• 14.11.2014 19:29

  • von Dennis Hamann

Mercedes: Wer krönt die Saison der Rekorde?

Bei Mercedes stellt sich nur die alles entscheidende Frage, welche Rekorde in Abu Dhabi noch gebrochen werden können und welcher Fahrer letztlich Weltmeister wird

(Motorsport-Total.com) - Es ist die Saison der Rekorde für die Silberpfeile. In ihrer vierten Saison nach der Abspaltung von McLaren zu einem eigenständigen Team ist es soweit - Mercedes wird den ersten Formel-1-Weltmeister seit Juan Manuel Fangio vor 59 Jahren im eigenen Team stellen. In den vergangenen 17 Jahren in der Formel 1 brachte man es zwar mit Mika Häkkinen und Lewis Hamilton schon zu drei Meisterschaften, allerdings noch unter der Fahne von McLaren. 2009 gab es noch den Titel mit Brawn GP und Jenson Button am Lenkrad. Doch dieses Jahr ist es die Meisterschaft unter komplett eigener Fahne.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Wer wird wem am Ende zum Titel gratulieren? Hamilton und Rosberg Zoom

Mit 15 Siegen in diesem Jahr haben Nico Rosberg und Hamilton bereits den Rekord von Senna/Prost bei McLaren 1988 eingestellt und könnten diese Marke in Abu Dhabi noch mit einem weiteren GP-Sieg knacken. Mit elf Doppelerfolgen haben sie bereits den 26 Jahre alten Rekord der beiden Multi-Weltmeister in Rauch aufgelöst. Mit der 30. Podiumsplatzierung hat man in Brasilien die von Schumacher/Barrichello aufgestellte Bestmarke aus dem Jahr 2004 ebenfalls bereits überboten.

"Es war fantastisch, einen neuen Rekord für Doppelerfolge aufzustellen. Damit hat das Team eine Bestmarke überboten, die McLaren in meiner ersten Formel 1-Saison aufstellte", erinnert sich der Technische Direktor Paddy Lowe. "Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sie jemals gebrochen werden würde. Das muss ich erst noch verarbeiten. Aber es ist ein Beleg für die Leistung des Teams in dieser Saison. Mit Blick auf die Fahrer-Weltmeisterschaft demonstrierte das Rennen erneut, wie ausgeglichen unsere beiden Fahrer das gesamte Jahr über waren."

Wolff: "Brasilien bewies, wie ausgeglichen sie sind"

Entsprechend zufrieden zeigt sich auch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Zwei Doppelerfolge innerhalb einer Woche waren eine großartige Leistung. Zu diesem Zeitpunkt der Saison kann sich schnell Müdigkeit einschleichen. Aber jeder im Team hat sich noch einmal gesteigert, um ein unglaubliches Jahr mit weiteren Rekorden abzuschließen. Dabei bilden unsere Fahrer keine Ausnahme. Brasilien bot erneut einen spannenden Zweikampf zwischen ihnen, in dessen Verlauf sie abermals bestätigten, wie ausgeglichen sie sind."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Brasilien


Jetzt geht es auf dem Yas Marina Circuit also auf die Zielgerade der Rekordsaison für Mercedes und viele rechnen Hamilton die besseren Chancen für den Fahrertitel aus, hat er doch schließlich 2008 schon mal mit Mercedes-Power im Heck seinen ersten Titel geholt. Doch der Brite selbst sieht sich deswegen nicht im Vorteil: "Ehrlich gesagt fühlt es sich für mich so an, als ob ich erneut um meine erste Weltmeisterschaft kämpfen würde. Selbstverständlich bin ich älter und vielleicht auch ein bisschen klüger als damals. Ich habe seit 2008 viel gelernt. Aber ich bin noch immer der gleiche Fahrer."

"Ich habe noch den gleichen Hunger, den gleichen Siegeswillen und ich habe in dieser Saison von Anfang an alles gegeben", betont der Brite. "Im Verlauf des Jahres ging es für mich auf und ab. Aber ich habe nie aufgegeben. Ich habe stets zurückgeschlagen und meine Einstellung wird bei diesem Rennen nicht anders sein." Und auch wenn Hamilton in Brasilien nicht das optimale Ergebnis mit einem Sieg holen konnte, ist der Brite zufrieden mit seiner bisherigen Saison: "Brasilien war ein großartiges Wochenende für das Team. Natürlich lief es für mich nicht exakt nach Plan. Aber Platz zwei war für mich unter diesen Umständen ein gutes Ergebnis.

Hamilton gewann nur ein Mal in Abu Dhabi

"Für all die Menschen, die sehr hart an diesem unglaublichen Auto gearbeitet haben, war es ein toller Moment, einen neuen Rekord für Doppelerfolge aufzustellen. Ich habe mich den Fans in Sao Paulo wirklich verbunden gefühlt. Ihre Unterstützung war absolut unglaublich. Ich kann es noch immer kaum fassen. Sie sind vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi eine echte Inspiration für mich", so der 29-Jährige. Die Bilanz des WM-Führenden in Abu Dhabi ist allerdings durchmischt. Von fünf Rennen kam der Mercedes-Fahrer zwei Mal nicht ins Ziel. Im vergangenen Jahr landete er nur auf Platz sieben und 2010 fuhr er auf das Podium und 2011 gewann er das Rennen.

