte", sagt Hamilton. Die Punkte nimmt er aber gern. Mit dem fünften Sieg im siebten Rennen baut er seinen Vorsprung in der Fahrer-WM auf 29 Punkte aus. Erster Verfolger ist Teamkollege Valtteri Bottas. Vettel hat nun als Dritter 62 Punkte Rückstand - das sind umgerechnet zwei Siege und ein vierter Platz.

Seinen zweiten Platz im Endergebnis hätte er beinahe noch an Teamkollege Charles Leclerc verloren, der mit ein paar schnellen Rundenzeiten im Finish bis auf sechs Sekunden an Vettel herankam. Leclerc hatte seine Strategie um Runde 20 rum auf "Plan B" umgestellt. Mit dem langen ersten Stint war er auf P3 einzementiert - und das Safety-Car, auf das er spekuliert hatte, kam nicht.

Zwischendurch kam die Idee auf, Leclerc ein weiteres Mal an die Box zu holen, um mit frischen Reifen auf den Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde loszugehen. Dagegen legte er selbst sein Veto ein - weil er lieber knapp hinter Vettel und Hamilton bleiben wollte, falls sich da was tun sollte. Den Bonuspunkt holte sich letztendlich Bottas, der Vierter wurde.

Bestes Saisonergebnis für Renault

Auf P6/7 landeten Daniel Ricciardo und Nico Hülkenberg. Auch wenn die beiden überrundet wurden, ist es für Renault das bisher beste Ergebnis der Saison 2019. Hülkenberg erwischte einen guten Start und lag lange vor dem Bottas-Mercedes. Später trieb Ricciardo den Finnen in die Verzweiflung - mit ein paar gekonnten Verteidigungs-Moves vor der letzten Kurve.

"Wir haben ihn länger hinter uns gehalten, als irgendjemand uns zugetraut hätte. Aber dabei habe ich mir die Reifen kaputt gemacht", grinst Ricciardo. Hülkenberg war nach Rennende weniger gut gelaunt. Er hatte schon in Runde 24 vermutet, dass sein Getriebe bald den Geist aufgeben würde. Letztendlich kam er 0,4 Sekunden hinter Ricciardo ins Ziel.

Die Aufholjagd von Max Verstappen (Red Bull) vom neunten Startplatz war weniger spektakulär als erwartet. Durch seinen langen ersten Stint auf dem weißen Hard lag er kurzzeitig sogar vor Leclerc. Letztendlich fehlten ihm aber 6,6 Sekunden auf P4, obwohl Bottas wegen des Bonuspunkts einen zusätzlichen Boxenstopp eingelegt hatte.

Pierre Gasly (Red Bull) wurde nach einer farblosen Vorstellung Achter. Er steckte lange im Verkehr fest und hatte mit überhöhten Temperaturen zu kämpfen. Lance Stroll (Racing Point) fuhr dank eines extrem langen ersten Stints sensationell in die Punkte. Und Daniil Kwjat (Toro Rosso) war wegen seiner tollen Überholmanöver auf P10 einer der Helden des Rennens.

Haas: Steiner staucht Magnussen zusammen!

Eine Kontroverse gab's beim Haas-Team, das sportlich mit P14 (Romain Grosjean) und P17 (Kevin Magnussen) überhaupt keine Rolle spielte. Magnussen hatte am Samstag in Q2 sein Auto gecrasht und war aus der Boxengasse gestartet. Mit den Reparaturmaßnahmen seines Teams war er aber offenbar nicht ganz zufrieden.

Während des Rennens schimpfte er: "This is the worst experience I've ever had. In any racecar. Ever." Sein Renningenieur versuchte ihn zunächst noch zu besänftigen, indem er um Verständnis für die Mechaniker bat. Als Magnussen noch immer murrte, meldete sich Teamchef Günther Steiner höchstpersönlich: "Es reicht jetzt! Genug ist genug."

McLaren ging nach einem an und für sich starken Wochenende leer aus. Lando Norris lag auf Punktekurs, aber bei ihm verbrannte schon in der achten Runde die Bremse rechts hinten. Carlos Sainz wurde nach Grid-Strafe Elfter. Pech auch für Alexander Albon (Toro Rosso): Er wurde am Start eingeklemmt, verlor den Frontflügel - und musste später aufgeben.

Die Formel-1-WM 2019 geht am 23. Juni mit dem Grand Prix von Frankreich in Le Castellet weiter. In der Konstrukteurs-WM zieht Mercedes nach nur sieben von 21 Rennen langsam auf und davon. Die Silbernen halten bei 295 Punkten und führen überlegen vor Ferrari (172) und Red Bull (124). Im Kampf um Platz vier liegen McLaren (30) und Renault (28) Kopf an Kopf.