Druck standgehalten: Rosberg schlägt Hamilton in Brasilien
Nico Rosberg kann doch noch gewinnen: Sieg in Sao Paulo nach elektrisierendem Kampf gegen Lewis Hamilton - Brasilianer feiern dritten Platz von Felipe Massa
(Motorsport-Total.com) - Nach fünf Siegen von Lewis Hamilton schlägt Nico Rosberg zurück: Der Deutsche gewann bei strahlend sonnigen Bedingungen in Sao Paulo den Grand Prix von Brasilien und verkürzte damit seinen Rückstand vor dem Formel-1-Saisonfinale 2014 in Abu Dhabi auf 17 Punkte. Hamilton war zwar über weite Strecke des Rennens der schnellere Mercedes-Pilot, scheiterte aber letztendlich an sich selbst.
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Nico Rosberg und sein Chefmechaniker jubeln mit Lewis Hamilton und Felipe Massa Zoom
Rosberg gewann den Start und wirkte im ersten Stint auf den weichen Reifen, die extrem schnell abbauten, souverän. Auf die Medium-Pneus wechselte er eine Runde vor seinem Teamkollegen - aber der zog nach dem Boxenstopp das Tempo an. Als Rosberg zum zweiten Mal an die Box kam (Hamilton blieb diesmal länger draußen), sah alles nach einem Führungswechsel aus - aber Hamilton riskierte in jener wichtigen Phase zu viel und drehte sich von der Strecke.
"Sorry, Jungs. Ich habe das Heck verloren", entschuldigte er sich am Boxenfunk und nahm den Fehler auf seine Kappe. Sportchef Toto Wolff nimmt Hamilton in Schutz: "Er ist Sektorenbestzeiten gefahren, aber es war dann um einen Ticken zu viel Risiko. Er hat das Auto verloren und konnte es nicht mehr abfangen. Er hat ein bisschen Übersteuern bekommen, und der Reifen war so hinüber, dass es nicht mehr ging", so der Österreicher.
"Natürlich ist man enttäuscht, wenn man einen Fehler macht", räumt Hamilton ein und sucht nach Erklärungen für seinen Fahrfehler: "Wenn man mir sagt 'push', dann kommt man normalerweise in dieser Runde rein und gibt nochmal alles, was ich getan habe. Aber ich bin nicht reingekommen, das hat mich überrascht. Nach der einen Runde waren meine Hinterreifen total am Ende. Aber das ist kein großes Problem. Ich habe einen Fehler gemacht."
Gleichzeitig steht für ihn fest: "Ich war heute eindeutig der Schnellste. So gesehen haben wir Punkte verloren." Dass Hamilton schneller fahren konnte als Rosberg, bewies er in der zweiten Rennhälfte: Aus 7,4 Sekunden Rückstand in der 30. Runde machte er 0,5 in der 53. Auch Rosberg blieb nicht ganz fehlerlos, leistete sich den einen oder anderen Verbremser im Infield - Gift für die Reifen in einem Rennen, in dem die Pirellis am Limit waren.
"Dein Teamkollege macht ziemlich Druck", wurde Rosberg erinnert, als er noch sechs Sekunden Vorsprung hatte. Kurios: Wenig später bat der Deutsche darum, ihm den Zeitabstand nicht so oft durchzugeben. "Er wollte sich nicht nervös machen lassen", vermutet Formel-1-Experte Marc Surer. Hamilton pushte bis zum Schluss, konnte aber keine ernsthafte Attacke mehr reiten - und war ebenfalls am Limit: "Der rechte Hinterreifen wird heiß", warnte sein Renningenieur.
Der Brite war im Senna-S nie nahe genug an Rosberg dran, um ihn zu überholen, obwohl er im ersten Sektor stets schneller fahren konnte - auch dank DRS. Aber der in Führung liegende Deutsche fuhr im zweiten Sektor das bessere Tempo und geriet so nie ernsthaft in Gefahr. Nur einmal scherte Hamilton aus dem Windschatten aus, um sich mal im Rückspiegel zu zeigen, ritt aber keine ernsthafte Attacke. Am Ende lagen die beiden durch 1,4 Sekunden getrennt.
Spannend war der Grand Prix von Brasilien bis zur letzten Kurve: "Lewis ist sogar im ersten Sektor der letzten Runde noch Bestzeit gefahren. Er wollte es wirklich wissen und Nico in einen Fehler treiben, aber den Gefallen hat ihm Nico nicht getan", analysiert Surer. Rosberg selbst bewertet das elektrisierende Duell gelassen: "Lewis war die ganze Zeit hinter mir, und ich habe dann versucht, so viel zu pushen, dass er außerhalb der Gefahrenzone ist."
"Dann musste ich halt schauen, dass ich keinen Fehler mache", fährt er fort. "Ich habe von Austin gelernt und mich in der Hinsicht verbessert. Das freut mich. In Austin habe ich es versäumt, nochmal Druck zu machen, damit er nicht nahe genug rankommt. Das habe ich heute geschafft. Jetzt kann es ruhig so weitergehen. Ich habe mich das ganze Wochenende über im Auto wohlgefühlt. Ich konnte attackieren, das Auto war gut balanciert. Dann macht es umso mehr Spaß."
