• 02.02.2013 14:32

Sauber: Dank eines Volkswagen Käfer kam alles anders

Wie Peter Sauber in der Garage der Eltern zu schrauben begann, von Mercedes und BMW enttäuscht wurde und schließlich selbst den Durchbruch schaffte

(Motorsport-Total.com) - Für Autos hatte sich Peter Sauber nicht besonders interessiert und schon gar nicht für den Rennsport. Dass er 2010 das 40-jährige Bestehen von Sauber Motorsport feierte, hatte in der frühen Phase vor allem mit Zufall, dann aber mit ausgeprägtem Durchhaltewillen und später mit viel Arbeit und Geschick zu tun. Saubers Vater besaß ein Unternehmen für elektrotechnische Anlagen mit rund 200 Mitarbeitern, deren Räumlichkeiten sich in Zürich sowie an der Wildbachstrasse in Hinwil befanden.

Titel-Bild zur News:

Große Tradition aus der Schweiz: Sauber ist das viertälteste Team

Der Weg Saubers schien vorgezeichnet. Er absolvierte eine Ausbildung als Elektromonteur mit dem Ziel, sich weiterzubilden und dann in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Doch es kam alles anders. 1967 fuhr Peter Sauber mit einem Volkswagen Käfer zur täglichen Arbeit, bis ihn ein Freund dazu überredete, diesen tunen zu lassen. Damit beteiligte sich Sauber 1967 dann zum Spaß an ein paar Clubrennen. Was aber viel wichtiger war: Seine Lust am Basteln wurde geweckt.

C steht für Christiane

Er veränderte den Käfer so stark, dass dieser letztlich die Straßenzulassung verlor. Das führte zum nächsten Schritt. 1970 entschied Peter Sauber, sich mit dem Bau von offenen, zweisitzigen Rennsportwagen als selbstständiger Unternehmer zu etablieren. Im Keller des Elternhauses in Zürich entstand der Sauber C1. Als Typenbezeichnung wählte Sauber den ersten Buchstaben des Vornamens seiner Ehefrau Christiane.

Noch im gleichen Jahr gründete er die PP Sauber AG und bezog die eigens dafür gebaute Werkstatt auf dem Firmenareal seines Vaters an der Wildbachstrasse in Hinwil. Mit dem C1 gewann er 1970 den Schweizer Meistertitel bei den Sportwagen, beließ es dann aber bald bei vereinzelten Auftritten als Rennfahrer. 1974 stülpte er den Helm zum letzten Mal über und verlegte sich nun ganz auf das Konstruieren. Das "C" als Markenzeichen wurde beibehalten. Sauber hatte sich keine einfache Aufgabe gestellt.

In der Schweiz vom Bau von Rennsportwagen zu leben, schien ein Ding der Unmöglichkeit. Aber das war für Sauber noch lange kein Grund, aufzugeben. Er biss sich durch. Arbeitstage endeten oft spät in der Nacht. Das Geld war knapp. Internationale Beachtung fand Sauber durch den C5, mit dem Herbert Müller 1976 die damals prestigeträchtige Interserie gewann. Es folgten erste Einsätze in Le Mans. Sauber Motorsport hatte mittlerweile vier Mitarbeiter. 1981 gewannen Hans-Joachim Stuck und Nelson Piquet auf einem von Sauber gebauten BMW M1 nach Gruppe-5-Reglement das 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring.

Rückkehr der Silberpfeile

Das folgende Jahr war ein entscheidendes für Sauber: Er erhielt vom Schweizer Kunststoffunternehmen Seger und Hoffmann den Auftrag, ein Fahrzeug für die Sportwagen-Weltmeisterschaft (Gruppe C) zu bauen. Es wurde der Sauber C6. In dieser Zeit entstand der Kontakt zu Ingenieuren bei Mercedes, die sich für das Thema Rennsport interessierten. Ganz privat natürlich, denn beim Stuttgarter Automobilhersteller war internationaler Motorsport seit dem schweren Unfall in Le Mans 1955 tabu.

