Kommentar: Warum der Las-Vegas-GP (k)ein geiles Event ist

Redakteur Ruben Zimmermann versteht den Hype um den Las-Vegas-Grand-Prix, hat aber auch Verständnis für die Einheimischen und leidet unter dem Zeitplan

Liebe Leserinnen und Leser,

Titel-Bild zur News: Die Atmosphäre beim Formel-1-Rennen in Las Vegas

Für viele Einheimische ist die Formel 1 in Las Vegas vor allem störend Zoom

die Formel 1 in Las Vegas spaltet auch im zweiten Jahr weiter die Gemüter. Da gibt es die, die Show lieben, diese völlig verrückte Idee, einen Grand Prix mitten im bekanntesten Spielerparadies der Welt auszutragen. Und es gibt die, die auf den ganzen Kram gut und gerne verzichten könnten.

Ich sage es ganz ehrlich: Mich persönlich holt das hier vor Ort alles schon ziemlich ab. Man merkt, dass Las Vegas für die Formel 1 nicht einfach nur ein weiteres Rennen im Kalender ist. Die Königsklasse übernimmt hier am Wochenende buchstäblich die komplette Stadt.

Die Formel 1 ist omnipräsent, sei es in Form von Fanartikeln, die es hier in gefühlt jedem Geschäft gibt, Werbung auf den gigantischen digitalen Werbetafeln oder der Sphere oder sonstigen Hinweisen, die man verteilt überall in der ganzen Stadt entdeckt.

Wäre ich rein als Fan hier, würde ich das Event absolut feiern. Auch deshalb, weil sich die Strecke - das hat ein Straßenkurs so an sich - direkt in der Stadt befindet und damit von vielen Hotels aus fußläufig zu erreichen ist.

Auf vielen Rennstrecken gehört die An- und vor allem die Abreise zu den nervigsten Dingen für die Fans und auch für uns Journalisten, weil man mit dem Auto teils stundenlang im Stau feststeckt. Das lässt sich hier in Vegas leicht umgehen.

Dazu kommt die Atmosphäre eines Nachtrennens, die live noch einmal spektakulärer wirkt als zuhause am TV-Bildschirm. Ein paar Grad wärmer dürfte es vielleicht sein, aber davon abgesehen dürften die Fans, die die Formel 1 in Las Vegas (für nicht gerade wenig Geld) besuchen, sicher auf ihre Kosten kommen.

Formel 1 legt ganze Teile der Stadt lahm

Kein Spaß an dem Rennen, und da hat sich im Vergleich zum Vorjahr nichts geändert, als mein Kollege Christian Nimmervoll vor Ort war und bereits ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hat, haben dagegen viele Einheimische, für die der Grand Prix eher ein Albtraum ist.

Unser Uber-Fahrer Roncey zum Beispiel, den das Rennen bares Geld kostet. Denn zwar bringt der Grand Prix auch viele Touristen in die Stadt. Das bringt ihm persönlich aber wenig, so erklärt er uns, wenn zum Beispiel eine Tour, für die er sonst sieben Minuten braucht, jetzt eher 40 Minuten dauert.


Fotostrecke: Die Formel-1-Sonderdesigns in der Saison 2024

Das wäre vielleicht dann noch erträglich, wenn dieses Problem wirklich nur von Mittwoch bis Samstag bestehen würde, also am Rennwochenende hier in Las Vegas. Doch durch den Auf- und Abbau der Strecke zieht sich dieser Zustand über viele Monate.

Roncey erklärt uns, dass es insgesamt rund ein halbes Jahr dauere, bis die Stadt wieder komplett "Formel-1-frei" sei. Und in sechs Monaten geht das Spiel dann wieder von vorne los. Betroffen davon sind übrigens nicht nur Autofahrer.

Weil die Strecke rund um die Sessions am Wochenende komplett gesperrt wird, müssen logischerweise auch Fußgänger Umwege in Kauf nehmen. Die Erfahrung haben wir auch selbst gemacht, und so dauerte unser Weg von der Strecke zum Hotel (rund zehn Minuten zu Fuß) am Mittwochabend ungefähr doppelt so lange.

Zeit für Frühstück oder Abendessen?

Für uns Journalisten vor Ort, vor allem für die aus Europa, ist das allerdings das geringste Problem. Die größte Schwierigkeit ist die Zeitzone, in der wir hier leben. Jetlag ist bei vielen Rennen ein Problem, doch dadurch, dass Las Vegas auch noch ein Nachtrennen ist, verliert man komplett den Überblick.

Zur Erklärung: Wenn zum Beispiel das Rennen am Samstag um 22:00 Uhr Ortszeit startet, dann ist es in Deutschland bereits 07:00 Uhr morgens am Sonntag. Die normale Startzeit für ein Formel-1-Rennen vor Ort ist aber in der Regel 15:00 Uhr.


