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Frentzen: "Jetzt packen wir es einfach an!"
Warum Rennfahrer Heinz-Harald Frentzen für das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring seinen eigenen Hybrid-Rennwagen gebaut hat
(Motorsport-Total.com) - Am Anfang stand wie immer eine Idee. Wie wäre es, schoss es eines schönen Tages dem Rennfahrer Heinz-Harald Frentzen durch den Kopf, einen Rennwagen mit Hybrid-Antrieb zu bauen? Vielleicht wäre die Idee so schnell wie sie auftauchte auch schon wieder vergessen gewesen, hätte es da nicht auch noch ein paar besondere Umstände gegeben. Denn im Herbst 2006 stand für den Mönchengladbacher fest, dass seine Auftritte in der DTM keine Fortsetzung finden würden. Statt der Jagd nach einem neuen Vertrag stand bald eine intensive Recherche nach den technischen und physikalischen Grundlagen der Hybrid-Technik auf dem Programm.

© xpb.cc
Heinz-Harald Frentzen stellt sich auf der Nordschleife einer neuen Herausforderung
Die Begegnung mit einem vertrauten Gesicht aus früheren Formel-1-Tagen fachte das Interesse an der Materie noch zusätzlich an. Norbert Kreyer, bodenständiger Motoren-Ingenieur aus Niederzissen, war für Frentzen genau der richtige Diskussionspartner, um immer tiefer in die Materie einzusteigen. Der Schöpfer des 1,5-Liter-Turbomotors von Zakspeed in der Formel 1, später maßgeblich an den Rallye-Triebwerken von Toyota beteiligt, bis bei den Japanern in Köln über das Le-Mans-Auto GT1 und den ersten Formel-1-Motor der Weg wieder zurück in die Königsklasse führte, besaß theoretisch und praktisch die Erfahrung, um die Möglichkeiten einer Realisierung der Idee seriös abzuklopfen.#w1#
Motorsport als Vorreiter?
Wie kommt aber ausgerechnet ein Rennfahrer darauf, sich intensiv mit "grüner" Antriebstechnik zu befassen? Wer Frentzen ein wenig genauer kennt, der weiß, dass der frühere Sauber-, Williams- und Jordan-Pilot sich nicht erst in jüngster Zeit immer auch mit der Welt hinter dem Fahrerlager-Zaun beschäftigt hat. "Dem Motorsport fehlt in den Augen der Öffentlichkeit nicht ganz zu Unrecht das Umweltbewusstsein", lautet seine Feststellung. "Dabei könnte der Motorsport sehr gut Vorreiter auf dem Weg zu umweltfreundlicheren Technologien in unserer Welt sein. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass es unserem Sport gut tun würde, sich in diese Richtung zu entwickeln."
Aber der dreifache Grand-Prix-Sieger Frentzen argumentiert bei seinen
Motiven keineswegs nur umweltpolitisch: "Jeder glaubt, ein Gefühl dafür zu haben, wie viel Energie wir einsetzen, um schnell Rennen zu fahren. Ich weiß als Rennfahrer aber aus eigener Erfahrung, welche ungeheuren Mengen an Energie wir im Rennsport beim Bremsen in jeder Runde auch wieder vernichten. Diese Energie nicht mehr nutzlos in Form von Wärme an die Luft abzugeben, sondern sie zurück zu gewinnen, sie wieder in Beschleunigung umzusetzen, ist technisch reizvoll, aber vor allem sinnvoll."
Die Komponenten halten länger
Den Sinn macht der dreifache Familienvater nicht zuletzt an den verlängerten Lebenszyklen wichtiger Komponenten fest. So ist der Bremsverschleiß wesentlich geringer. Die zurück gewonnene und wieder zur Beschleunigung eingesetzte Bremsenergie führt zu vergrößerter Reichweite - alles Vorzüge, die sich gerade bei Langstreckenrennen auszahlen. Und auch ein Elektromotor braucht im Unterschied zu einem Renntriebwerk nicht gleich nach dem Rennen eine aufwändige Revision.
Nachdem im Laufe des Jahres 2007 das Grundkonzept stand, begann für Frentzen und Kreyer die Phase, Partner für das Projekt zu finden. Angedacht war ursprünglich die Entwicklung eines komplett neuen Rennfahrzeugs. Auf der technischen Seite fanden sich schon bald kompetente Mitstreiter, doch bei der Finanzierung machten die Ideengeber die Erfahrung nahezu aller Pioniere. Skeptiker, Bedenkenträger und Besserwisser gibt es zuhauf, Wagemutige und Fortschrittsgläubige dagegen nur wenige. Leider verstrich darüber wertvolle Zeit. Also fiel um die Jahreswende 2007/2008 bei Frentzen der Entschluss: "Jetzt packen wir es einfach an!"
