• 09.10.2007 10:17

Materialien in der Formel 1 - eine Wissenschaft für sich

In der modernen Formel 1 finden bei der Konstruktion eines Autos rund 100 Stoffe Verwendung - ein interessanter Blick hinter die Kulissen

(Motorsport-Total.com) - Was macht ein modernes Formel-1-Auto aus? Die Tage, zu denen die Rennwagen mit herkömmlichen, serienüblichen Materialien gebaut wurden, sind längst vorbei. Heute nutzen die Teams sogar Weltraumtechnologie, um jede Nuance des Autos zu verbessern.

Titel-Bild zur News: Zahnrad

In der Formel 1 ist bei jedem Bauteil ein schwieriger Kompromiss zu finden...

Um in der Formel 1 zu bestehen, muss jedes Element des Wagens und des Teams höchste Ansprüche erfüllen. Selbiges gilt für die Materialien, aus denen das Auto gefertigt wird. Die Stoffe werden nach ihrem Gewicht, ihrer Festigkeit und ihrer Widerstandsfähigkeit ausgesucht, wobei nicht nur die Performance, sondern auch die Zuverlässigkeit in die Betrachtung mit einfließt.#w1#

Der Schlüssel ist ein perfekter Kompromiss mit Rohstoffen, die einerseits so leicht wie möglich sein sollten, um das Gewicht des Fahrzeugs möglichst gering zu halten, andererseits aber auch die Anforderungen in Sachen Festigkeit und Widerstandsfähigkeit erfüllen müssen, um sicherzustellen, dass alle Autoteile an ihre Belastungsgrenzen gehen können, ohne dass es dabei zu Schäden kommt.

Die Technologie der Materialien, die beim Bau von Formel-1-Boliden verwendet werden, hat sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre massiv verbessert - wobei es ausgewiesener Fachleute für die Konzeption und die Herstellung eines Formel-1-Autos bedarf. Der Fortschritt war derart immens, dass die Regularien des Sport in dem Maße angepasst werden mussten, dass die Verwendung bestimmter chemischer Elemente untersagt wurde, um die Kosten auf einem moderaten Niveau zu halten.

Doch trotz der Einschränkungen, die das Reglement vorgibt, haben die Mitarbeiter des Formel-1-Teams von Toyota, die mit der Entwicklung der zu verwendenden Materialien betraut sind, jede Menge Arbeit. In der Toyota-Motorsportzentrale in Köln finden sich über 100 verschiedene nutzbare Grundstoffe, das Materialienlager ist mit High-Tech-Bauteilen gefüllt.

Natürlich ist eine Qualitätskontrolle unabdingbar, um sicherzustellen, dass alles läuft wie geplant. Wie der Leiter der Motorenabteilung, Luca Marmorini, erklärt, verlangt das Team hohe Standards von allen Komponenten: "Wir verwenden mehr als 100 verschiedene Baustoffe, insbesondere Aluminium, aber auch Titan, Kupfer, Kobalt oder Wolfram. Der Standard ist derselbe wie in der Raumfahrt. Viele Materialien werden allerdings von Zulieferfirmen entwickelt und wir können mit deren Hilfe unsere eigenen Standards kreieren."

Das Lager ist 360 Quadratmeter groß, der Bestand wird fortwährend überwacht und dem Prinzip "Just-in-Time" folgend angepasst, was bedeutet, dass die Lieferung streng vom Bedarf abhängt. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der von Toyota genutzten Stoffe, sieht das Lager natürlich anders als ein herkömmliches Lager aus. Einige der Materialien bedürfen einer speziellen Lagerung - Karbonfasern beispielsweise, müssen bei minus 20 Grad gelagert werden.

Stichwort Karbonfasern: Diese tauchten beim Bau von Formel-1-Fahrzeugen erstmals in den 80er Jahren auf und wurden - dank ihres geringen Gewichtes verbunden mit der Materialhärte - bald zur Basis erfolgreicher Autos. Weiterhin ergaben sich durch das Karbon neue Möglichkeiten darin, verschiedene Baukomponenten neu zu formen. Heutzutage bestehen 75 Prozent eines Formel-1-Boliden aus Karbonfaser, so auch die Sicherheitszelle, die den Fahrer umgibt.

Die Produktionsabteilung verarbeitet die Materialien aus ihrem Ursprungszustand zu High-Tech-Bestandteilen eines Formel-1-Wagens. "In der Produktion schweißen sehr erfahrene und speziell ausgebildete Techniker sehr diffizile Fahrzeugteile wie den Auspuff und arbeiten dabei mit Schweißpulten an einem eigens gegossenen Werkstück", so Marmorini.

Während einige neue Materialien erst in den letzten Jahren entwickelt und dann der Rennnutzung übergeben wurden, sind andere aus der Formel 1 verschwunden. So ist es heute kaum vorstellbar, dass die Holzplatte einst ein essentieller Bestandteil eines jeden Formel-1-Autos war. Als im Jahr 1994 eine Art Brett am Fahrzeugunterboden eingeführt wurde, um einen Bodenabstand festzulegen, entschied man sich für das Material Holz - Fans von Michael Schumacher werden sich an ein legendäres Rennen in Spa-Francorchamps erinnern...

Der primäre Sinn dieses "Bretts" bestand darin anzuzeigen, wann ein Auto zu tief gelegt war. Holz war dabei eine gute erste Wahl, doch bald fanden sich dafür geeignetere Materialien. "In der Vergangenheit wurde das 'Brett' unter dem Auto aus Holz gefertigt, nun wird dafür ein Verbundstoff genutzt, der vor allem durch sein geringes Gewicht besticht. Dieses ?Brett' unterhalb des Autos berührt den Boden, deshalb muss es aus einem Material sein, das sich verformen kann", erklärt Luca Marmorini.

Derart grundlegende Veränderungen in Sachen Material sind unüblich in der modernen Formel 1, graduelle Erneuerungen jedoch werden regelmäßig umgesetzt, da jedes Team dem Kaizen-Prinzip, also der Philosophie der stetigen Verbesserung, folgt. "Wir verändern die verwendeten Materialien nicht oft, jedoch entwickeln wir sie während der Saison weiter. Es ist eine fortwährende Evolution, wir entwickeln unsere Materialien konstant weiter, um die Leistung kommender Fahrzeugteile zu verbessern", beschreibt Marmorini.

Die Formel 1 mag heute auf die Evolution von Baustoffen fokussiert sein, doch letzten Endes hat seit der ersten Formel-1-Weltmeisterschaft anno 1950 eine wahre Revolution in punkto verwendetes Material stattgefunden. So wie sich das Design der Fahrzeuge rasant verändert hat, wurden auch die Materialien zum Bau eines Boliden angepasst. Das geht soweit, dass ein Formel-1-Team im 21. Jahrhundert eine spezielle Abteilung, die nur mit der Entwicklung potenzieller Baustoffe beschäftigt ist, unterhält.

"Die Herangehensweise hat sich komplett geändert", sagt Marmorini. "Vor 50 Jahren hatte kein Formel-1-Team eine eigene Abteilung zur Weiterentwicklung von Rohstoffen, heutzutage haben wir diesbezüglich hervorragend ausgebildete Experten und wir können hier Analysen in unseren eigenen Gebäuden durchführen. In der Vergangenheit verließ sich jede Formel-1-Equipe auf externe Labore, die mechanische Berechnungen zur Materialbeschaffenheit durchführten. Nun kann das alles im eigenen Haus erledigt werden - und das muss so sein, um die gewünschten Qualitätsstandards zu erfüllen."