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Legge: "Diesen Tag werde ich nie vergessen!"
Katherine Legge im Interview mit 'F1Total.com' über ihren ersten Test in der Formel 1, ihren Crash sowie Vor- und Nachteile ihres Geschlechts
(Motorsport-Total.com) - Es war in der motorsportlich wenig aufregenden Winterzeit die spektakulärste Schlagzeile der Woche: Katherine Legge, die erste Frau seit Giavanna Amati 1992 und Sarah Fisher 2002, die einen Formel 1 fahren durfte, setzte ihren Minardi-Cosworth bei den Testfahrten in Vallelunga am Dienstag gleich in ihrer dritten Runde gegen eine Mauer.

© xpb.cc
Katherine Legge gilt als Anwärterin auf ein ChampCar-Cockpit für die Saison 2006
Tags darauf konnte sich die 25-Jährige, die diese Saison drei Rennen in der Formel-Toyota-Atlantik gewonnen hat, allerdings rehabilitieren, indem sie mit nur einer Zehntelsekunde Rückstand die zweitschnellste Zeit der gesamte Testwoche in den Asphalt brannte. Gleich nach ihrem letzten Stint am Nachmittag nahm sie sich für ein Interview mit 'F1Total.com' Zeit, in dem sie nicht nur über ihr Abschneiden bei dem Test sprach, sondern auch über ihr schwieriges Schicksal als rennfahrende Frau.#w1#
Frauen in der Formel 1 sind für die Medien besonders interessant
Frage: "Katherine, willkommen in der Formel 1! Wie viele Interviews musstest du gestern und heute geben?"
Katherine Legge: "Ich habe zu zählen aufgehört! So etwas habe ich noch nie erlebt - das war total verrückt!"
Frage: "Und ich schätze, dein Handy geht vor entgangenen Anrufen und nicht gelesenen SMS inzwischen über..."
Legge: "Jein. Ich hatte es heute abgeschaltet. Ich wollte während des Tests ja nicht gestört werden."
Frage: "Bist du gewöhnt daran, dass überall ein solcher Tamtam um dich gemacht wird? Schließlich ist es doch ziemlich ungewöhnlich, dass Frauen in so hohen Motorsportkategorien fahren..."
Legge: "In Amerika wurde mir seitens der Medien schon viel Aufmerksamkeit zuteil, bestimmt, aber das, was gestern und heute abgegangen ist, übersteigt das alles bei weitem! Vielleicht geht es mir nächstes Jahr ähnlich, wenn ich ChampCar fahre, aber bis jetzt ist das mit Abstand das Größte, was ich je gemacht habe. Heute hatte ich einen wirklich großartigen Tag. Ich erlebte bei diesem Test Höhen und Tiefen, denn gestern ist es mir nicht allzu gut ergangen, aber so etwas passiert eben. Heute lief es wirklich toll! Alle sind sehr happy."
Frage: "Erzähl uns ein bisschen von den vergangenen beiden Tagen im Cockpit! Wie war das Auto, was hat dich am meisten beeindruckt, wie ist es gelaufen und so weiter?"
Legge: "Ich bin gestern drei Runden gefahren, heute 27. Es war am Vormittag ziemlich kalt, daher mussten wir warten, bis die Sonne die Strecke ein bisschen aufgewärmt hatte, weil ich sonst die Reifen nicht richtig auf Temperatur bekommen hätte."
Legge von den Bremsen und der Leistung am meisten beeindruckt
"Das Auto ist fantastisch, besser als alles, was ich bisher fahren durfte! Ich kannte davor keine solche Kupplung und keine Wippschaltung, und die Technologie, die dahinter steckt, die Bremsen und die Leistung haben mich am meisten beeindruckt. Die enorme Leistung kam nicht ganz unerwartet, denn man weiß, dass einen die Leistung umhauen wird, wenn man in eine höhere Formel wechselt. Im Vorfeld haben mir alle gesagt, dass die Bremsen am extremsten sein würden, aber wenn man dann selbst ins Auto steigt, ist man einfach nicht darauf vorbereitet. Wenn man die Formel 1 mit meinem Toyota-Atlantik-Auto vergleichen müsste, dann wäre es wie der Vergleich zwischen einem Starfighter und einer 747!"
