Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Paul Denning (Yamaha)

Nach Assen ist klar, dass Ducati und BMW den WSBK-Titel 2024 unter sich ausmachen: Hat Yamaha in der Superbike-WM auf die falschen Fahrer gesetzt?

Liebe Freunde der Superbike-WM,

Titel-Bild zur News: Jonathan Rea, Paul Denning

Paul Denning wollte mit Jonathan Rea um den WSBK-Titel 2024 kämpfen Zoom

Jahr für Jahr stelle nicht nur ich mir immer wieder die gleiche Frage: Warum muss das Rennwochenende der Superbike-WM in Assen eigentlich im April stattfinden? Das spontane Comeback des Winters drückte dem Event am vergangenen Wochenende seinen Stempel auf und sorgte für chaotische Bedingungen.

Natürlich waren die Rennen auf Grund des wechselhaften Wetters sehr spannend und haben für gute Unterhaltung gesorgt, sofern man das Geschehen vom Barni-Kommandostand (Barni feierte am Samstag den ersten WSBK-Sieg der Teamgeschichte) oder der heimischen Couch verfolgte. Doch für alle anderen wurde es zu einer Belastungsprobe.

Regen, Wind und Wetter prägten das dritte WSBK-Event der Saison 2024. Respekt an die anwesenden Fans, die sich den Bedingungen stellten. Ich war überrascht, dann doch so viele Superbike-Fans auf der Tribüne zu sehen. Offiziell wurden 56.734 Zuschauer gezählt. Stark!

Alvaro Bautista

Am Sonntag fuhren die WSBK-Piloten vor gut gefüllten Rängen Zoom

Aber auch ein großes Dankeschön an die vielen Helfer, die Parkplatz-Einweiser, die Marshalls, die Fotografen und alle anderen, die den ganzen Tag über dem Wetter ausgesetzt waren. Nun zurück zur Frage, warum wir Mitte April in Assen fahren, wenn die Superbike-WM danach in eine siebenwöchige Pause geht.

Diese Frage habe ich im Fahrerlager von Assen mit meinen holländischen Kollegen besprochen und immer wieder die gleiche Antwort erhalten. Die Promoter in Assen wollen vermeiden, dass das WSBK-Event zu nah an das Saison-Highlight, das Gastspiel der MotoGP im Juni, heranrückt.

WSBK Start

Mit Slicks im Nassen: Die Pirelli-Reifen vermittelten den Fahrern viel Gefühl Zoom

Eine Verschiebung des WSBK-Events in den Herbst stößt ebenfalls auf wenig Interesse, weil man die Superbike-WM als eine Art Warm-up für die MotoGP betrachtet. Es deutet also vieles darauf hin, dass Assen auch im kommenden Jahr wieder im April stattfindet.

In diesem Zusammenhang muss ich auch kurz anschneiden, wie großartig die Pirelli-Reifen bei diesen Bedingungen funktioniert haben. Selbst bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt sah man keine Stürze auf Grund von ausgekühlten Vorderreifen. Und auch mit Slicks auf nasser Strecke war das Fahrverhalten offensichtlich ziemlich berechenbar. Wäre die MotoGP bei ähnlichen Bedingungen gefahren? Ich habe meine Zweifel.

Yamaha ist in der Superbike-WM 2024 kein WM-Anwärter

Kommen wir zum eigentlichen Verlierer des Wochenendes. Und da denke ich zuerst an Yamaha. Nach der enttäuschenden Vorstellung in Barcelona waren die Erwartungen für Assen deutlich größer, denn das flüssige Layout lag der R1 in der Vergangenheit.

Jonathan Rea

Jonathan Rea sollte Yamaha zum Titel verhelfen, ist aktuell aber nur WM-15. Zoom

Remy Gardners Leistungen bestätigen, dass beim dritten WSBK-Event der laufenden Saison einiges möglich war. Aber das Yamaha-Werksteam blieb erneut hinter den Erwartungen zurück.

Spätestens nach Assen steht fest, dass Yamaha in diesem Jahr kein WM-Anwärter ist. Neuzugang Jonathan Rea gelang auch beim dritten Wochenende kein Podium. Der Rekord-Weltmeister geht als WM-15. in die Pause.