Ab 1985 verwendete Sauber in seinen Rennwagen Mercedes-Motoren und rückte damit Stuttgart noch ein bisschen näher. Bereits ein Jahr später gewannen Henri Pescarolo und Mike Thackwell auf einem Sauber C8 das 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring. Weitere Erfolge kamen hinzu, was letztlich Mercedes zur Rückkehr in den internationalen Motorsport bewog. Ab 1988 war Sauber offiziell Werksteam von Mercedes.

Werner Niefer, damals Vorstandsvorsitzender von Mercedes, entschied 1989, die Rennwagen silber zu lackieren. Es war die Wiedergeburt der Silberpfeile. Höhepunkt dieser Partnerschaft war dasselbe Jahr, 1989, in dem man nicht nur die Sportwagenweltmeisterschaft für Fahrer und Teams gewann, sondern auch beim legendären 24-Stunden-Rennen in Le Mans einen Doppelsieg feierte. Ein Jahr später konnte der Gewinn der Weltmeistertitel wiederholt werden. Sauber Motorsport war auf rund 50 Mitarbeiter angewachsen.

Formel-1-Einstieg mit Ilmor

In diese Zeit fiel auch die Gründung des Junior-Teams, eine Idee des damaligen Sauber-Geschäftspartners Jochen Neerpasch. Die Wahl fiel auf Michael Schumacher, Heinz-Harald Frentzen und Karl Wendlinger. Allen dreien hat Peter Sauber den Einstieg in die Formel 1 ermöglicht. Weil der Stern der Sportwagen-WM zu sinken begann, orientierte sich Mercedes in Richtung Formel 1. Im Sommer 1991 wurde sie zum gemeinsamen Projekt erhoben, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren.

Sauber baute auf dem Firmengelände in Hinwil eine neue Fabrik. Doch bereits im November kam die Hiobsbotschaft. Wegen des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds entschied sich der Mercedes-Vorstand gegen einen werksseitigen Einstieg in die Formel 1. Sauber hatte zwei Optionen: Sich mit einer finanziellen Abfindung zurückzuziehen oder diese als Startkapital für die Formel 1 zu nutzen. Im Januar 1992 entschied er sich zum Sprung ins kalte Wasser.


Fotos: Präsentation des Sauber C32


Im Herbst fanden die ersten Testfahrten mit dem C12 statt, der von einem Ilmor-Triebwerk befeuert wurde. Knapp 70 Mitarbeiter zählte das Unternehmen damals. Am 14. März 1993 standen in Kyalami wie geplant zwei Sauber C12 für Karl Wendlinger und JJ Lehto am Start zum Grossen Preis von Südafrika. Mit dem fünften Rang des Finnen und zwei WM-Punkten wurde die Premiere ein gefeierter Erfolg. Verträge mit Red Bull und Petronas bildeten ab 1995 ein solides Fundament und erlaubten dem Schweizer Team, sich als feste Grösse in der Formel 1 zu etablieren.

BMW kommt und geht

In den Jahren 1995 und 1996 war Sauber Werksteam von Ford, ab 1997 fuhr man mit Ferrari-Motoren, die den Namen des Titelsponsors Petronas trugen. Der Durchbruch ließ noch auf sich warten. Dann aber folgten 2001 drei Höhepunkte in der Teamgeschichte Schlag auf Schlag: die Partnerschaft mit der Schweizer Grossbank Credit Suisse, der Mitte Oktober feststehende vierte Rang in der Konstrukteurs-WM und wenige Tage später der erste Spatenstich zum eigenen Windkanal.

In dieser Zeit brachte Peter Sauber auch frisches Blut in die Formel 1: Er holte Kimi Räikkönen und Felipe Massa in sein Team und empfahl später den Verantwortlichen bei BMW auch Robert Kubica. Im Jahr 2005 suchte Peter Sauber nach einem neuen Motorenpartner. Mittlerweile über 60 Jahre alt, hatte er auch nichts dagegen, sein Lebenswerk in starke Hände zu geben. Ein Angebot von BMW schien die Lösung. Der Automobilhersteller, der seit der Saison 2000 mit Williams am Start war, wollte ein eigenes Werksteam.

