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Rassismusdebatte in der F1: Ein Totalversagen der Medien
Chefredakteur Christian Nimmervoll über die Art und Weise, wie die Formel 1 und insbesondere die Medien einer guten Sache gerade bestmöglich schaden
Liebe Leser/-innen,
© Motorsport Images
Manche knien, manche nicht: Darüber wird in der Formel 1 heiß debattiert ... Zoom
ich bin zwar nicht der Meinung, dass Politik etwas auf einer Motorsport-Plattform verloren hat. Aber heute müssen wir uns mal über etwas anderes als das Rennfahren unterhalten. Und zwar über die Art und Weise, wie die Rassismusdebatte in der Formel 1 derzeit geführt wird. Denn das ist, das müssen wir leider zugeben, eine totale Bankrotterklärung der berichtenden Presse.
Mir ist enorm wichtig, bei diesem Thema nicht falsch verstanden zu werden. Ich bekenne mich zu einem liberalen Weltbild und ich stehe hundertprozentig hinter den Botschaften, die Lewis Hamilton und seine Fahrerkollegen propagieren.
"Black Lives Matter" und "End Racism" sollten im 21. Jahrhundert eigentlich keine notwendigen Kampagnen mehr sein. Traurige Tatsache ist aber: Sie sind es.
Wir sollten wieder mehr über Sport reden!
Und trotzdem kann es nicht sein, dass die Medien in einer Saison, in der die Fans monatelang auf die ersten Rennen warten mussten, kein anderes Thema mehr kennen. Wenn Hamilton nach seinem Sieg beim Grand Prix von Ungarn nur zwei Fragen zum Rennen gestellt bekommt und sich alle anderen Fragen nur darum drehen, wer jetzt aufs Knie gegangen ist und wer nicht und warum nicht, dann stimmt etwas nicht mit der Formel 1.
Ich lege großen Wert auf die Feststellung: Über das Thema Rassismus und wie er zu verdrängen ist, kann gar nicht genug geredet werden. Aber das Problem ist: Darüber wird eben gerade nicht geredet.
Die Diskussion in der Formel 1 dreht sich nicht darum, die Fans mit sinnvollen, möglicherweise sogar lehrreichen und bildenden Botschaften zu erreichen, ihnen zu vermitteln, was Rassismus im Alltag bedeutet und wie ihn jemand wie Lewis Hamilton in seinem Leben erfahren hat.
Das ist für viele Formel-1-Fans gar nicht einfach zu verstehen, und das kann man ihnen auch nicht übelnehmen. Ich selbst bin weiß. Ich bin Mann. Ich konnte mir meine Ausbildung aussuchen und mich für einen selbstbestimmten Weg im Leben entscheiden. Das ist (leider) keine Selbstverständlichkeit in dieser Welt. Darüber sollten wir reden.
Stattdessen dreht sich die Diskussion nur noch darum, wer aufs Knie gegangen ist, wer welches T-Shirt trägt, wie schlecht die Aktionen der Formel-1-Fahrer organisiert sind und wer daran schuld ist.
Das trägt die Sache keinen Zentimeter weiter, sondern schadet ihr. Weil sich die Menschen, und das sehen wir an den Kommentaren auf unseren Social-Media-Channels, genervt von dem Thema abwenden und verwechseln, dass nicht die Debatte an sich überflüssig ist, sondern die Art und Weise, wie sie geführt wird.
Das ist nicht die Schuld von Lewis Hamilton. Er kämpft für eine gute Sache, und ich finde es toll, dass endlich ein Fahrer den Mut hat, sich gesellschaftspolitisch zu positionieren und klare Kante zu zeigen, auch wenn es dagegen große Widerstände gibt.
Fahrer machen den Mund auf: Bravo!
Wer die Herren Formel-1-Stars während des Arabischen Frühlings kritisiert hat, weil sie nicht die Eier hatten, Kritik an einem Grand Prix in Bahrain zu üben, der darf sich jetzt nicht über Lewis Hamilton beschweren.
Ja, es interessiert mich, in welchen Situationen Lewis Hamilton schon Rassismus erfahren hat, und es interessiert mich, was er dagegen unternehmen würde. Aber darüber reden wir leider nicht.
Und nein, es interessiert mich nicht, ob ihn die TV-Kamera bei seinem Protest perfekt eingefangen hat oder nicht, und wer am nächsten Grid zu knien gedenkt und wer wann mit wem telefoniert hat, um das Knien zu regeln und die T-Shirts zu organisieren.
Ich bin sicher, dass keiner der Fahrer ein Rassist ist, egal ob er nun auf die Knie gegangen ist oder nicht.
Den Fahrern können wir den Vorwurf also nicht machen. Die beantworten nur unsere Fragen. Und ich bin zutiefst beeindruckt, mit welcher Geduld sie das tun. Wäre ich einer von ihnen, wäre mir längst der Geduldsfaden geplatzt.
Die Art und Weise, wie diese Debatte in der Formel 1 gerade geführt wird, ist ein Totalversagen von uns Medien.
Dabei wäre es gar nicht so schwierig, wieder in die richtige Spur zu finden. Wir könnten wieder mehr über den Sport reden. Oder über Rassismus und was wir dagegen unternehmen sollten. Und nicht eitle Blasen-Debatten über belanglose Details führen, die außerhalb des Formel-1-Paddocks in Wahrheit niemanden interessieren.
Ihr
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