Nach erfolgreichem Formel-2-Test: David Beckmann "träumt von der Formel 1"
David Beckmann hat am ersten Tag des Formel-2-Tests in Bahrain die Bestzeit gesetzt - Der 20-Jährige träumt davon, eines Tages in der Formel 1 zu starten
(Motorsport-Total.com) - "Ich bin jetzt so nah dran, deshalb bleibt es mein Traum, in die Formel 1 zu kommen", so David Beckmann gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Der Deutsche ist am ersten Tag des Formel-2-Tests in Bahrain die Bestzeit gefahren. Der Formel-2-Rookie wird in der Saison 2021 für Charouz an den Start gehen und hofft, sich für die Königsklasse empfehlen zu können.
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David Beckmann träumt von einem Aufstieg in die Formel 1 Zoom
"Zuerst geht es darum, dass ich das Motorsport-Leben leben darf", so der Rennfahrer aus Iserlohn. "Ich möchte meinen Traum zu meinem Beruf verwandeln. Es ist natürlich noch mein Traum, in die Formel 1 zu kommen." Das Talent bleibt dennoch realistisch: "Trotzdem muss ich mir auch die realistische Welt anschauen und erkennen, was neben der Formel 1 möglich ist."
Pascal Wehrlein, der es in seiner Karriere von der DTM in die Formel 1 geschafft hat, ist einer von Beckmanns Vorbildern, wenn es darum geht, seine Karriere zu planen. "Es gibt auch andere Sprungbretter als die Juniorklassen", erklärt er. "Nur weil man nicht direkt aus der Juniorklasse in die Formel 1 kommt, heißt es nicht, dass man das nie schafft."
Starker Formel-2-Test in Bahrain ein gutes Fundament
Mit seiner guten Leistung beim Formel-2-Test in Bahrain hat sich Beckmann eine solides Fundament für die Saison 2021 gelegt. Am ersten von drei Testtagen trumpfte er mit der schnellsten Runde auf. Jedoch relativiert der 20-Jährige das gute Ergebnis, da sein Team einen anderen Plan verfolgt hat als die Konkurrenz: "Der erste Tag verlief relativ gut. Am Ende sind wir aber eine andere Strategie gefahren, weshalb wir schneller waren als die anderen."
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Beckmann fuhr in Bahrain am ersten Tag die schnellste Runde Zoom
Charouz wollte wichtige Daten für das erste Rennwochenende der Formel 2 in Bahrain sammeln: "Wir haben etwas früher auf das Qualifying-Set-up umgeschraubt, damit wir die relativ guten Streckenbedingungen ausnutzen konnten, die zum Rennwochenende dann auch passten. Am zweiten und dritten Tag ist es so, dass die Strecke sehr schnell ist und es dann ein wenig unrealistisch wird."
Die Bedingungen am ersten Tag haben laut Beckmann am ehesten denen entsprochen, die die Fahrer an einem Rennfreitag vorfinden, an dem die Qualifyings über die Bühne gehen. "Da sind die Streckenbedingungen noch nicht so gut wie am Samstag oder Sonntag, weil viel gefahren und die Strecke immer besser wird", erklärt er. "Deshalb haben wir das schon am ersten Tag gemacht und alle anderen Teams eigentlich erst am zweiten."
Fitness ein wichtiger Faktor
"Deswegen war ich ein bisschen schneller. Ich war trotzdem sehr zufrieden und habe mich schnell sehr schnell wieder im Auto wohlgefühlt", freut sich der Youngster. Im Vergleich zu seinem ersten Formel-2-Test im Jahr 2020 hat sich Beckmann deutlich gesteigert. Das Fitnesstraining im Winter hat in seiner Entwicklung eine wichtige Rolle gespielt.
"Das Geheimnis hinter den Verbesserungen ist sicherlich körperlich", verrät Beckmann. "Ich habe deutlich zugelegt und musste meinen Rücken, meine Hüfte sowie meine Beine trainieren. Mein linkes Bein und das Becken musste ich besonders auf Vordermann bringen, weil man bei den Carbonbremsen wegen der Verzögerung und des höheren Abtriebs deutlich kräftiger drücken muss."
Die Bremsen haben generell einen großen Einfluss auf die Leistung eines Fahrers in der Formel 2: "In Sachen Temperatur gibt es keinen Verschleiß. So eine Carbonbremse wird zwar heiß, aber das ist kein Problem für das Material. Eine Stahlbremse wird fast genauso warm, die baut dann aber natürlich ab. Da muss man dann natürlich etwas früher bremsen, weil man sonst nicht mehr die Kurve bekommt, da die Bremse bei hohen Temperaturen nicht mehr so gut verzögert."