Die Suche nach dem Auto
Um die Kosten im Rahmen zu halten, schaltete der Initiator um, und suchte fortan ein passendes Auto, das sich zum Hybrid-Renner umbauen ließ. Beim Gumpert apollo wurde er schließlich fündig: "Ein Super-Sportwagen mit Straßenzulassung, der alle wichtigen Elemente eines Rennwagens hat." Frentzen kaufte Roland Gumpert ein Fahrzeug ab, das in den Werkstätten der Manufaktur in Altenburg/Thüringen für den Einsatz am Nürburgring auf- und umgebaut wurde. Sowohl für den Elektromotor als auch für die Batterien fanden sich im knapp geschnittenen Anzug des Sportwagens noch der nötige Platz.
Am 24. und 25. Mai wird Frentzen, bei diesem Projekt zugleich Ideengeber, Unternehmer und Rennfahrer, auf dem Nürburgring versuchen,
nach vielen Monaten intensiver Arbeit zu beweisen, dass die Hybrid-Technik reif ist, für einen erfolgversprechenden Einsatz auf der schönsten und schwierigsten Rennstrecke der Welt. Ginge es ihm nur darum, dieses legendäre Rennen über 24 Stunden vor 200.000 Zuschauern zu bestreiten, hätte er es einfacher und günstiger haben können. Gefragt nach seinem finanziellen Aufwand, gibt er offen zu: "Wenn ich mir bei Porsche einen 911 RSR gekauft hätte, wäre ich locker mit der Hälfte ausgekommen." Ideen zu haben und sie dann auch noch mit eigener Kraft Wirklichkeit werden zu lassen, ist eben meist ein bisschen teurer.
Der Schwierigkeiten voll bewusst
Für das "grüne" Rennprojekt nehmen Frentzen und sein Team die zweifellos vorhandenen Handikaps in Kauf. Weil man sich nirgends auf erprobte und bewährte Komponenten stützen konnte, war der Zeitplan letztlich extrem eng. Ein ursprünglich geplanter Testeinsatz auf der Nordschleife musste deshalb durch private Testfahrten ersetzt werden. Dennoch ist Kreyer, der technisch für das Projekt verantwortlich zeichnet, guten Mutes: "Wir sind uns der Schwierigkeiten voll bewusst. Wir gehören auch ganz sicher nicht zu den Favoriten auf den Gesamtsieg. Dafür fehlen uns als privates Team die finanziellen und technischen Möglichkeiten, wie sie große Automobilhersteller haben. Aber wir können es hoffentlich schaffen, mit unserem innovativen Konzept zu zeigen, was schon jetzt in der Hybrid-Technologie steckt."
Hinter dem Lenkrad wird Frentzen vom FIA-GT-Meister 2007 in der Kategorie GT2, Dirk Müller, unterstützt. Müller ist auf der Nordschleife kein Unbekannter. Als BMW Werksfahrer konnte er 2004 das
24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring gemeinsam mit Hans-Joachim
Stuck, Pedro Lamy und Jörg Müller gewinnen. Ein oder zwei weitere starke Fahrer, möglichst mit Erfahrung auf der schwierigen und anspruchsvollen Nordschleife, werden das Duo Frentzen/Müller auf dem Hybrid-Renner ergänzen.
Technische Daten HHF Hybrid Concept Car
Motoren:
Hinterachse: V8-Zylinder-Biturbomotor mit 90°-Zylinderwinkel, Hubraum: 3.292 cm³, 5 Ventile pro Zylinder, 4 obenliegende Nockenwellen, zweiflutige Abgasanlage mit Katalysator, Rennsport- Trockensumpfschmierung
Nennleistung: 382 kW / 520 PS bei 7.000 U/min
max. Drehmoment: 580 Nm bei 4.000 U/min
Vorderachse: Elektrohybrid-Synchron-Motor
Nennleistung: 100 kW / 136 PS
max. Drehmoment: 220 Nm
Kraftübertragung:
Hinterachse: vollsynchronisiertes, sequentielles Sechsgang-Getriebe,
Vorderachse: selbstsperrendes Differenzial
Fahrwerk:
Doppelquerlenker an Vorder- und Hinterachse, in Zug und Druck voll einstellbare Feder-/Dämpfereinheiten über Pushrods angelenkt, Querstabilisatoren an beiden Achsen
Räder und Reifen:
vorne: 30/65x18 / hinten: 31/75x18
Sonstiges:
Leergewicht (trocken): 1.300 kg (Reglement)
Länge: 4.460 mm
Breite: 1.998 mm
Höhe: 1.114 mm (ohne Lufteinlass)
Radstand: 2.700 mm
Tankinhalt: 120 Liter
Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h (je nach Übersetzung)

