Copilot in Schaefflers Innovationstaxi bei der DTM: Wilder Ritt mit Suchtgefahr

Von wegen seriöser Taxifahrer: Eine Mitfahrt bei Markus Winkelhock in Schaefflers GT2-Audi zeigt, wieso das TV-Bild trügt und die Oschersleben-Curbs berüchtigt sind

(Motorsport-Total.com) - Der Gurt wird fest angezogen, das Fahrzeug vibriert. Markus Winkelhock sitzt am Steuer des Innovationstaxis von Schaeffler, einem mit dem Space-Drive-System ausgestatteten Audi R8 LMS GT2 mit 640 PS Leistung, das in Zukunft auch zum Test von innovativen DTM-Antriebskonzepten genutzt werden soll. Er blickt mir vertrauenswürdig in die Augen.

Titel-Bild zur News: Markus Winkelhock

Schaefflers Innovationstaxi: Der Audi R8 LMS GT2 sorgt in Oschersleben für Furore Zoom

Ja, der Ex-Formel-1-Pilot, der damals am Nürburgring 2007 sensationell im Spyker in Führung ging, als der Regen fast das gesamte Feld von der Piste schwemmte. 'Motorsport-Total.com' hat die tolle Gelegenheit, neben ihm am Beifahrersitz im Rahmen der DTM in Oschersleben Platz zu nehmen und einem Vollprofi bei der Arbeit zuzuschauen.

Doch wird Winkelhock voll fahren? Vor dem Einsatz wird mir geflüstert, dass der 43-jährige Audi-Pilot schon zweimal bei einer Taxifahrt ein Rennauto "weggelegt" habe.

Wie sehr geht Markus Winkelhock ans Limit?

"Du hast immer etwas Safety-Margin und fährst um die 80 Prozent", erklärt Winkelhock, als ich ihn auf die angeblichen Zwischenfälle anspreche. "Das spricht sich herum", grinst er. "Das ist aber schon sehr lange her. Da war ich noch jung und wild, heute bin ich ein seriöser Taxifahrer. Aber die Gäste hatten auf jeden Fall was zu erzählen."

Seriöser Taxifahrer? Ich glaube Winkelhock kein Wort, als er in der dritten Kurve über einen Zufahrtsweg auf die Strecke rast. Ich hatte durch meine Tätigkeit als Journalist schon die Gelegenheit, als Beifahrer in einem Cup-Porsche über die Nordschleife zu fliegen oder mit Rallye-Weltmeister Markus Grönholm bei der Akropolis-Rallye im Staub zu wedeln, aber das Erlebnis in Oschersleben trifft mich unvorbereitet.

Zuerst überrascht mich, wie direkt Winkelhock die Kurven anfährt - und trotzdem das Auto wendet und die Randsteins voll ausnutzt. Vor allem in der schnellen Rechts-Links-Rechts-Schikane: Jeder Randstein ein heftiger Stoß für das hart abgestimmte Auto - der Kopf schlägt links und rechts an, wird hin und her geschüttelt. Jetzt weiß ich, warum die Oschersleben-Randsteins berüchtigt sind.

Flaues Gefühl im Magen durch Gas und Bremse

Danach endlich eine Gerade, der Körper entspannt sich - und Rums, reißt es mich wieder in den Gurt. Nur den Kopf ist auf Winkelhocks hartes Bremsmanöver nicht vorbereitet, knickt nach vorne.

Toll sind auch die 180-Grad-Kurven in Oschersleben - Winkelhock spielt mit dem Gaspedal, will schon beschleunigen, die Reifen sind aber noch nicht ganz da. Er fängt das Auto wieder ein. Nach zwei, drei Runden spüre ich, dass sich das Auto weniger ruckartig und gefühlt schneller durch die Kurven treiben lässt. Der aufgeheizte Gummi verzahnt sich langsam mit dem Asphalt.

Sven Haidinger

Ins Schwitzen gekommen: aufgeregter Reporter nach der Taxifahrt mit Winkelhock Zoom

Aber immer schön an der Rutschgrenze - der Ritt am Limit hat absolutes Suchtpotenzial. Was mich besonders überrascht: Nach ein paar Minuten komme ich leicht ins Schwitzen, obwohl ich ja eigentlich nichts mache, außer dem Dompteur bei der Arbeit zuzusehen. Und durch das ständige Beschleunigen und die heftigen Bremsmanöver spüre ich ein flaues Gefühl im Magen, muss auf den Geraden immer wieder durchatmen.

Bei einem GT2-Auto hätte ich diese Belastungen nicht erwartet. Nachdem ich Anfangs vor allem mit mir selber - und dem ungewohnten Körpergefühl - zu tun habe, versuche ich, auf Winkelhocks Lenkrad-Display ein paar Daten zu erkennen.

Schwitzen im Cockpit: "Dabei hatten wir die Klimaanlage an"

Es gelingt mir - selbst in den Kurven fährt Winkelhock immer noch an die 160 km/h. Die G-Kräfte sind größer als ich es erwartet hatte, obwohl es sich hier bei weitem um kein Formel-1-Auto handelt. Und selbst die GT3-Autos, die in der DTM gefahren werden, erreichen höhere Kurvengeschwindigkeiten.

Erst nach mehreren Runden - weil ich so sehr im Moment bin, vergesse ich mitzuzählen - steuert Winkelhock die Boxengasse an. Ich bedanke mich für das beeindruckende Erlebnis. Und erzähle ihm, nachdem ich es geschafft habe, mich aus dem Auto herauszuschälen und Helm und HANS-System abzulegen, dass ich wider Erwarten ins Schwitzen gekommen bin.

"Dabei hatten wir sogar die Klimaanlage an", grinst er verwundert. "Ohne sie haben wir manchmal 60 Grad im Cockpit." Der Respekt steigt - auch, weil im TV alles so einfach aussieht. Insofern war die Taxifahrt in Oschersleben wieder mal eine gute Erfahrung, um einem Schreibtischtäter wie mir in Erinnerung zu rufen, was wirklich im Cockpit abgeht. Ohne Ausflug ins Kiesbett.

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