Frage: "Dieser Test ist übrigens der letzte in der Geschichte des Minardi-Teams. Ist dir das überhaupt bewusst?"
Legge: "Ja. Ich bin Paul Stoddart wirklich sehr dankbar, dass er mir diese Chance gegeben hat. Vielleicht komme ich ja mal zurück in die Formel 1, aber den heutigen Tag werde ich bestimmt nie vergessen! Das Team war wirklich großartig."
Frage: "Die Fahrer beschweren sich immer, dass die Rillenreifen den Fahrspaß wegnehmen. Hattest du im Formel 1 mehr Spaß als im Toyota-Atlantik-Auto?"
Legge: "Ich kann es überhaupt nicht sagen, um ehrlich zu sein, denn ich bin ja noch nie ein Formel-1-Auto mit Slicks gefahren. Verglichen mit dem Toyota-Atlantik-Auto ist der Formel 1 natürlich ein ganz anderes Kaliber. Die Leistung ist drei- bis viermal so hoch, daher kann man das wirklich nicht in einen Topf werfen. Auch die Bremsen sind einfach unglaublich! Beide Autos haben aber ihre Vorzüge: Im Toyota-Atlantik-Auto gibt es zum Beispiel keine elektronischen Fahrhilfen."
Mentaler Aspekt wichtiger als die körperlichen Voraussetzungen?

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Katherine Legge drehte an zwei Tagen insgesamt 30 Runden in Vallelunga Zoom
"Vor dem Test habe ich gehört, dass die Formel 1 für eine Frau zu anstrengend sein könnte, aber viel wichtiger als die Kraft ist eigentlich rasches Denken und die Reaktionsfähigkeit. Sicher habe ich mich auf diesen Test in den letzten Wochen im Fitnessstudio vorbereitet, aber der mentale Aspekt ist wesentlich entscheidender. Worauf ich mich nun wirklich freue, ist mein ChampCar-Test im Dezember, denn dann kann ich einen echten Vergleich zur Formel 1 herstellen."
Frage: "Du warst heute nur unwesentlich langsamer als die Tagesbestzeit. Bist du zufrieden mit deiner Leistung?"
Legge: "Ja. Ich bin heute 1:21.1 gefahren, was fast die schnellste Zeit der ganzen Woche ist, obwohl ich sie erzielt habe, als es kalt war. Ich war ziemlich konstant, also sind alle mehr als happy mit dem Job, den ich gemacht habe. Schade nur, dass mir gestern dieser Fehler passiert ist, aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich ja auch keine Erfahrung in schnellen Nachwuchsformeln wie etwa der Formel 3000 habe. Ich finde, dass ich mich gut geschlagen habe."
Frage: "Vor deinem ersten Testtag gestern warst du ein bisschen nervös, hattest Angst davor, das Auto wegzuwerfen - und genau das ist dir passiert..."
Legge: "Es war eine Dummheit, wie sie schon vielen jungen Fahrern bei ihrem ersten Test passiert ist. Wie viele andere Fahrer haben sich auch schon so einen Schnitzer geleistet und sind heute in der Formel 1? Ich kam mit der Traktionskontrolle einfach nicht ganz klar, wobei es auch ziemlich schwierig war, so viele Informationen mit ins Cockpit zu nehmen. Beim Aufprall habe ich mir übrigens den Finger verstaucht, weil ich das Lenkrad nicht losgelassen habe."
Bei einer Frau wird jeder Fehler unvermeidlich ausgeschlachtet
"Ich habe einen Fehler gemacht, aber ich bin schließlich nicht mit vollem Karacho abgeflogen, sondern habe die Mauer nur gestreift. Den anderen Jungs sind solche Fehler genauso passiert, aber bei niemandem ist es so unglücklich ausgegangen wie bei mir. Ich habe aus dem Fehler gelernt, konnte heute aber beweisen, dass es nur ein kurzes Blackout war. Ich bin sehr happy, noch immer sehr, sehr aufgeregt! Die Geschichte ist halt die, dass ich eine Frau bin und sich jeder auf so einen Zwischenfall stürzt. Es ist eine Story, denn so etwas ist genau der Stoff, denn die Leute lesen wollen."