Den lautesten Jubel erntete aber keiner der beiden Titelanwärter, sondern Lokalmatador Felipe Massa für seinen dritten Platz. Massa kassierte zwar eine Fünf-Sekunden-Strafe für Geschwindigkeitsüberschreitung in der Boxengasse, sicherte seinen dritten Platz jedoch ab, als Teamkollege Valtteri Bottas beim Reifenwechsel viel Zeit verlor, weil die Williams-Mechaniker seinen Sicherheitsgurt festzurren mussten. Der Finne kam letztendlich nur als Zehnter ins Ziel.
Massa, vollgepumpt mit Emotionen, erlebte einen turbulenten Nachmittag mit Riesenjubel bei jedem Überholmanöver, etwa gegen Daniil Kwjat (Toro Rosso, auf harten Reifen gestartet) oder später Nico Hülkenberg (Force India). In der fünften Runde kam er als erster Topfahrer an die Box und drehte anschließend die schnellsten Runden. Nerven zeigte er aber, als er die McLaren-Box ansteuerte, wo er von den irritierten Mechanikern zu Williams durchgewunken wurde.
"Ich bin so glücklich über dieses Rennen", jubelt der Brasilianer. "Ich habe so viele Fehler gemacht. Ich hatte auch die Fünf-Sekunden-Strafe, aber das Auto war fantastisch." Vierter wurde Jenson Button (McLaren), 48,6 Sekunden hinter dem Sieger und 7,6 Sekunden hinter Massa. Der Brite behielt im szenenweise spektakulären Dreikampf gegen Sebastian Vettel (Red Bull) und Fernando Alonso (Ferrari) die Oberhand.
Letzterer musste in der Schlussphase seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen (einzige Zweistoppstrategie im Feld) überholen, um Sechster zu werden - und tat sich dabei erstaunlich schwer, obwohl er die um 17 Runden frischeren Reifen hatte. Das Überholmanöver selbst war dank DRS problemlos. Vielleicht hätte Räikkönen das Stallduell sogar gewonnen, wenn er nicht beim Boxenstopp ein paar Sekunden verloren hätte, weil sein Ferrari vom Wagenheber rutschte.
Vettel setzte in der Schlussphase ein Highlight, als er das sehenswerte Duell zwischen Button und Räikkönen beobachtete und eiskalt außen an Räikkönen vorbeiging, als ihm dieser die Chance dazu gab. Dafür hatte er sich schon in der ersten Runde von zwei Gegnern, darunter auch Teamkollege Daniel Ricciardo, überraschen lassen. Ricciardo schied später mit einer gebrochenen Radaufhängung aus, war aber ohnehin nie in der Nähe der Podestplätze.
"In Kurve 4 habe ich die Tür ein bisschen weit offen gelassen", gibt Vettel zu, "weil ich nicht wusste, wie aggressiv Kevin sein wird. Es war ein bisschen zu viel, ich kam ein bisschen auf die schmutzige Seite und habe das Auto am Kurvenausgang ein bisschen verloren. So habe ich zwei Plätze verloren, die wir dann über das Rennen wieder gutmachen konnten. Ich denke, das war heute das Maximum. Schade, dass es nicht ganz zum vierten Platz gereicht hat."
Hülkenberg, einer von vier auf den härteren Reifen gestarteten Fahrern, führte den Grand Prix kurzzeitig sogar an, als die Spitze zum ersten Boxenstopp kam, und setzte ein Highlight, als er im Senna-S Bottas überholte, der daraufhin von der Strecke rutschte und auch noch Räikkönen durchlassen musste. Schlussendlich sicherte sich Hülkenberg den achten Platz, nur 0,2 Sekunden hinter Räikkönen, auf den er in der letzten Runde eineinhalb Sekunden aufholte.
Kevin Magnussen (McLaren) und Bottas rundeten die Top 10 ab; Kwjat schrammte um 0,6 Sekunden an einem WM-Punkt vorbei. Adrian Sutil (Sauber), nach Wechsel von Turbolader und MGU-K aus der Boxengasse gestartet, wurde 16. und Letzter. Einige Sekunden verlor er, als beim Boxenstopp das rechte Hinterrad klemmte. Romain Grosjean (Lotus) erlebte indes ein Deja-vu von 2013: Genau wie vor einem Jahr verrauchte sein Antrieb in einer riesigen Wolke.
In der Weltmeisterschaft ist die Rechnung vor dem Showdown in "Abu Double" einfach: Rosberg wird Champion, wenn er gewinnt und Hamilton nicht Zweiter wird. Sollte Hamilton ausscheiden, reicht ein fünfter Platz. Spannend ist auch der Kampf um Platz vier zwischen Vettel (159 Punkte), Alonso (157) und Bottas (156). Bei den Konstrukteuren sind Platz eins (Mercedes) und zwei (Red Bull) rechnerisch vergeben, Platz drei (Williams) so gut wie sicher auch.