MotoGP-Paddock inside: Hat Johann Zarco wirklich Chancen auf das Podest?

Nach dem Trainingstag in Argentinien ist Marc Marquez in der Favoritenrolle - Aber bei der Rennpace ist Johann Zarco mit der Honda die Überraschung des Tages

Liebe MotoGP-Fans,

Titel-Bild zur News: Johann Zarco

Kann Johann Zarco auch in den Rennen für eine Überraschung sorgen? Zoom

der erste Trainingstag in Termas de Rio Hondo ist mehr oder weniger so wie erwartet verlaufen. Der Asphalt bietet generell wenig Grip. Am Freitag ist er in der Regel auch schmutzig. Trotzdem war es nicht ganz so schlimm, weil es in der Nacht geregnet hatte und etwas Dreck abgewaschen wurde.

Bei niedrigen Gripverhältnissen ist Marc Marquez immer stark, die Strecke hat ihm auch schon in der Vergangenheit gut gepasst. Es war für mich also nicht überraschend, dass er den Ton angeben würde. Sowohl mit Rennabstimmung als auch im Qualifying-Versuch war er der Schnellste.

Seine Basisabstimmung funktioniert. Zwischen den Trainings wurde nur an der Elektronik für die Motorbremse seiner Ducati gearbeitet. Am Nachmittag konnte Marc Marquez dann konstantere Rundenzeiten fahren. Er hat sich wieder in die Favoritenrolle gebracht.

Dass der Rundenrekord schon unterboten wurde und nicht erst im Qualifying, war dann doch etwas überraschend. Es war der letzte Rundenrekord aus der Bridgestone-Ära. Wow! Michelin hat nun auf allen Strecken die Rekorde unterboten, wobei das vor allem auf die Motorräder zurückzuführen ist.

"Ich denke", sagt Marc Marquez, "dass wir morgen eine 1:36er-Zeit sehen werden. Ich weiß nicht, von wem, aber wenn man in der ersten Startreihe stehen will und sich die Strecke weiter so verbessert. Mein Ziel ist nicht, Rundenrekorde aufzustellen, sondern Rennen zu gewinnen."

Während es bei Marc Marquez weiterhin wie am Schnürchen läuft, setzt sich die schwierige Phase bei seinem Teamkollegen Francesco Bagnaia fort. Er hat immer noch Schwierigkeiten, das Gefühl aus dem Vorjahr zu finden - besonders in der Bremsphase.

"Ich habe Mühe, das Motorrad zu stoppen und eine kontrollierte Rutschphase zu haben. Im Moment funktioniert es nicht, weil das Motorrad eine andere Balance hat und nicht das ist, was ich brauche." Das führte im Qualifying-Versuch schließlich zu einem Sturz. Bagnaia hat Arbeit vor sich.

Honda: Johann Zarco die Überraschung des Tages

Die größte Überraschung des Freitags war für mich Johann Zarco. Der Honda-Fahrer zeigte mit Rennabstimmung ein sehr gutes Tempo und war nicht viel langsamer als Marc Marquez. Auch Bagnaia lobte den Franzosen als die Sensation des Tages.

Der Franzose hatte zwar auch einen Sturz, aber anschließend fuhr er im Qualifying-Versuch noch die siebtbeste Zeit, wobei er bei der Zeitattacke mehr Mühe hatte als bei der Rennpace. Es stellt sich die Frage, ob Zarco in den beiden Rennen tatsächlich um das Podium kämpfen kann.

"Ich hoffe, dass ich morgen auch dieses gute Gefühl habe, um ein sehr starkes Qualifying zu fahren, denn dann scheinen wir Chancen auf das Podium im Sprint und im Rennen am Sonntag zu haben", wittert Zarco eine Sensation. "Ein gutes Qualifying wird dafür helfen."

Johann Zarco

Johann Zarco spricht sogar selbst von einer möglichen Podest-Chance Zoom

Interessanterweise konnte er diese Performance zeigen, obwohl die Honda auf der Geraden wieder langsam war. Zarco fehlten auf der langen Geraden Richtung Kurve 5 rund sechs km/h. Das zeigt, dass die Honda in den flüssigen Kurven recht gut liegt und dort Zeit gutmacht.

Zweitbester Honda-Fahrer war Joan Mir auf Platz 13, obwohl ihm nur drei Zehntelsekunden auf die Zeit von Zarco fehlten. Mir konnte seine besten Sektorzeiten nicht aneinanderreihen. Insgesamt sieht er die Honda-Fortschritte von Thailand aber auch hier bestätigt.

Alex Marquez war mit seiner Gresini-Ducati wieder im Spitzenfeld dabei, auch wenn er nicht ganz auf Augenhöhe mit seinem Bruder war. VR46-Fahrer Fabio Di Giannantonio fuhr zumindest einen sehr guten Qualifying-Versuch. Bis dahin fiel er jedoch nicht besonders auf.

Aprilia: Marco Bezzecchi erwartungsgemäß gut dabei

Knapp hinter dieser Topgruppe war Marco Bezzecchi mit der Aprilia zu finden. "Insgesamt werden wir heute Abend noch viel arbeiten müssen, denn das Motorrad funktioniert gut, aber im Vergleich zu den Topfahrern fehlt uns noch etwas", lautet seine Einschätzung.

