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Trulli: "Trage noch Leidenschaft in mir"
Interview mit Jarno Trulli: Warum er Lotus dem Ende seiner Karriere vorgezogen hat und warum Mike Gascoyne so wichtig für ihn ist
(Motorsport-Total.com) - Jahrelang galt Jarno Trulli als einer der besten Qualifyer der Formel 1, doch seit seinem Wechsel von Toyota zu Lotus fährt der Monte-Carlo-Sieger von 2004 dem Feld nur noch hinterher. Allerdings will er drei Jahre bei Lotus bleiben und mit dem Team vorankommen. Im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht er über sein Leben als Grand-Prix-Hinterbänkler.
© Lotus
Trotz seiner 35 Jahre ist Jarno Trulli immer noch hungrig nach der Formel 1
Frage: "Jarno, du hast von einem der größten Formel-1-Teams zu einem überaus kleinen Rennstall gewechselt. War das eine Umstellung für dich?"
Jarno Trulli: "Das ist schon ein großer Schritt und zugleich auch eine große Herausforderung. Viele Leute fragen mich, weshalb ich das gemacht habe. Na klar muss ich Geld verdienen, doch ich tue es auch, weil ich noch immer eine gewisse Leidenschaft in mir trage."#w1#
Hauptsache Formel 1
"Außerdem habe ich im vergangenen Jahr einige Überlegungen angestellt. Für mich ändert es nichts, wenn ich für ein Team fahre, mit dem ich einen oder zwei Punkte abstauben kann. Ich habe in der Vergangenheit bewiesen, dass ich ein Auto auf die Pole-Position stellen, konstant auf das Podium fahren und auch Rennen gewinnen kann. Das Problem ist nur: Es gibt nicht viele Teams, welche dir eine solche Chance eröffnen können. Andererseits musst du auch Ausschau halten nach weiteren Herausforderungen."
"Bei Lotus habe ich eine großartige Herausforderung gefunden. Nach einer so langen Formel-1-Abstinenz braucht dieses Team eine Person, die ihnen eine Richtung vorgibt und ihnen dabei hilft, ihre Situation zu verbessern. Diese Aufgabe ist umso größer, weil die Leute anfangs nicht allzu viel von diesem Projekt gehalten haben. Mehr und mehr avancieren wir allerdings zu einer festen Größe im Fahrerlager. Das ist ein großes Vergnügen für mich - auch wenn ich weiß, dass noch sehr viel Arbeit vor uns liegt."
Frage: "Wie viel Arbeit müsste ihr noch investieren, um das Ehrenpünktchen abzustauben?"
Trulli: "Ich habe meine Zweifel, dass wir 2010 in die Punkte fahren können. Es sei denn, es gibt einmal einen dieser total verrückten Grand Prix'. Als wir die Saison begonnen haben, war uns allen klar, dass es schier unmöglich sein würde, einen WM-Zähler zu holen. Das war uns klar und das kann niemand abstreiten."
"Für uns ging es darum, Verbesserungen an den Tag zu legen. Das haben wir geschafft. Außerdem wollten wir zeigen, dass wir in einer anderen Liga spielen als die weiteren neuen Rennställe. Ich denke, das ist ziemlich deutlich, wenn wir uns die Arbeitsweise, die Leistung, die Geschwindigkeit und diese Dinge anschauen. Ich denke, wir sind ein richtiges Formel-1-Team."
Langfristiges Projekt
"Die Wahrheit ist aber: Diese Jungs hatten nicht die Zeit, um ein Formel-1-Auto zu entwerfen. Sie haben links und rechts einige Teile hingebaut, nur damit wir auf die Strecke gehen konnten. Wir haben noch so einige Probleme, die wir lösen müssen, doch das ist uns wohlbekannt. Es besteht aber keine Notwendigkeit, all das schon jetzt anzugehen, wo wir uns doch gerade den etablierten Rennställen nähern. Wir haben gezeigt, dass es uns ernst ist. Jetzt ist es an der Zeit, an das kommende Jahr zu denken."
Frage: "Hat das Team bereits mit der Entwicklung des neuen Wagens begonnen?"
Trulli: "Ich denke, sie warten auf die Verabschiedung der neuen Regeln, damit sie eine Arbeitsgrundlage haben. Wenn du keine vorgegebene Richtung hast, wird es halt schwierig. Wir wissen, wo wir uns steigern müssen, doch bevor du das technisch umsetzen kannst, solltest du die Rahmenbedingungen kennen."
Frage: "Wenn Mike Gascoyne dich um eine Liste mit drei Verbesserungswünschen bitten würde, was würdest du auf deine Liste setzen?"
