"Denkst, du bist bei Testtag": Fehlt Premium-Charakter im DTM-Fahrerlager?
Warum das aktuelle Bild des DTM-Fahrerlagers nicht bei allen Teams und Herstellern gut ankommt, was konkret nicht passt und wieso der Premium-Aspekt wichtig sei
(Motorsport-Total.com) - Nach dem Lausitzring-Wochenende fordern Team- und Herstellervertreter, dass die DTM wieder mehr dem Premium-Anspruch vergangener Tage gerecht wird. Vor allem der Anblick des Fahrerlagers sorgt für kritische Stimmen. "Wenn du hier reinläufst, denkst du, du bist beim Testtag, aber nicht bei einem Rennen", sagt Thomas Jäger, der bei Mercedes-AMG als sportlicher DTM-Leiter fungiert, im Gespräch mit Motorsport-Total.com.

© Alexander Trienitz
Das Fahrerlager beim DTM-Wochenende am Lausitzring Zoom
Worauf er sich dabei bezieht? "Früher stand da unten kein Straßenauto zwischen den Lkws. Jetzt ist das gang und gäbe - und es ist so ein bisschen lasch", nennt er ein Beispiel. "Wenn die Leute hier herkommen, müssen sie sagen: 'Wow, das ist besonders! Das ist wirklich High-End!' Und nicht High-Hobby."
Das habe er auch im Vorfeld des Lausitzring-Rennens bei einem Meeting mit dem ADAC thematisiert. "Ich habe gesagt: Das liegt in eurer Hand, das kostet kein Geld, sondern das ist eine reine Organisationsfrage - und eine Frage der Disziplin", so Jäger.
"Professionalität muss man auch da hinten sehen"
Damit meint der ehemalige DTM-Pilot - Jäger fuhr von 2000 bis 2003 in der damaligen Herstellerserie - nicht, dass man die Fans auf Distanz halten sollte. "Ich kann das auch trotz des Pitwalks machen, und es können trotzdem alle hinter die Boxengasse. Das ist gar keine Frage", holt er aus.
Dennoch müsse das Fahrerlager der "besten GT-Tourenwagen-Serie" auch den Eindruck machen, dass hier alles "generalstabsmäßig organisiert" sei. "Professionalität, die sich wirklich im Rennbetrieb abzeichnet, muss man auch da hinten sehen", fordert Jäger.
Ulrich Fritz ortet "viel zu wenig Detailliebe vom Veranstalter"
Er ist mit seiner Meinung nicht alleine: HRT-Teamchef Ulrich Fritz, der ebenfalls als Mercedes-Leiter und HWA-Geschäftsführer bereits Teil der Hersteller-DTM war, spricht das Thema ebenfalls an.
"Vielleicht muss sich der ADAC diesen Schuh selber anziehen, aber ich finde, dass es viel zu wenig Detailliebe vom Veranstalter gibt", sagt er im Gespräch mit Motorsport-Total.com. "Da kann jeder machen was er will."
"Früher bist du ins Fahrerlager gekommen - und du wusstest, dass es DTM ist und einen gewissen Anspruch hat. Heute kommst du rein und denkst, du bist auf einer Testveranstaltung", bläst er ins selbe Horn wie Jäger. "Das ist nichts, was man dem Lausitzring vorhalten kann, sondern das ist Sache des Veranstalters."
"Essensreste ins Fahrerlager gelaufen"
Was Fritz konkret stört? "Neben uns waren Prototypen-Teams, die ihr Catering gemacht haben. Und die Essensreste sind aus einem Schlauch mitten ins Fahrerlager gelaufen. Das hätte es früher nicht gegeben, denn ein Joe Franz hätte relativ schnell eingegriffen. Das muss man sich anschauen."
Zur Erklärung: Fahrerlager-Urgestein Joachim Franz, genannt "Joe", war bei der ehemaligen DTM-Dachorganisation ITR bis bis zur ADAC-Übernahme Anfang 2023 für den Aufbau und den reibungslosen Ablauf an den Rennwochenenden zuständig. Er war dafür bekannt - und auch gefürchtet -, dass er penibel genau darauf achtete, dass jeder Truck millimetergenau an seinem vorgesehen Platz stand.
Und ließ auch schon mal die Straßenautos von Mercedes-Sportchef Nobert Haug, HWA-Chef Gerhard Ungar und Renndirektor Roland Bruynseraede abschleppen, weil diese vor der Mercedes-Hospitality geparkt waren.
Schubert: "Ganz wichtig, dass Werke weiter Laune haben"
Auch Torsten Schubert, der seit Jahren mit seinem BMW-Team im ADAC GT Masters am Start ist und seit 2022 auch Teil der DTM ist, fordert mehr Premium in der Traditionsserie. "Es ist gut, dass die Boxen offen sind und viele reinschauen können", sagt er. "Aber es darf nicht den Charakter haben, dass der Grill im Fahrerlager steht. Der Premium-Aspekt ist wichtig für die Serie, aber auch für die Hersteller, damit sie sich hier wiederfinden."
Zum Hintergrund: Die DTM ist seit Anfang 2021 keine Herstellerserie mehr, wodurch auch die großen Hersteller-Paläste im Fahrerlager der Vergangenheit angehören. Die Hersteller unterstützen die Privatteams aber immer noch mit Werksfahrern, Teilen und finanziellem Support.
Man müsse sich "schon abheben vom GT-Masters", fordert Schubert. "Das ist ganz wichtig, damit die DTM auch auf einem vernünftigen Niveau gehalten wird und die Werke weiter Laune haben, das hier noch mit zu unterstützen."


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