HANS in der Formel 1: Alles, was Du über den Nackenschutz wissen musst
Wer den Head-and-Neck-Support (HANS) erfunden hat, welche Unfälle die Auslöser dafür waren und seit wann die Formel 1 das System verbindlich verwendet
(Motorsport-Total.com) - HANS hat schon vielen Rennfahrern das Leben gerettet. Doch was ist HANS eigentlich, wer hat es erfunden und zu welchem Zweck? Seit wann wird es in der Formel 1 verwendet und welche schweren Unfälle hat es seither abgemildert? Antworten auf diese und weitere Fragen zu HANS geben wir in diesem Artikel.
© Motorsport Images
Mercedes-Fahrer Michael Schumacher zieht sich seinen Helm mit HANS-System über Zoom
Wofür steht der Begriff HANS?
Die Abkürzung HANS steht für Head-And-Neck-Support. Zu Deutsch: Kopf-und-Nacken-Unterstützung oder auch Frontal-Kopfrückhaltevorrichtung. Dabei handelt es sich um eine Schutzvorrichtung für Rennfahrer im Rennauto, um etwaige Unfallfolgen abzumildern.
Was ist die Aufgabe des HANS?
Bei einem (Frontal-) Unfall sorgt der HANS dafür, dass die Wirbelsäule des Rennfahrers nicht überdehnt wird und dass der Fahrerkopf nicht nach vorne auf das Lenkrad knallt. Die bei einem Unfall auftretenden Kräfte werden durch die Vorrichtung deutlich reduziert.
Wie ist der HANS aufgebaut?
Der HANS besteht aus einem Schulterkorsett, das über kleine Gurte direkt am Fahrerhelm fixiert wird. Das Schulterkorsett wiederum wird mit den normalen Gurten des Fahrzeugs direkt auf den Schultern des Fahrers festgeschnallt. Damit das HANS komfortabel verwendet werden kann, ist es mit einem Schaumstoff-Polster ausgestattet.
Aus welchem Material besteht der HANS?
Kohlenstoff-verstärktes Kunstharz und Kohlefaser sind die wichtigsten Materialien, aus denen der HANS gefertigt wird.
Wie schwer ist der HANS?
Je nach Ausführung wiegt der HANS zwischen 500 und 1.200 Gramm.
Welchen Kräften kann der HANS in der Formel 1 widerstehen?
Studien zufolge kann der HANS die bei einem Unfall auftretenden Kräfte um rund 80 Prozent reduzieren.
Baut jedes Team den HANS selbst?
Nein. Es gibt diverse Hersteller von Head-and-Neck-Support-Systemen, die Fahrer und Teams beliefern.
Wer hat den HANS entwickelt?
Die Idee zur Entwicklung eines HANS hatte der US-Amerikaner Jim Downing, der selbst Rennen bestritt. Gemeinsam mit seinem Schwager Robert Hubbard, einem Biomechanik-Ingenieur an der Michigan-State-Universität, entwarf er ab Mitte der 1980er-Jahre das Konzept eines Schulterkorsetts mit Haltegurten für den Fahrerhelm.
Was war der Anlass zur Entwicklung des HANS?
Diverse schwere Unfälle mit Kopfverletzungen, wie zum Beispiel der Frontalcrash von Patrick Jacquemart in einem Renault-Sportwagen bei Testfahrten in Mid-Ohio 1981, bei dem der Fahrer den Unfall nicht überlebte.
Seit wann gibt es den HANS?
Einen ersten Prototyp hatten Jim Downing und Robert Hubbard 1985 fertiggestellt. 1989 unterzogen sie ihre Konstruktion ersten Crashtests, um deren Wirksamkeit zu überprüfen. Ab 1991 boten sie ihr Schutzsystem zum Verkauf an.
Wann wurde der HANS in der Formel 1 eingeführt?
Ab 1996 arbeitete Mercedes im Auftrag des Automobil-Weltverbands (FIA) an der Weiterentwicklung des HANS für den Einsatz im Formelsport mit. 2003 wurde das Tragen der HANS-Vorrichtung zur Pflicht. Schon 2002 hat Felipe Massa das HANS erstmals bei einem Rennen verwendet, beim Italien-Grand-Prix in Monza.
Warum wurde der HANS in die Formel 1 eingeführt?
Auch in der Formel 1 hatte es wiederholt schwere (Frontal-) Unfälle gegeben, zum Beispiel in der Saison 1994 mit den tödlichen Unfällen von Roland Ratzenberger und Ayrton Senna in Imola. HANS verbessert die Sicherheit für die Fahrer in Unfallsituationen erheblich.
Welche schweren Unfälle hat der HANS seit seiner Einführung abgemildert?
Praktisch jeden (Frontal-) Unfall. Ein frühes Beispiel: 2004 knallte Felipe Massa beim Kanada-Grand-Prix in Montreal mit etwa 150 km/h frontal in die Reifenstapel. Oder aus der jüngeren Formel-1-Geschichte: Der HANS hat auch beim schweren Unfall von Romain Grosjean 2020 beim Bahrain-Grand-Prix in Sachir zum Überleben des Fahrers beigetragen.
Gab und gibt es Kritik am HANS?
Ja. Die Sicherheitsvorrichtung fand lange keine Akzeptanz unter den Fahrern. Als Hauptgrund wurde häufig angeführt, der HANS schränke die Bewegungsfreiheit im Cockpit ein. NASCAR-Fahrer Mark Martin etwa sagte: "Ich trage sowas nicht. Ich drücke lieber die Daumen und hoffe das Beste."
Haben HANS-Kritiker seit dessen Einführung ihre Meinung geändert?
Ja. Nach dem tödlichen Unfall von NASCAR-Fahrer Dale Earnhardt 2001 in Daytona änderte sich die Haltung zum HANS, vor allem in den USA. "Das hat uns ins Geschäft gebracht", sagte HANS-Erfinder Jim Downing einmal. Am Tag nach dem Unfall verkaufte er alleine 80 Exemplare. Kurz darauf führte NASCAR verbindlich das Tragen eines Kopf-Nacken-Schutzes ein.
"Niemand wollte sowas verwenden. Dann mussten wir es zum Glück tun", sagt NASCAR-Fahrer Kevin Harvick. Sein Fahrerkollege Chase Elliott meint: "Der HANS hat das Racing rund um die Welt verändert. Ich würde nie ohne in ein Rennauto steigen."
Welche Alternativen gab es in der Formel 1 zum HANS?
Unterm Strich keine. Ein Airbag-Projekt für das Fahrercockpit wurde zwar in Erwägung gezogen, aber wieder verworfen. Alternative Kopf-Nacken-Schutzsysteme sind per Automobil-Weltverband (FIA) nicht für die Formel 1 zugelassen.
Welche anderen Rennserien nutzen den HANS?
Die meisten Motorsport-Verbände schreiben die Nutzung einer Kopf-Nacken-Schutzvorrichtung verbindlich vor. Einige Beispiele: NASCAR seit 2001 (seit 2005 nur HANS), DTM seit 2002, Formel 1 seit 2003, Rallye-WM seit 2005. Die Dragster-Kategorie NHRA in Nordamerika hat schon 1996 auf einen Kopf-Nacken-Schutz gepocht, ab 2004 exklusiv auf HANS.