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Zweitakt oder Viertakt, das ist hier die Frage...
Pietro Caprara, Technischer Direktor bei JiR-Scot, spricht über die Einführung des Viertakt-Motors, der die Arbeitsweise der Boxencrew erheblich veränderte
(Motorsport-Total.com) - Pietro Caprara ist der Technische Direktor des JiR-Scot-Teams. Er ist ein alter Hase im Renngeschäft, der seine Karriere im Motorsport 1996 bei Yamaha begonnen hat. Damals war er noch in der Klasse des blauen Bandes, bevor er mit Yamaha in die MotoGP wechselte. Daraufhin verbrachte er drei Jahre bei Aprilia in der 250er Klasse. Seine große Erfahrung im Technikbereich macht ihn zu einem interessanten Interview-Partner in Motor-Fragen.

© JiR-Scot
Als Kundenteam kann JiR Scot nicht viel an den Motoren ändern
Frage: "Seit Mitte der 70er Jahre haben Zweitakt-Motoren die 500er Klasse dominiert, bevor die Viertakt-Maschinen Ende 2001 Einzug gehalten haben. Was sind die Charakteristiken und Unterschiede dieser zwei Technologien?"
Pietro Caprara: "Die Unterschiede zwischen diesen beiden Motortypen liegen im konstruktiven und mechanischen Bereich, aber auch in der Fahrbarkeit und der Kostenfaktor spielt eine Rolle. Mechanisch gesehen ist der Zweitakt-Motor sehr simpel, der Kolben öffnet und schließt die Ventile, wo das Benzin-Luft-Gemisch und die verbrannten Abgase ein- und austreten.#w1#
"Im Vergleich dazu ist der Viertakter komplexer und schwerer, als sein Zweitakt-Gegenstück. Der obere Teil des Aggregats ist der 'Kopf', der die Ventile durch Nockenwellen steuert. Der Motor bekommt durch die Einspritzung des Treibstoffes zusätzliche Kraft. Die Schmierung der Zweitakt-Maschine, der Kurbelwellen und der Verbindungsteile wird durch den Treibstoff besorgt."
"Die Leistung wird durch den Vergaser gesteuert, der seinerseits durch Druck der Kolbenbewegung gesteuert wird. Die Schmierung der verschiedenen Mechanismen bei einem Viertakt-Motor basiert auf Öl, welches in einem ganz unten am Motor befestigten Behälter, der sogenannten Ölwanne aufbewahrt wird. Diese kann entweder 'trocken' oder 'nass' sein, je nach dem, ob Öl in einem zusätzlichem Tank mitgeführt wird, oder nicht."
Frage: "Wie haben diese Veränderungen Ihre Arbeitsweise in der Box verändert?"
Caprara: "Die Instandhaltung und Einstellung einer Zweitakt-Maschine unterscheidet sich sehr von einem Viertakter und erfordert keine allzu großen Bedingungen. Dies ist bedingt durch die einfache Konstruktion des Motors. In der Vergangenheit konnten Mechaniker eines Teams selbst am Motor arbeiten, auch bei Kunden-Teams. Der Umgang mit einer Viertakt-Maschine ist sehr kompliziert und nur noch Werkstechniker dürfen an den Antriebseinheiten arbeiten, während die Mechaniker der Kunden-Teams nur soweit an den Motoren tüfteln dürfen, sofern es die Öffnung des Aggregats nicht erfordert."
Frage: "Nachdem die Motoren so unterschiedlich sind, inwiefern unterscheiden sich die Eindrücke der Fahrer, wenn sie die Motoren fahren?"
Caprara: "Die Besonderheit bei den Zweitaktern ist im Prinzip, dass sie in niedrigen Drehzahlen ein sehr niedriges Drehmoment produzieren, aber in hohen Drehzahlen ein entsprechend hohes Drehmoment. In der 500er Klasse war das maximale Drehmoment sehr nahe der maximalen Drehzahl, aber in der modernen MotoGP ist die Entfaltung von Drehmoment und Leistung wesentlich linearer und progressiver, er kann also besser genutzt werden und hat ein breiteres Leistungsfenster, als ein Zweitaktmotor."
"Um den Zweitaktern eine höhere Flexibilität zu verpassen, wurden die Auspuffventile verbreitert. Der Unterschied auf der Strecke bestand darin, dass sie Zweitakter auf dem Gas absolut unsensibel waren, die Bikes hatten nahezu keine Motorbremse und leichter waren sie auch. In der MotoGP macht es nicht so viel aus, wenn man die Ideallinie verlässt, weil man wesentlich mehr Drehmoment und Leistung zur Verfügung hat., man kann von überall gut heraus beschleunigen."
"Mit einer 500er Maschnie war die Beschleunigungsphase der komplizierteste Abschnitt, weil die Kraft sich so Leistung sich so brutal entfaltete. Das bedeutete, dass ein Fahrfehler sofort in einen plötzlichen Verlust der Hinterradtraktion und in einem klassischen Highsider führte. Die Zweitaktmaschinen erforderten vom Fahrer sehr viel Feingefühl, besonders auf dem Gas."
"Bei den Viertaktern wird die recht hohe Leistung vom elektronischen Motormanagement und die Traktionskontrolle gedrosselt. Dieses Jahr zum Beispiel hatten die Anfänger, die frisch von der 250er Zweitakt-Weltmeisterschaft kamen, es leicht, recht schnell gute Ergebnisse in den Rennen einzufahren, weil sie schon in der Kategorie, die sie gerade verlassen haben, die Besten waren."
Frage: "2002 feierten die Viertakter in der MotoGP ihr Debüt. Die Zweifel an dieser Technologie sind nun weggewischt, aber was sind die genauen Unterschiede, wenn man in der Boxen-Garage mit diesen Motoren arbeitet?"
Caprara: "Es war ein unbekanntes Abenteuer, nicht nur die Entwicklung des Motorrads, als auch seine neue Technologie erforderten eine andere Arbeitsweise vom Team. Vom operativen Standpunkt aus haben sich die Dinge in der Garage sehr verändert: Bei Viertaktern macht man Sachen oder arbeitet man an Parametern, die bei den Zweitaktern weniger wichtig waren."
"Das typische Beispiel dafür ist das elektronische Motormanagement, welches bei den Viertaktern ein sehr wichtiger Punkt ist. Bei den Zweitaktern hat man die Zeit damit verbracht, die Maschinen zu öffnen und Zylinder und Kolben zu tauschen. Heutzutage konzentrieren sich die Techniker und Mechaniker eher darauf, das Setup und die Reifen eines Bikes zu entwickeln."
Frage: "Es scheint, als hätte die Arbeit in den Boxen abgenommen und nun alles zu Elektronik-Spezialisten deligiert worden ist. Stimmt das?"
Caprara: "Wir arbeiten nicht weniger, als vorher, seit wir mit dem neuen Motor zu tun haben, vielmehr haben sich die Aufgabengebiete geändert. Wir arbeiten hart und die Fähigkeiten der Mechaniker und die Wettbewerbsnatur unserer Aufgabe bedeutet, dass die nur kleinste Bruchteile einer Sekunde auseinander liegen und wir uns die kleinsten Details ansehen müssen. Es ist selbst wichtig, auch nur ein Zehntel herauszukitzeln, das ist ein großer Wettbewerb und der findet auch in den Garagen statt."