"Ich denke, dass mir bei der Zeitattacke noch etwas fehlt. In diesem Bereich muss ich noch besser werden. Die Traktion des Motorrads ist gut, aber es fehlt mir etwas an Stabilität." Als Vierter hat er trotzdem souverän den Q2-Einzug geschafft.

Rookie Ai Ogura ist als Elfter lediglich um 0,021 Sekunden gescheitert. Trotzdem zeigte er sich mit der Performance zufrieden, weil Termas de Rio Hondo nicht zu seinen bevorzugten Strecken zählt und es hier im Gegensatz zu Buriram keine Testfahrten im Vorfeld gab.

Raul Fernandez war für mich eine Enttäuschung. Platz 20 erklärt er damit, dass er in den langen Kurven zu viel Spin am Hinterrad hatte. "Es ist kein super Desaster, wir müssen nur eine Sekunde finden", meint er. Ich finde schon, dass das ein Desaster und eine schwierige Aufgabe ist.

KTM: Neue Balance für mehr Gefühl für das Vorderrad

Blicken wir zu KTM. Die Rundenzeiten mit Rennabstimmung waren bislang nicht besonders vielversprechend, ähnlich wie in Buriram. Für die Rennen sehe ich KTM wieder hinter der Spitzengruppe und somit eher ohne Chance, aus eigener Kraft auf das Podium fahren zu können.

Beachtlich war aber die Qualifying-Runde von Brad Binder. Die Ingenieure haben das Set-up dahingehend verbessert, dass er mit dem Vorderrad etwas mehr attackieren konnte. Dieses Gefühl hat Binder zuletzt gefehlt, wie er jüngst erklärt hat.

Aber nun ging es in die richtige Richtung: "Nach Thailand war klar, dass wir große Probleme in den Bremszonen und mit dem Vorderreifen hatten, besonders bei Hitze. Als wir hier ankamen, haben wir versucht, etwas zu verändern, um die Front etwas besser arbeiten zu lassen."

Brad Binder

Brad Binder kann nun wieder mehr mit dem Vorderrad attackieren Zoom

"Ich habe das Gefühl, dass wir in diesem Bereich kleine Fortschritte gemacht haben und habe das Gefühl, dass ich ein wenig mehr Vertrauen zum Vorderreifen habe. Das hat die Dinge auf jeden Fall etwas erleichtert, vor allem wenn man attackieren muss."

Pedro Acosta bestätigte Binders Einschätzung zur besseren Abstimmung. Beide schafften es ins Q2. Am Ende des zweiten Trainings ist Acosta außerdem in der Auslaufrunde gestürzt. Hat er den Vorderreifen zu stark auskühlen lassen?

"Ich verstehe nicht wirklich, warum ich gestürzt bin", rätselt der Spanier. "Ich war weder zu langsam noch habe ich zu hart gebremst oder sonst etwas. Vielleicht war ich in der Runde davor ziemlich langsam, aber ehrlich gesagt nicht so langsam, dass ich auf diese Weise stürzen sollte."

Die KTM-Neulinge im Tech3-Team hatten wieder einen schwierigen Tag. Maverick Vinales fehlte das Gefühl für das Vorderrad. Enea Bastianini sprach von einem "Desaster", weil er sich mit neuen Reifen nicht verbessern konnte.

Yamaha: Wer sein Motorrad liebt, der schiebt

Im Yamaha-Lager rollte Fabio Quartararo zu Beginn des Nachmittagstrainings aus. "Ich hatte keinen Sprit mehr. Es war ein menschlicher Fehler. Die Mechaniker müssen mir ein Bier kaufen", nimmt er die Situation mit Humor.

Weniger lustig war für ihn, dass er das Motorrad zurück in die Boxengasse schieben musste, weil die argentinischen Sportwarte ihm nicht halfen. "Der eine Sportwart hat mich nur angeschaut, als würde er mich anfeuern, so nach dem Motto: 'Hey, gute Arbeit!", lacht Quartararo trotzdem.

Dass er das alles so locker nimmt, zeigt seine entspannte Einstellung. Yamaha hat generell mit dem geringen Grip am Hinterrad zu kämpfen. Man konzentriert sich auf die Elektronikabstimmung. Ob eine Platzierung in den Top 6 in den Rennen realistisch ist, bleibt abzuwarten.

Platz sechs für Alex Rins und Rang neun für Quartararo waren beachtlich. Wenn sie das im Qualifying wiederholen können, dann stehen die Chancen gut, dass sie in der Verfolgergruppe mitfahren können. Jack Miller verpasste diesmal die direkte Q2-Qualifikation hauchdünn.

Die entscheidende Frage für den Samstag lautet, wie rasch sich die Gripverhältnisse des Asphalts verbessern und welches Motorrad davon profitieren wird. Marc Marquez ist zwar der Favorit, aber die Verfolger sind nicht so weit zurück und wittern Chancen.

Ihr,


Gerald Dirnbeck