"Ich habe eine gute Bilanz auf der Strecke. Das vergangene Jahr war das einzige Mal, dass ich dort nicht aus der ersten Reihe gestartet bin." Lewis Hamilton

Somit steht eine durchschnittliche Punkteausbeute von 9,5 für Hamilton in Abu Dhabi und damit ein Platz zwischen den Positionen fünf und sechs. Auch bei doppelter Punktzahl würde das nicht für den Titel reichen. Da Nico Rosberg nur 17 Punkte zurück liegt, muss Hamilton mindestens Zweiter werden, um sich den Titel zu holen. Trotzdem lässt sich der Brite von dieser Bilanz nicht verunsichern. "Ich habe eine gute Bilanz auf der Strecke. Das vergangene Jahr war das einzige Mal, dass ich dort nicht aus der ersten Reihe gestartet bin. Ich hatte dort aber auch schon Pech, ganz besonders 2012. Hoffentlich spielt das diesmal keine Rolle", so Hamilton.

"Ich bin entspannt, zuversichtlich und bereit, um zu gewinnen. Das Team arbeitet mit Volldampf daran, um dies sicherzustellen." Doch zumindest einer im Team dürfte nicht für Rosberg arbeiten - Teamkollege Nico Rosberg. Nach dem für den Deutschen enttäuschenden Ergebnis in Austin, als er lange in Führung lag, seinen sicher geglaubten Sieg aber noch an Hamilton abgeben musste, ist der Wahlmonegasse in Brasilien beeindruckend zurückgekehrt: "Ich hatte von Anfang an das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Es war großartig, in Brasilien die Lehren aus Texas umzusetzen."

Rosberg: "Habe mich noch nie wohler gefühlt"

"Natürlich hat es nicht ausgereicht, um die WM-Führung zurückzuerobern, aber der Abstand ist geringer als vorher, so der Mercedes-Fahrer. Da Rosberg den Rückstand auf seinen Teamkollegen wieder um sieben Punkte verringern konnte, stehen die Chancen auf den Titel gar nicht so schlecht. "Ich glaube fest daran, dass ich noch eine Chance habe, den WM-Titel in Abu Dhabi zu gewinnen. Das wird natürlich nicht einfach. Aber ich gebe alles dafür, wie schon die gesamte Saison über", so Rosberg. "Ich kämpfe in diesem Jahr zum ersten Mal um die Weltmeisterschaft. Dennoch habe ich mich noch nie wohler als in dieser Saison gefühlt", zeigt sich der 29-Jährige unbeeindruckt von dem vermeintlichen Erfahrungs-Vorteil seines Kontrahenten.


Präsentation des Mercedes F1 W05

Entsprechend freut sich Rosberg auf einen fairen und gleichwertigen Kampf beim großen Finale: "Es ist großartig, dass sie uns beiden die gleichen Möglichkeiten geben, um gegeneinander zu kämpfen. Es gab schwierige, aber auch fantastische Momente. Aber darum geht es in der Formel 1. Ich hoffe, dass jeder Zuschauer im Verlauf unseres WM-Kampfes genauso viel Spaß hatte wie ich. Sieg oder Niederlage, doppelte Punkte hin oder her: Ich bin stolz darauf, was ich in diesem Jahr erreicht habe. Ich gehe ohne Angst in dieses Rennen. Ich glaube fest daran, dass ich den Titel gewinnen kann. Es ist erst vorbei, wenn die Zielflagge fällt!"

Auch Toto Wolff sieht beide Fahrer auf gleicher Höhe: "Beim Saisonfinale geht es für sie jetzt um die Weltmeisterschaft. Im Verlauf der Saison hatten beide Fahrer Aufs und Abs. Beide haben Charakterstärke bewiesen und sich von diesen Rückschlägen erholt. Als Team dürfen wir uns glücklich schätzen, eine so begabte Fahrerpaarung zu haben. Beide wären in den Augen ihrer Mannschaft in Brackley, Brixworth und Stuttgart würdige Weltmeister. Einer von ihnen wird bitter enttäuscht sein, der andere überglücklich. Obwohl ihnen dies nicht auf Anhieb klar sein wird, haben aber beide noch lange Karrieren vor sich", so Wolff.

Lowe: "Das Wochenende wie gewohnt angehen"

In Hinblick auf das große Finale erklärt Lowe deswegen nochmals, wie wichtig es ist, beiden Fahrern die gleiche Chance auf den Titel zu bieten: "In Abu Dhabi gab es in den vergangenen Jahren bereits einige spannende Titelkämpfe. Allerdings noch keinen so spannenden wie mit den doppelten Punkten in dieser Saison. Wir werden das Wochenende wie gewohnt angehen. Unser Ziel ist es, beiden Fahrern die gleiche, faire Chance auf den Titel zu geben. Das ist für uns das Wichtigste bei der Vorbereitung auf dieses Rennen."

"Ein Spitzenfahrer besitzt stets die Fähigkeit, sich eine weitere Gelegenheit zu erarbeiten. Unsere beiden Jungs haben genau das. Jetzt liegt es an uns, sicherzustellen, dass dieses faszinierende Jahr ein passendes Ende findet", erklärt auch Motorsportchef Wolff. "Wir müssen Lewis und Nico die Basis geben, damit sie den Titel auf der Strecke unter sich ausmachen können. Dieses Finale ist fantastisch für den Sport. Es war eine der besten Formel 1-Saisons der Geschichte. Ich kann es kaum erwarten, das Rennen in Abu Dhabi zu erleben und bin mir sicher, den Fans zuhause geht es genauso. Möge der Bessere gewinnen!"