Frage: "Du hast jetzt ein bisschen Formel-1-Luft geschnuppert. Kannst du dir vorstellen, in Zukunft einmal an einem Grand Prix teilzunehmen? Ist das ein Ziel von dir?"
Legge: "Absolut! Nächstes Jahr habe ich vor, in der ChampCar-Serie zu fahren. Dafür muss ich Kevin Kalkhoven bei meinem Test im November von mir überzeugen. Wenn ich einmal mehr Erfahrung habe, kann viel passieren. Die ChampCar-Serie ist aber auch eine tolle Sache. Ich glaube nicht, dass ich schon für die Formel 1 bereit bin, denn ich habe ja erst 30 Runden hinter mir."
Frage: "Es ist aber ein Ziel, oder?"
Legge: "Ja, ich schätze schon. Wenn mir jemand eine weitere Fahrt in einem Formel-1-Auto anbieten will, würde ich dieses Angebot jedenfalls bestimmt nicht ausschlagen!"
Frage: "Im Gegensatz zu den anderen Jungs, die diese Woche testen, stehst du voll im medialen Rampenlicht. Fällt dir auch die Sponsorensuche leichter, weil du eine Frau bist?"
Legge: "Nein, überhaupt nicht! Das ist totaler Schwachsinn! Vor diesem Jahr konnte ich noch nie eine volle Rennsaison bestreiten, weil ich nie das Geld dafür hatte. Ich musste sechs oder sieben Jahre wirklich hart arbeiten, um endlich einen Sponsor zu finden. Nun habe ich das Glück, dass mich Kevin Kalkhoven unterstützt, aber ich hatte es sicher nicht einfacher als ein Mann. Und weißt du auch, warum das so ist? Weil die Firmen nicht daran glauben, dass sich eine Frau durchsetzen kann! Irgendwie verstehe ich das sogar, denn bis jetzt hat sich ja auch noch keine Frau in der Formel 1 durchgesetzt..."
Akuter Geldmangel prägend für Legges bisherige Karriere
"Langsam wird es ein bisschen einfacher für Frauen im Motorsport, aber mir ist es noch sehr schwer gefallen, denn meine Familie hatte kein Geld - und Sponsoren waren auch nicht da. Vor diesem Jahr war ich vielleicht bei 15 Autorennen am Start, was wirklich nicht viel ist, wenn man bedenkt, wie viel Erfahrung die anderen Jungs in diesem Alter manchmal schon haben. Vielleicht hätte mich die eine oder andere Firma unterstützt, wenn sie gewusst hätte, wie viel Presse sie jetzt bekommen könnte, aber damals wollte das Risiko eben keiner eingehen."
Frage: "Du hast einen festen Freund. Was denkt er eigentlich über deine Rennfahrerkarriere und unterstützt er dich dabei?"
Legge: "Er unterstützt mich sehr, was ich wirklich toll finde! Er fährt selbst Sportwagenrennen und kennt mich auch schon eine ganz schön lange Zeit. Er ist da, wenn ich ihn brauche, obwohl ich im Motorsport ziemlich egoistisch sein muss. Ich bin wirklich froh, dass ich ihn habe, denn selbst wenn ich mal für drei Monate weg bin, höre ich kein böses Wort von ihm. Es ist schön, dass ich jemanden habe, der versteht, dass ich nicht jeden Tag abends vom Büro nach Hause kommen kann, wie es bei jemand anderem der Fall ist."
Frage: "War er während des Tests eigentlich an der Strecke?"
Legge: "Er war gestern hier, aber er musste heute wieder nach Hause fliegen, um zu arbeiten."
Frage: "Eine Frage interessiert mich noch: Es wäre ziemlich ungewöhnlich für eine Rennfahrerin, ein Kind zu bekommen, zwei Jahre Babypause zu machen und dann in den Motorsport zurückzukehren. Hast du vor, irgendwann Mutter zu werden?"
Legge: "Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht, weil es momentan kein Thema für mich ist. Vielleicht ändere ich meine Meinung, wenn ich einmal keine Rennen mehr fahre, aber jetzt ist mein Leben noch voll auf den Rennsport ausgerichtet. So wird das vorerst auch bleiben! Mütterliche Gefühle habe ich ehrlich gesagt noch nicht."