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Beckmann muss sich an die Formel 2 gewöhnen Zoom
"Außerdem hat das Team das Auto mehr an mich angepasst und deshalb kam ich noch ein bisschen besser klar", so der 20-Jährige über seine ersten wichtigen Testmeter mit Charouz. Doch eine schnelle Runde garantiert einem Fahrer noch lange keine guten Ergebnisse im Rennen. Der Long-run spielt eine wichtige Rolle, aber auch da hat Beckmann gute Nachrichten.
Long-runs machen Hoffnung
"Die Long-runs waren vielleicht sogar noch ein bisschen besser, weil ich im Vergleich zu den anderen Fahrern etwas weniger Reifenverschleiß hatte. Ich habe da sowieso etwas Erfahrung. Ich bin mit dem Pirelli-Reifen aus der Formel 3 und GP3 vertraut. Ich hatte in der Regel immer etwas weniger Reifenverschleiß als die anderen Fahrer, weil ich ganz gut mit den Reifen umgehen kann."
"Ich kann eine gute Pace fahren, während ich das Auto etwas unter dem Limit halte, damit die Reifen das Rennen überleben", freut sich Beckmann. "Das ist extrem wichtig, weil der Reifenverschleiß in der Formel 2 höher ist als in der Formel 3. Die meiste Zeit habe ich im ersten Sektor liegen lassen, da sehe ich noch Raum für Verbesserungen."
Um die letzten Zehntel aus dem Formel-2-Boliden herauszuquetschen, muss der Deutsche noch mehr Zeit auf der Bremse gutmachen. Im ersten Sektor gibt es "zwei große Bremsphasen", in denen er noch schneller werden kann. "Das ist auch etwas Kopfsache", meint Beckmann. "Ich kann noch etwas mehr aus dem Auto herauskitzeln, indem ich noch etwas später bremse, als ich denke, dass es möglich ist."
Die Bremse die größte Herausforderung
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Die Long-run waren vielversprechend Zoom
"Die größte Umstellung waren die Bremse und der Fahrstil", vergleicht Beckmann die Formel 2 mit der Formel 3. "Mit den Carbonbremsen kann man deutlich später bremsen, aber man muss auch deutlich härter auf das Pedal drücken. Das ist natürlich eine Herausforderung."
"Der Fahrstil spielt eine Rolle, da das Auto deutlich schwerer ist", so der Deutsche weiter. "Mit weichen Reifen hat man viel Grip, da ist es noch ähnlich. Wenn man aber mit den harten Reifen fährt, dann fehlt der Grip von den Reifen. Da merkt man dann, wie schwer und träge das Auto ist."
In diesem Fall sei weniger mehr, erklärt der Charouz-Pilot. Die Autos würden zum Untersteuern tendieren, weshalb gerade in den Bremszonen viel Zeit liegen gelassen werden kann. "Das Fahrzeug untersteuert im Kurveneingang, weil es schwer ist und über die Vorderachse rutscht", sagt er. "Der Fokus liegt deshalb auf dem Kurvenausgang, um eine gute Rundenzeit zu bekommen. Sonst verliert man einfach zu viel Zeit."
Reifen für Beckmann kein Problem
"Es ist eigentlich so, dass die Reifen sich relativ gut aufwärmen", so Beckmann über die Herausforderung, die Pneus ins richtige Arbeitsfenster zu bekommen. "Mit harten Reifen muss man natürlich mehr machen als mit den weichen. Es muss im Rennauto immer viel mit der Bremse gearbeitet werden, um den Reifen aufzuwärmen, weil die Bremse natürlich viel Temperatur abgibt und dadurch die Felge aufheizt."
"Es ist aber eigentlich nicht so schwierig", so das Fazit des 20-Jährigen. "In der Formel 3 mussten wir die Reifen auch sehr stark aufwärmen, aber man kann auch zu viel machen. Deshalb ist das eigentlich nicht so eine große Sache. Dazu muss man aber sagen, dass wir in Bahrain Streckentemperaturen um die 50 Grad Celsius hatten. Das ist natürlich noch etwas anderes als auf einer Strecke, die deutlich kühler ist."
Ein Rennlauf unterscheidet sich aber massiv von Testfahrten. "Im Rennen kommt es immer anders, egal wie viele Long-runs du ausprobierst", sagt er. "Man muss verteidigen oder konnte die Reifen nicht so schonen, wie man wollte." Schon seien die Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Tests nicht mehr ausschlaggebend, weil eine völlig neue Situation entsteht.