Alvaro Bautista, Andrea Locatelli, Michael van der Mark

Andrea Locatelli (55) mischte zwischenzeitlich im vorderen Feld mit, schaffte es aber nicht in die Top 3 Zoom

Teamkollege Andrea Locatelli setzt sich hin und wieder in Szene, ist aber auch in seiner vierten WSBK-Saison kein konstant starker Spitzenfahrer. Hat Paul Denning mit seinem Team auf die falschen Fahrer gesetzt?

Toprak Razgatlioglu kaschierte die Probleme der Yamaha R1

Der Verlust von Toprak Razgatlioglu macht deutlich, wie groß der Anteil des Fahrers in den zurückliegenden drei Jahren war. Während BMW große Bemühungen investierte und jetzt die Früchte der harten Arbeit einsammelt, tut sich bei Yamaha seit einigen Jahren nicht wirklich etwas. Und das rächt sich jetzt.

Toprak Razgatlioglu

Toprak Razgatlioglu wurde für das Risiko belohnt, zu BMW zu wechseln Zoom

Die Meldung, dass die R1 ab 2025 in vielen wichtigen Märkten nicht mehr als Straßenversion angeboten wird, passt da irgendwie ins Bild und besorgt mich mit Blick auf die Zukunft von Yamaha in der seriennahem Meisterschaft, auch wenn Paul Denning das Aus der Serien-R1 nicht zwingend als Nachteil ansieht (zur Reaktion des Yamaha-Teammanagers).

Nur müsste von Yamaha so langsam aber sicher mal ein Lebenszeichen kommen. Ein Bekenntnis, dass man die Superbike-WM noch ernst nimmt. Denn für meinen Geschmack erinnert der Verlauf doch ziemlich stark an den Abstieg des Yamaha-Werksteams in der MotoGP.


Fotos: WSBK 2024: Assen (Niederlande)


In der Saison 2021 räumte Yamaha in allen relevanten Meisterschaften ab. Fabio Quartararo holte die MotoGP-Krone und Toprak Razgatlioglu bescherte Yamaha den zweiten WSBK-Titel nach Ben Spies 2009. Doch danach ging es in beiden Serien bergab.

In der WSBK kaschierte Razgatlioglu mit seinem Talent die nachlassende Konkurrenzfähigkeit der Yamaha R1. Nachfolger Jonathan Rea hatte sicher andere Erwartungen, als er die langjährige Verbindung zu Kawasaki auflöste, um mit Yamaha angreifen zu können.

Toprak Razgatlioglu; Alvaro Bautista

Läuft es auf ein WM-Duell zwischen Toprak Razgatlioglu und Alvaro Bautista hinaus? Zoom

Mittlerweile ist BMW der größte Herausforderer von Ducati. Auch im Lager der Weltmeister staunt man, warum Yamaha die Entwicklung des Superbikes so weit zurückgefahren hat. Die intensiven Bemühungen von BMW hingegen sorgen dafür, dass man sich auch in Borgo Panigale nicht zurücklehnen darf.

Steht Yamahas WSBK-Projekt vor einer düsteren Zukunft?

Mit den aktuellen Ergebnissen wird es für die Yamaha-Manager in Zukunft sicher nicht einfacher, absolute Spitzenfahrer für das Projekt zu begeistern. Ob Jonathan Rea auf der R1 noch einmal zu alter Stärke findet? Umso mehr Zeit der sechsmalige Weltmeister benötigt, desto größer werden meine Zweifel. Und vermutlich hat auch Paul Denning spätestens in Assen realisiert, dass Rea und Yamaha demnächst keine WM-Anwärter sein können.

Jonathan Rea

Jonathan Rea hat nach drei Events bereits 100 Punkte Rückstand Zoom

Wer war aus Ihrer Sicht der Verlierer des WSBK-Wochenendes in den Niederlanden? Teilen Sie mir Ihre Meinung auf Facebook unter "Sebastian Fränzschky - Motorsport-Journalist" mit. Dort gibt es meine Texte, Insiderinfos, Meinungen und Einschätzungen zu aktuellen Themen. Und natürlich die Möglichkeit, diese Kolumne zu diskutieren!

Sportliche Grüße,

Sebastian Fränzschky