Trulli: "Ich denke, er weiß sehr gut Bescheid, was wir brauchen. Es gibt einige Bereiche, in denen es wirklich fehlt. Manchem können wir uns in diesem Jahr aber einfach nicht widmen, weil es nicht in unseren Händen liegt. Es gibt einige Bauteile am Auto, die nicht von uns entworfen wurden. Damit müssen wir klarkommen."
Frage: "Wie wäre es zum Beispiel mit einem Renault-Motor im Heck deines Lotus'? Ayrton Senna hat seinerzeit mit einem Lotus-Renault gewonnen..."
Trulli: "Mit solchen Entscheidungen habe ich nichts am Hut. Ich weiß nicht, welchen Kurs das Team dahingehend verfolgen wird."
Auch nächstes Jahr am Start
Frage: "Wie ist es um deine Vertragssituation bestellt? Bist du auch 2011 für Lotus am Start?"
Trulli: "Ja."
Frage: "Welche Laufzeit hat dein Vertrag?"
Frage: "Drei Jahre. Wir haben einen klaren Deal. Ich habe Tony klargemacht, dass ich Fortschritte sehen will. Ich bin nicht hier, um nichts zu tun. Wenn ich keine Fortschritte erkennen kann, dann will ich auch nicht bleiben."
Frage: "Mit Mike hast du bereits bei Jordan und auch bei Toyota zusammen gearbeitet. Das war sicherlich eine große Hilfe dabei, den Vertrag bei Lotus zu bekommen und die Beziehung aufrecht zu erhalten..."
Trulli: "Es ist nicht die Aufgabe von Mike, über die Verträge zu entscheiden. Normalerweise kümmert sich Tony um die Mehrheit dieser Dinge. Mike ist mehr für die technischen Belange zuständig."
"Dass Mike an Bord war, ist mir allerdings überaus wichtig gewesen. Mir war klar, dass er viele erfahrene Leute ins Team holen würde. Jetzt haben wir eine gute Mannschaft beisammen. Am Anfang hatten wir niemanden. Das war mir aber von Anfang an klar. Man legte mir die Pläne vor uns sagte mir: 'Wir machen das so, so, so und so. Entweder du bist dabei oder nicht. Überlege es dir einfach.' Dass 2010 schwierig werden würde, war logisch. Wir hatten alle möglichen Probleme, doch ich bin noch immer sehr positiv gestimmt."
Leidenschaft als Schlüsselelement
"In diesem Jahr geht es vorrangig um Leidenschaft. Ohne Leidenschaft kannst du nicht sagen, wie schnell du wirklich bist. Natürlich muss ich das Auto ins Ziel bringen und versuchen, Fortschritte auf der Strecke zu machen. Meine Hauptaufgabe aber ist es, Mike eine Richtung vorzugeben und ihn auf mögliche Fehler hinzuweisen. Im vergangenen Jahr bin ich ein konkurrenzfähiges Auto gefahren. Ich weiß also genau, was wir brauchen - auch im Hinblick auf 2011. Auch Mike weiß das. Er ist klug genug um zu erkennen, welchen Weg er einschlagen muss."
© Lotus
Mit Lotus hat Jarno Trulli derzeit keine realistische Chance auf Topergebnisse Zoom
Frage: "Gibt es etwas, das du hinzufügen möchtest?"
Trulli: "Ich hatte keinen besonders guten Saisonstart. Ich hatte viel Pech. Ich werde aber nicht aufgeben. Ich bin immer mit Feuereifer bei der Sache. 2010 ist ein Übergangsjahr für mich. Ich denke bereits an das kommende Jahr. Dann werde ich ein Auto haben, mit dem ich zumindest die Chance habe, um in Q2 vorzudringen. Vielleicht ist dann auch Q3 drin."
Frage: "Glaubst du, der Cosworth-Motor wird da mitspielen und euch dabei helfen?"
Trulli: "Das kann ich nur schwer kommentieren, denn man liest ja so allerlei über Renault und Mercedes. Über Gerüchte und Spekulationen kann man sich ja stundenlang unterhalten..."
Frage: "Würde euch der Cosworth-Motor im kommenden Jahr gut zu Gesicht stehen? Ist das nicht ein Bereich, an dem ihr im Augenblick zu knabbern habt?"
Trulli: "Unser Ziel ist natürlich, so gut wie Williams zu sein. Im Vergleich zu meinem letztjährigen Motor gibt es nichts, auf das man neidisch sein müsste. Der Toyota-Motor von 2009 war ähnlich wie der Cosworth-Motor 2010."