Beckmann formuliert Ziele für die Saison 2021
In den vergangenen drei Jahren ist Beckmann in der GP3 und Formel 3 an den Start gegangen. Er kommt auf insgesamt fünf Siege. Jetzt geht es erst einmal darum, sich in der Formel 2 zu akklimatisieren: "GP3 und Formel 3 waren guten Jahre und jetzt kommt der Schritt in die Formel 2, über den ich mich sehr freue. Das ist ein neues Kapitel und noch eine Stufe näher an der Formel 1 dran. Das Auto ist deutlich schneller und einfach etwas Neues, was wirklich schön ist."
"Es ist schwierig, etwas über die Ziele zu sagen", gibt Beckmann zu. "Ich möchte in den ersten Rennen erst einmal eine gewisse Basis aufbauen, mit dem Team, mit dem Auto. Es ergibt keinen Sinn, gleich am Anfang alles zu überstürzen. Ich werde am Anfang sicherlich nicht extrem viele Rennen gewinnen. Es ist durchaus möglich, dass ich ein Rennen gewinne. Es ist alles möglich im Motorsport."
Für realistisch hält Beckmann das aber nicht. Er hat den Plan, ab Saisonhalbzeit regelmäßig um Podiumsplätze und Siege mitzufahren. "Wir haben da Fahrer in den Autos, die schon im zweiten, dritten sogar vierten Jahr sind. Die wissen natürlich alles über die Reifen. Es ist sehr schwierig, eine Platzierung vorauszusagen. Am Ende der Saison ist es dann schon mein Ziel, ein paar Podiumsplatzierungen einzufahren und eine gute Position in der Gesamtwertung zu erzielen."
Beckmann hat den Vorteil, dass er die Ingenieure und Mechaniker bei Charouz bereits gut kennt, da viel Personal von Van Amersfoort im tschechischen Rennstall untergekommen ist. Das Van-Amersfoort-Personal kennt Beckmann noch aus seiner Zeit in der Formel-3-Europameisterschaft.
"Ich kenne die Leute da schon relativ gut", sagt er. "Ich fühlt sich deshalb so an, als wäre ich schon etwas länger im Team, weil ich die Menschen von Van Amersfoort aus der Formel 3 kenne. Es war deshalb keine große Umstellung für mich."
Beckmann nimmt sein Glück selbst in die Hand
Beckmann blickt bereits in die Zukunft und wägt die Optionen ab, die für ihn in Frage kommen. In seiner Karriere verlässt er sich auf einen Manager, trifft aber auch viele Entscheidungen selbstständig. "Ich habe in den vergangenen Jahren viel Erfahrung gesammelt, was Teams angeht. Ich wollte bei Charouz fahren, obwohl ich auch andere Angebote hatte, aber ich sehe Charouz als beste Möglichkeit an."
"Deshalb manage ich meine Karriere relativ eigenständig, was ich auch gut finde", sagt er. Beckmann sieht in Zukunft einen anderen Weg für den richtigen an. "Im professionellen Motorsport muss man dann aber auch irgendwann auf andere Leute hören, die vielleicht noch mehr Erfahrung haben und einfach eine bessere Beratung geben können. Im Moment ist das noch nicht der Fall, weil ich noch in den Juniorklassen unterwegs bin."
Doch wohin könnte es Beckmann ziehen, wenn der schwierige Weg in die Königsklasse scheitert? "Die Formel E oder die neue LMDh-Klasse sind für mich interessant", so Beckmann. "Es geht einfach um Serien, in denen das Fahrerlevel sehr hoch ist. Das ist mein Ziel und im Sport möchte jeder Fahrer natürlich zeigen, dass er der Beste ist. Man fühlt sich erst so richtig wohl, wenn man Fahrer schlägt, von denen man weiß, dass sie richtig gut sind."
"Gegen Lando Norris, der in der Formel 1 ist, oder Robert Schwartzman, der bei Prema in der Formel 2 startet, bin ich schon gefahren", erinnert sich Beckmann. "Wieder gegen Schwartzman zu fahren, ist toll, weil es in der Formel 4 ein richtig harter Kampf war. Wir wurden nur durch einen Punkt getrennt. Es ist schön, gegen Fahrer zu fahren, mit denen man damals schon zusammen auf der Strecke war."
"Ich möchte in einem harten Konkurrenzkampf stehen", so das klare Ziel des Iserlohners für seine Zukunft. "In der Formel E sind richtig gute Fahrer dabei. Mal schauen, was aus der DTM wird. Es gibt da natürlich noch andere Möglichkeiten. Aber darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken. Jetzt konzentriere ich mich auf die Formel 2 und danach können wir schauen, wohin die Reise hingeht."
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