Am 22. Juni 2005 verkündete BMW die Übernahme von Mehrheitsanteilen am Schweizer Team. Das dritte Jahr von BMW-Sauber, die Saison 2008, wurde zum nächsten Höhepunkt der Teamgeschichte. Mittlerweile war der Ausbau in Hinwil abgeschlossen, der Personalstand betrug nun über 400 Mitarbeiter. Für 2008 hatte man sich den ersten Sieg zum Ziel gesetzt. Es wurde gleich ein Doppelsieg. Kubica gewann in Kanada vor Nick Heidfeld.

Schwierige Rückkehr

Insgesamt schaffte BMW-Sauber 2008 elf Podestplätze. In Bahrain holte Kubica die erste Pole-Position, Heidfeld steuerte die ersten beiden schnellsten Rennrunden zur Statistik bei. Das Team wurde am Ende mit 135 Punkten WM-Dritter. Nach einem schwierigen Start in die Saison 2009 folgte am 29. Juli eine schockierende Nachricht: BMW verkündete auf einer Pressekonferenz in München den Ausstieg aus der Formel 1 zum Saisonende. Mit Platz sechs in der Weltmeisterschaft verabschiedete sich BMW aus der Formel 1.

Am 27. November 2009 fand die nächste Pressekonferenz statt, diesmal in Hinwil. Peter Sauber hatte sich mit BMW geeinigt und sein Lebenswerk wieder zurückgekauft. Die Freude war getrübt, denn BMW hatte zuvor bereits entschieden, Personal abzubauen. Von zu jenem Zeitpunkt noch 388 Mitarbeitern wurde auf 260 reduziert. Mit diesem Personalbestand, mit Ferrari als Motorenpartner und den Piloten Kamui Kobayashi und Pedro de la Rosa nahm die Hinwiler Mannschaft die Saison 2010 in Angriff.

Die erste Saisonhälfte war von einer Vielzahl technisch bedingter Ausfälle geprägt, wie sie in der Teamgeschichte noch nie vorgekommen waren. In den ersten acht Rennen holte die Mannschaft nur einen einzigen WM-Punkt, bis zum Saisonende wurden es dann noch 44. Kobayashi sammelte davon 32 Zähler, De la Rosa und Heidfeld, der den Spanier für die letzten fünf GP ersetzte, trugen je sechs Punkte bei.

Zur Saison 2011 nahm das Team erneut einen Neuling auf: Der Mexikaner Sergio Perez kam an Bord, Kobayashi fiel damit in seiner erst zweiten Saison schon eine Führungsrolle zu. Das Jahr begann mit dem Kennenlernen der Reifen des neuen Alleinausstatters Pirelli, vielversprechenden Wintertests und einem ebenso starken wie letztlich frustrierenden Auftakt: In Melbourne kamen Perez und Kobayashi auf den Plätzen sieben und acht ins Ziel, wurden aber wegen einer Ungenauigkeit am Heckflügelprofil aus der Wertung genommen.

Regelstreit lässt Formkurve sinken

Das Team verlor zehn Punkte. Dennoch: Der Speed stimmte, es folgten starke Rennen. In Monaco hatte sich Perez gerade zum ersten Mal in den dritten Qualifyingabschnitt vorgearbeitet, als er ausgangs der schnellen Tunnelpassage die Kontrolle über den C30 verlor und brutal in die Leitschienen einschlug. Er blieb reglos im Auto sitzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit gab es Entwarnung: Er war mit einer schweren Gehirnerschütterung davongekommen. Kobayashi bewies Nervenstärke und holte am Rennsonntag mit Platz fünf das beste Saisonergebnis für Sauber.

Sergio Perez

Neue Ära: Sergio Perez sorgte für Saubers größte Erfolge Zoom

Perez musste in Kanada ein weiteres Rennen auslassen, De la Rosa sprang kurzfristig ein.
Nach einer guten ersten Halbzeit auf einem sicher scheinenden sechsten WM-Rang fiel die Formkurve des Teams ab. Die Ursachen lagen in einer umstrittenen Technologie: Diffusoren, die von Auspuffabgasen angeblasen wurden, und zwar dank ausgeklügelter Motorensteuerung auch dann, wenn der Pilot das Gaspedal gar nicht betätigte. Die FIA kündigte ein Verbot dieser Finesse an, liess sie aber doch wieder zu.