Ja-Wort im verrücktesten Paddock der Saison!

Kevin Scheuren nimmt euch mit auf eine kleine Tour durch den Paddock beim Grand Prix von Las Vegas und zeigt unter anderem die Kapelle, in der Jacques Villeneuve geheiratet hat, und den "Heiligen Gral" der Formel 1, das Fahrerlager. Weitere Formel-1-Videos

Und so bewegen wir uns gefühlt in drei Zeitzonen gleichzeitig und ich habe selbst teilweise keinen Überblick mehr, ob mein Burger gerade Frühstück, Mittag- oder Abendessen ist - oder doch irgendwie alles gleichzeitig.

Das Problem haben übrigens nicht nur wir Journalisten. Die Leute im Fahrerlager, mit denen wir so sprechen, haben durch den Zeitplan auch nur begrenzt Spaß an diesem Wochenende. Denn anders als zum Beispiel in Singapur kann man hier nicht einfach weiter in der europäischen Zeitzone leben.

Würde man hier um 6:00 Uhr MEZ aufstehen, hätte man die erste Session des Tages am Donnerstag und Freitag bereits verschlafen. Von daher bin ich mir auch nicht sicher, ob es unsere daheimgebliebenen Kollegen so viel besser haben als wir vor Ort ...

Kein angenehmes Arbeiten

Nervig sind zudem auch 2024 die Wege ins Fahrerlager. Kollege Nimmervoll kritisierte ja bereits im Vorjahr, dass der Weg zwischen Medienzentrum und Paddock einfach zu weit sei. Und da das Media Center wieder im gleichen Hotel wie auch 2023 untergebracht ist, hat sich daran auch wenig geändert.

Ärgerlich war das für uns vor allem am Medientag am Mittwoch. Weil der Weg vom Fahrerlager ins Medienzentrum und wieder zurück rund 15 Minuten dauert, wenn man danach nicht völlig durchgeschwitzt sein möchte, war es quasi unmöglich, zwischen den einzelnen Medienrunden zurückzugehen.

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FORMEL 1 Fanartikel

So hingen wir stundenlang im Paddock fest, wo dann rund die Hälfte der Medientermine auch noch im viel zu kleinen "TV Pen" stattfand, in dem sich dann bis zu 20 Journalisten um einen Fahrer drängelten, in der Hoffnung, irgendwie eine Frage stellen zu können.

Wenn das nicht klappte, spielte das aber auch eigentlich keine Rolle, weil man durch den Lärmpegel im Paddock die Antworten der Fahrer meist sowieso nicht verstehen konnte. Mal dröhnte laute Musik dazwischen, mal lief eine Trommelband an uns vorbei, mal flog ein Helikopter genau über uns.

Mein persönlich "Highlight" war es allerdings, als Sky-Experte Karun Chandhok plötzlich direkt neben uns anfing, am "Skypad" der TV-Kollegen eine Runde von Charles Leclerc zu analysieren - natürlich in der entsprechenden Lautstärke. Was Pierre Gasly uns eigentlich erzählen wollte, habe ich logischerweise nicht mehr verstanden.

Vegas ist kein Event für die im Fahrerlager

Immerhin etwas hat sich aber getan im Vergleich zum Vorjahr: Im Paddock gibt es dieses Mal eine kleine "Media Lounge" für uns Journalisten, in der man sich zumindest mal kurz aufwärmen und etwas trinken kann. Das macht den langen Weg zwischen Medienzentrum und Fahrerlager etwas erträglicher.

Und um nicht zu viel zu jammern: Grundsätzlich gibt man sich schon Mühe, sich auch um uns Journalisten zu kümmern. Das Catering gehört zum Beispiel zu den besseren an den Rennstrecken dieser Welt und über die Geschwindigkeit der Internetverbindung kann man auch nicht meckern. Da habe ich auch schon ganz andere Dinge erlebt.

Unterm Strich gibt es genug Gründe, den Las-Vegas-Grand-Prix zu lieben, aber auch genug, ihn zu hassen. Mein Gefühl ist, dass die Mehrheit der Leute im Paddock und auch in der Stadt durchaus auf das Rennen verzichten könnte.

In Erinnerung bleibt uns zum Beispiel der Mann, den wir morgens um 4:00 Uhr (wohlgemerkt kurz nach Dienstschluss) auf der Suche nach einem Abendessen/Frühstück mit einer Kappe mit der Aufschrift "FUCK F1" entdeckt haben. Er dürfte nicht der einzige sein, der so denkt.

Aber letztendlich ist Vegas eben kein Event für die Locals, für uns Journalisten oder die vielen Mitarbeiter der Teams. Die Fans, die für das Rennen angereist sind, genießen die große Show. Und ich kann es verstehen.

Euer
Ruben Zimmermann