Warum Red Bull beim Wettbieten um Dan Fallows & Co. nicht mitziehen kann
Das Beispiel Dan Fallows zeigt, wie schwierig es für Red Bull geworden ist, die besten Techniker aus der zweiten Reihe des Formel-1-Teams zu halten
(Motorsport-Total.com) - Red Bull ist das derzeit erfolgreichste Team der Formel 1, und so verwundert es nicht, dass die Konkurrenz den Ingenieuren und Masterminds in Milton Keynes finanziell lukrative Angebote macht, um sie und ihr Wissen abzuwerben. Dan Fallows, von 2014 bis 2021 Leiter der Aerodynamikabteilung bei Red Bull, hat das reich gemacht.
© Aston Martin
Dan Fallows hat von Aston Martin offenbar auch ein Aktienpaket erhalten Zoom
"Ich habe gehört, dass [Aston Martin] das Gehalt von Dan Fallows vervierfacht hat, und dazu soll er auch noch einen Aktienanteil erhalten haben", sagt 'Sky'-Experte Nico Rosberg. "Die Teams wollen es wissen und werben die besten Leute von Red Bull ab. Das ist ganz normal in der Formel 1, das passiert immer."
Auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com' bestätigt Aston Martin allerdings nicht, dass Fallows Aktien des Sportwagenherstellers Aston Martin Lagonda erhalten hat: Das Team "betrachtet alle Angelegenheiten in Bezug auf Mitarbeiter und Anteilseigner als vertraulich, und wir respektieren die Privatsphäre dieser Parteien", heißt es.
Nachforschungen haben allerdings ergeben: Fallows verdient als Technischer Direktor von Aston Martin ein Gehalt, das jenseits einer Million Euro Jahresgage liegen soll - also ein mutmaßlich sechsstelliges Monatsgehalt. Und er soll auch Aktien an Aston Martin Lagonda erhalten haben.
Ein Kenner der Branche meint süffisant: "So viele Aktien, wie Lawrence Stroll an seine leitenden Mitarbeiter wie Martin Whitmarsh und Dan Fallows verschenkt, frage ich mich, ob er selbst überhaupt noch welche hat."
Red Bull: Opfer des eigenen Erfolgs?
Fallows ist nicht der einzige hochrangige Mitarbeiter, den Red Bull an die Konkurrenz verloren hat. Kürzlich wurde auch Rob Marshall, lange Jahre Chefdesigner und zuletzt Chefingenieur, von McLaren abgeworben. Eine von vielen unterschätzte Personalie: Marshall gilt als einer der Masterminds hinter dem legendären Schwingungstilger (Massedämpfer), der Fernando Alonso und Renault 2005/06 zu Weltmeistern gemacht hat.
Red Bull wird in Personalfragen gerade Opfer des eigenen Erfolgs. Teams, die nach vorn kommen wollen und sich das leisten können, suchen nach den besten Technikern, und finden diese im besten Team. Dazu kommt, dass sich Red Bull am Wettbieten um Leute wie Fallows oder Marshall nicht beteiligen kann. Dem steht die Budgetobergrenze entgegen.
Denn: Die Gehälter der beiden Fahrer und der drei bestbezahlten Mitarbeiter fallen nicht ins Cap. Bei Red Bull sind das (mutmaßlich) Teamchef Christian Horner, CTO Adrian Newey und der Technische Direktor Pierre Waché.
Wenn jetzt ein kleineres Team wie Aston Martin jemanden wie Dan Fallows abwerben möchte und dafür astronomische Gehälter bietet, kann Red Bull sich nicht am Wettbieten beteiligen. Jedes Team kann sich drei Großverdiener leisten. Alle anderen Gehaltserhöhungen wirken sich negativ auf die Performance aus, weil dann weniger Geld für die Weiterentwicklung verbraucht werden kann.
Teams wie Aston Martin oder McLaren, deren technisches Management noch nicht mit prominenten Topverdienern wie Adrian Newey oder Dan Fallows ausstaffiert ist, können also den Red-Bull-Ingenieuren aus der zweiten Reihe Angebote machen, die finanziell ungemein lukrativ sind. Weil Fallows bei Aston Martin oder Marshall bei McLaren als einer der drei Topverdiener nicht vom Cap umfasst werden.
Konkurrenz bietet astronomische Gehälter für Red-Bull-Ingenieure
Es sei schwieriger geworden, Mitarbeiter zu halten, räumt Teamchef Christian Horner ein: "Du kannst nicht mehr alle mitnehmen. Jeder muss sich seinen Platz innerhalb des Caps verdienen." Und er meint augenzwinkernd: "Das Gehalt, das McLaren für Rob geboten hat, frisst wahrscheinlich die Hälfte ihres Caps auf. Da kann man ihm nicht übelnehmen, dass er da hingeht."
"Das Problem ist: Man hat langjähriges Personal, die einen signifikanten Beitrag geleistet haben, und die will man nicht ziehen lassen. Aber auf der anderen Seite kriegst du um die gleichen Kosten zehn junge Leute. Das ist das konstante Abwägen, mit dem wir uns in dieser Situation jetzt auseinandersetzen müssen."
Fallows und Marshall waren nicht die einzigen Top-Level-Mitarbeiter, die Red Bull zuletzt verloren hat. Mercedes hat zum Beispiel die langjährige Personalchefin Jayne Poole abgeworben. Die soll als eine ihrer ersten Amtshandlungen versucht haben, Adrian Newey, einen ihrer engsten Vertrauten bei Red Bull, zu Mercedes zu holen. Was der allerdings abgelehnt hat.
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Jayne Poole (rechts) war jahrelang eine der wichtigsten Mitarbeiterinnen von Christian Horner Zoom
Die Budgetobergrenze hat das Personalmanagement in der Formel 1 verändert. Während es für einen Großteil der Mitarbeiter schwieriger geworden ist, Gehaltserhöhungen durchzusetzen, weil höhere Personalkosten negativ für die technische Weiterentwicklung der Teams sind, werden für die drei Topverdiener, die von der Budgetgrenze ausgeklammert sind, teilweise astronomische Summen geboten.
Poole sei so ein Fall, erklärt Horner: "Wir mussten uns von ihr trennen, weil wir ihre Rolle innerhalb der Budgetobergrenze nicht mehr rechtfertigen konnten." Sprich: Das Angebot zu matchen, das Mercedes gemacht hat, hätte Red Bull zu viel Geld gekostet, das an anderer Stelle fehlen würde.
Übrigens: Marshalls Wechsel zu McLaren tut Red Bull wahrscheinlich nicht so weh wie der von Fallows zu Aston Martin. Marshall hatte zuletzt in erster Linie mit Projekten abseits des Formel-1-Tagesgeschäfts zu tun, war zum Beispiel mit dem Aufbau von Red Bull Powertrains beschäftigt. Dort waren seine Aufgaben aber abgeschlossen, weshalb sich Red Bull bei seinem Wechsel kooperativ gezeigt hat.
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