Für den C30 war die Weiterverfolgung des Themas eingestellt worden, was sich als Nachteil erwies. Trotz dieses Handicaps von deutlich über einer Sekunde pro Runde erkämpfte sich das junge Fahrerduo noch weitere WM-Punkte. Am Ende belegte Sauber mit 44 Zählern Rang sieben in der Konstrukteurswertung. 30 Punkte davon gingen auf Kobayashis Konto, 14 auf das von Perez. Bereits im Sommer waren beide Piloten für 2012 bestätigt worden, gemeinsam mit Esteban Gutierrez als Ersatzmann.

Durchbruch dank Perez

In der Saison 2012 trat Sauber mit einer unveränderten Fahrerpaarung an: Perez und Kobayashi sollten es erneut richten, Und es begann gut, fuhren die beiden Piloten doch beim Auftaktrennen in Melbourne auf den Rängen acht und sechs ins Ziel. Doch das war erst der Anfang. In Malaysia folgte die Sensation: Bei wechselhaften Wetterbedingungen fuhr der Mexikaner ein sensationelles Rennen. Mit einem taktischen Schachzug gleich zu Beginn machte er zahlreiche Plätze gut und war anschliessend bei nasser, dann feuchter und schliesslich abtrocknender Piste der schnellste Mann.

Monisha Kaltenborn (Sauber-Teamchefin)

Monisha Kaltenborn debütiert als Sauber-Teamchefin - die erste der Formel 1 Zoom

Auf Rang zwei liegend, setzte er sogar den führenden Fernando Alonso im Ferrari unter Druck, ehe er kurz von der Strecke abkam und entscheidende Sekunden verlor. Dennoch: Rang zwei war ein herausragendes Resultat. Und vor allem war klar, dass der Sauber C31-Ferrari eine höchst gelungene Konstruktion ist. Das nächste Highlight folgte in Kanada, wo Perez als 15. ins Rennen ging und sich durch eine gute Strategie und einen schonenden Umgang mit den Reifen bis auf Rang drei vorarbeitete. Es war bereits der zweite Podestplatz der Saison.

Der Tiefpunkt erfolgte in Spa. Das Wochenende hatte perfekt begonnen: Kobayashi eroberte sich den zweiten Startplatz, und Perez stand direkt hinter ihm. Doch gleich beim Start wurden beide Piloten von ein und demselben Konkurrenten abgeschossen. Das Rennen war ruiniert, die Enttäuschung sehr groß. Doch bereits eine Woche später in Monza folgte die Wiedergutmachung. Perez zeigte einmal mehr, wie schonend er mit den Reifen umgehen kann.

Sauber gibt das Zepter weiter

Vor allem gegen Ende des Rennens, nachdem er sich nochmals frische Pneus hatte aufziehen lassen, glitt er durchs Feld wie ein heisses Messer durch die Butter. Er holte sich erneut den zweiten Platz. Für das letzte Highlight der Saison sorgte dann Kobayashi beim Heimrennen in Suzuka. Mit Position drei hatte er seine Landsleute bereits im Qualifying in Entzücken versetzt. Auch der Start war gut, und so hielt er sich stets in vorderen Positionen auf.

Im letzten Viertel des Rennens geriet er, auf Rang drei liegend, immer mehr ins Visier des stetig näher kommenden Jenson Button. Doch der Japaner hielt dem Druck stand und holte seinen ersten Podestplatz in der Formel 1. Die Siegerehrung war für viele Teammitglieder der emotionalste Moment der gesamten Saison. Es war ein sehr gutes Jahr für Sauber: vier Podestplätze, 126 Punkte und Rang sechs in der Konstrukteurs-WM - erneut eine Position besser als im Vorjahr. Eine Leistung, die von vielen aussenstehenden Beobachtern gewürdigt wurde.

Der 11. Oktober 2012 stellt einen Meilenstein in der Geschichte des Teams dar. Es war der Tag, an dem Peter Sauber als Teamchef zurücktrat und die Verantwortung an Monisha Kaltenborn übergab. Von 1993 bis einschliesslich 2012 traten für das nach Ferrari, McLaren und Williams viertälteste Team der gegenwärtigen Formel 1 insgesamt 22 Piloten bei 346 Grands Prix an.