Formel-1-Technik 2017: Red-Bull-Nasenloch bald Wunderwaffe?
Technikexperte Peter Schöggl glaubt, Adrian Newey hätte schon für Melbourne ein S-Schacht-ähnlichen Clou in petto - Auch Ferraris Seitenkästen beeindrucken ihn
(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-Welt wartete bei den Tests in Barcelona darauf, dass Stardesigner Adrian Newey Red Bull mit einem aerodynamischen Wunderwerk zu Fabelrundenzeiten verhilft. Doch den Eindrücken vom Circuit de Catalunya zufolge ist der RB13 derzeit nur das drittbeste Auto im Feld. Noch. Das Team könne eine geniale Erfindung in der Hinterhand haben, erklärt Peter Schöggl, Chef des Geschäftsbereichs Motorsport beim österreichischen Antriebsstrang-Spezialisten AVL, bei 'ServusTV'.
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Die Nase des Red Bull RB13 sorgte für Staunen - bald auch für Rennsiege? Zoom
Er meint das Loch in der Nase, das bereits am Rande der Präsentation des Boliden für Gesprächsstoff sorgte. Den Regeln zufolge darf Red Bull es nur einsetzen, weil das Cockpit kühle Luft zugeführt bekommt. Doch offenbar verfolgt Newey auch andere Absichten, die sein Konzept mit einem stark angestellten Auto unterstützen. "Es wird bis Melbourne meiner Meinung nach noch evolutionärer - vor allem, wohin die Luft geht", sagt Schöggl mit Blick auf ein Update schon in Kürze.
An die Variante Klimaanlage glaubt er nicht: "Es gibt ein System namens S-Schacht. Da versucht man, von dem Bereich mit Staudruck die Luft nach oben zu bringen, wo sie dünner ist." Kurz gesagt: Die Technik beschleunigt den Luftstrom und "klebt" ihn an die Karosserie. Sie wurde von Mercedes eingeführt, sorgt für mehr Anpressdruck ohne Luftwiderstand und ist bei vielen neuen Boliden in unterschiedlichen Varianten zu erkennen. Nur Sauber und Force India verzichten darauf.
Finne auf der Motorabdeckung wird überschätzt
Die S-Schächte der Red-Bull-Konkurrenten besitzen einen Eingang auf der Unterseite der Nase, der von der als Leitblech gestalteten Frontflügel-Befestigung gefüttert wird. Der Luftstrom wird durch das Chassis geleitet und tritt auf der Oberseite der Nase wieder aus. So war bisher das Patentrezept.
Treibt man in Milton Keynes die Sache im wahrsten Sinne des Wortes auf die Spitze? "Es ist für mich eine riesige Revolution. Wenn einer ein Nasenloch hat und speziell wenn es von Adrian Newey stammt, dann hat es einen Grund", ahnt Peter Schöggl. Fraglich ist, wie Red Bull es bewerkstelligt, schon vor dem Frontflügel in das Aerosystem einzugreifen und trotzdem zu profitieren.
Auch vom Ferrari SF70H ist Schöggl beeindruckt. Die unkonventionellen Seitenkästen, mit denen sich die Scuderia der durch die Regeln vorgeschriebenen, aerodynamisch aber nachteiligen Pfeilform entzieht, haben es ihm angetan: "Sie haben es geschafft, sehr viel Luft unter die Seitenkästen zu bringen. Dahin, wo man sie braucht, nämlich an den Unterboden und an den Diffusor." Der Clou ist ihre besonders im unteren Bereich schlanke Form, die das Cola-Flaschen-Design unterstützt.
Geht es um die Segel hinter der Airbox, die in Barcelona bei allen Teams im Einsatz waren, zeigt sich Schöggl skeptisch. "Die Finne hat einen ähnlichen Effekt wie beim Flugzeug. Sie stabilisiert das Auto in der Hochachse", erklärt er." Man kann in anderen Dingen wie der Fahrwerksgeometrie besser an das Limit gehen, weil das Auto besser stabilisiert wird." Die Platte auf der Motorabdeckung, die die Anströmung des Heckflügels verbessert, dürfe nicht überbewertet werden. "Mercedes hat sie nicht oder nur viel kürzer - und ist trotzdem schnell", betont der AVL-Verantwortliche.