Wie Adrian Newey den Tod Ayrton Sennas verarbeitete
Stardesigner Adrian Newey blickt auf den schwärzesten Tag seiner Formel-1-Karriere zurück und spricht über Schuldgefühle und Rücktrittsgedanken
(Motorsport-Total.com) - Seit mehr als 25 Jahren ist Adrian Newey in der Formel 1 tätig und zählt mittlerweile zu den erfolgreichsten Konstrukteuren, die die Königsklasse kennt. Doch 1994, als Ayrton Senna beim Großen Preis von San Marino tödlich verunglückte, stand seine Karriere auf der Kippe. Newey war zu dieser Zeit Chefdesigner bei Sennas Rennstall Williams und blickt bis heute mit viel Wehmut auf diese Zeit zurück.
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Adrian Newey dachte nach dem tödlichen Unfall Sennas über Rücktritt nach Zoom
"Die unmittelbaren Tage und Wochen danach waren die schwierigsten", gibt Newey im Interview mit 'Sky Sports F1' zu. Auch wenn der Unfall bereits 23 Jahre zurückliegt, wirke das Geschehene noch heute "sehr direkt und roh", wenn er darüber spreche. "Es ist verrückt, aber bis zu jenem Tag hatte ich nie darüber nachgedacht, dass sich ein Fahrer in einem von mir designten Auto verletzen oder ums Leben kommen könnte. Und dann passierte es plötzlich."
Senna führte den Grand Prix in Runde 7 an, als er in der Tamburello-Kurve von der Fahrbahn abkam und geradeaus in die Begrenzungsmauer schoss. Der Brasilianer starb aufgrund schwerster Kopfverletzungen. Als mögliche Ursache für den Unfall wurde schnell ein Bruch der Lenkung ausgemacht. An der Lenksäule hatte Williams kurz zuvor noch gearbeitet, nachdem sich Senna wiederholt über die Position des Lenkrads beschwert hatte.
Newey sieht Mitverantwortung, aber keine Schuld
Onboard-Aufnahmen des nachfolgenden Autos von Michael Schumacher machten jedoch deutlich, dass Sennas Wagen zuerst übersteuerte: "Das Heck brach aus, schwang herum und dann ging es geradeaus", erinnert sich Newey. Ob die Lenksäule vor dem Aufprall oder erst durch diesen brach, sei nicht eindeutig zu klären. "Was den Unfall wirklich verursacht hat, werden wir womöglich nie erfahren", glaubt der Brite.
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Formel-1-Legende Ayrton Senna starb 1994 im Alter von nur 34 Jahren Zoom
Eine Mitverantwortung für das Unglück gibt er sich dennoch. In seinem Ende 2017 veröffentlichten Buch "How To Build A Car" gesteht Newey: "Ich werde immer ein gewisses Maß an Verantwortung für Ayrtons Tod empfinden, aber keine Schuld." Nicht nur die Umbauten an der Lenkung hätten so nicht auf die Strecke gehen sollen, schreibt er. Vor allem die Aerodynamik des Autos sei nicht gut gewesen.
"Ich habe den Wechsel vom aktiven Fahrwerk zurück zum passiven vermasselt und ein Auto entworfen, dass aerodynamisch instabil war", erklärt der Chefdesigner. "Ayrton hat versucht, mit dem Auto Dinge zu tun, zu denen es nicht in der Lage war. Ob er damals einen Plattfuß hatte oder die holprigere Innenlinie nahm, in einem solchen Auto war das selbst für einen Fahrer mit seinen Fähigkeiten schwer unter Kontrolle zu halten."
"Was auch immer es war, Ayrton hatte diese Aura"
Gedanken wie diese verfolgen Newey bis heute - und ließen ihn 1994 auch sich und seinen Job hinterfragen. "Wenn man in einer solchen Situation ist und seine eigene Beteiligung nicht in Frage stellt, dann ist man ein Idiot. Schließlich kann so etwas immer wieder passieren", erzählt er im Gespräch mit 'Sky Sports F1'. "Wir beide, Patrick (Head, Co-Gründer von Williams; Anm. d. R.) und ich, haben diesen inneren Kampf jeder für sich geführt."
Für Newey sei schnell klar gewesen, dass er seine Berufung nicht aufgeben werde: "Das war mein Leben. Es ist das, was ich schon immer tun wollte, und ich hatte das Glück, es letztendlich auch tun zu dürfen. Einfach war es aber nicht. Es erforderte ein Insichgehen. " Von dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung wurde Newey in einem späteren Gerichtsverfahren freigesprochen. Ende 1996 verließ er Williams und stieß im Folgejahr zu McLaren.
Über Senna spricht der Brite bis heute mit größter Bewunderung. "Ayrton war ein großartiger Mann. Die Leute sprechen oft davon, dass jemand eine Aura besitzt. Das ist schwer zu beschreiben. Ist sie bedingt durch das, was jemand erreicht, oder die Persönlichkeit? Was auch immer es war, Ayrton hatte diese Aura. Seine Begeisterung, Neugier und Energie waren überschwänglich", schwärmt Newey.
"Die kurze Zeit, die ich mit Ayrton verbringen durfte, war sehr einprägsam. Ich denke immer noch, wenn das an diesem Tag nicht passiert wäre, wäre er jetzt vielleicht Präsident von Brasilien", so Newey weiter. Der 59-Jährige selbst ist bis heute als Designer tätig, aktuell in beratender Funktion bei Red Bull. In seinen Jahren mit Williams, McLaren und Red Bull konnte er zehn Fahrer- und zehn Konstrukteurs-Weltmeistertitel feiern.
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