Formel-1-Teamchefs: Wer sie sind und was sie eigentlich tun
Wer sind die Teamchefs in der Formel 1 und welche Aufgaben haben sie in einem Rennstall? Wir stellen die Verantwortlichen von Ferrari, Mercedes und Co. vor!
(Motorsport-Total.com) - Es gibt ihn nicht, den einen Weg, um Teamchef bei einem Formel-1-Rennstall zu werden. So viel gleich mal vorneweg. Welche Voraussetzungen aber notwendig sind und welche Fähigkeiten besonders geschätzt werden, das erklären wir in diesem Artikel über die aktuellen Formel-1-Teamchefs und deren Aufgaben in einem modernen Grand-Prix-Rennstall.
© Motorsport Images
Red-Bull-Teamchef Christian Horner am Kommandostand des Teams Zoom
Und wir fangen ganz vorne an: Mit der Jobdefinition und der Frage, was sich genau hinter der Berufsbezeichnung Teamchef verbirgt. Also:
Was ist ein Teamchef in der Formel 1?
Einfach ausgedrückt: Der Teamchef ist der Boss eines Formel-1-Teams. Damit ist die Hierarchie schon mal geklärt. Denn in vielen Fällen ist der Teamchef in der Formel 1 der oberste Entscheidungsträger und maßgeblich für die Leistung des Rennstalls verantwortlich.
Früher hatten die Teamgründer mitunter auch die Rolle des Teamchefs übernommen, waren teilweise sogar die Eigentümer des Rennstalls. Das war zum Beispiel bei Lotus der Fall mit Colin Chapman oder bei McLaren mit Bruce McLaren oder bei Williams mit Frank Williams.
Mehr noch: Chapman agierte außerdem als Designer für sein Team, Williams arbeitete aktiv mit in der Garage und McLaren trat selbst als Rennfahrer in Erscheinung.
Das ist inzwischen alles nicht mehr der Fall: Moderne Formel-1-Teamchefs machen sich die Hände nicht mehr schmutzig und sie sitzen erst recht nicht mehr im Formel-1-Rennauto. Sie sind einfache Angestellte, halten vielleicht Anteile am Team, mehr nicht.
Dass selbst die Formel-1-Teamchefs inzwischen Angestellte sind, zeigt: Formel-1-Rennställe operieren meist nicht mehr isoliert und auf eigene Rechnung. Manche Teams sind größeren Firmen zugehörig, verstehen sich als Aushängeschild eines Unternehmens.
Ferrari als ein Automobilhersteller unterhält beispielsweise seit Jahrzehnten ein Rennteam und es besteht ein reger Austausch zwischen Team und Werk. Red Bull Racing wiederum ist ein Beispiel für ein Formel-1-Team, das einem Konzern gehört, der sonst überhaupt nichts mit Motorsport am Hut hat.
Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen gibt es viele weitere Konstellationen, natürlich mit Auswirkungen auf die Rolle des Teamchefs, den es bei jedem Rennstall gibt. Überall also gibt es einen Boss. Und der Boss ist jeweils dafür verantwortlich, dass die Ergebnisse stimmen und sich die Investition ins Team bezahlt macht.
Was sind die Aufgaben eines Formel-1-Teamchefs?
Jeder Formel-1-Teamchef ist vor allem das öffentliche Gesicht des jeweiligen Rennstalls. Er steht zum Beispiel für Presseinterviews zur Verfügung und ist der wichtigste Sprecher eines Teams, sowohl an der Rennstrecke als auch abseits davon.
Ein Teamchef steht auch für das Interesse eines Teams in politischen und sportlichen Belangen ein, beispielsweise in Besprechungen mit dem Automobil-Weltverband (FIA), den Sportkommissaren und anderen Rennställen. Meist hat ein Teamchef hier Berater an seiner Seite, je nach Anlass, aber diplomatisches Geschick und ein gewisser Geschäftssinn zählen ohnehin zu den Eigenschaften eines Formel-1-Teamchefs.
Wer Teamchef ist, muss gut mit Menschen umgehen können. Es ist seine Aufgabe, ein entsprechendes Arbeitsumfeld zu schaffen und zu strukturieren, damit das Team erfolgreich agieren kann.
Natürlich kann ein Teamchef einen technischen Hintergrund haben. Allerdings darf er sich nicht in der Garage verstecken und über den jüngsten Motordaten brüten. Wie bei anderen Führungsrollen auch, so muss der Teamchef im Zweifel eine gewisse Distanz zum Geschehen wahren, um das große Ganze im Blick zu haben und Entscheidungen treffen zu können.
Eine dieser Entscheidungen, und das ist vielleicht die wichtigste überhaupt, ist: Was muss ein Teamchef selbst erledigen und welche Aufgaben kann er vielleicht delegieren?
Denn ein Formel-1-Team besteht aus vielen sehr spezialisierten Einzelpersonen. Es gibt zum Beispiel Renningenieure, Strategen und Mechaniker. Praktisch jeder Einzelne weiß mehr über seinen Fachbereich als es der Teamchef tut. Dem Teamchef fällt also die Schlüsselrolle zu, die richtigen Leute in sein Team zu holen, das perfekte Arbeitsumfeld zu schaffen und seinen Angestellten sein Vertrauen zu schenken.
Manche Teamchefs packen aber gerne auch selbst mit an. Hier gibt es Unterschiede bei der Herangehensweise zu beobachten, je nach dem, wer welche Management-Philosophie verfolgt. Ein Teamchef hält vielleicht gerne nur die Fäden in der Hand, andere setzen ihre Expertise in manchen Bereichen gerne direkt ein, um dem Team zu helfen.
Wer also sind die aktuellen Teamchefs in der Formel 1? Wir stellen sie jetzt vor!
Toto Wolff
Team: Mercedes
Teamchef seit: 2013
Erfolge als Mercedes-Teamchef: Weltmeister in Fahrer- und Konstrukteurswertung
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Toto Wolff ist ein ehemaliger Rennfahrer aus Österreich. 2022 ist er 50 Jahre alt geworden. Er ist bei Mercedes aber nicht nur Teamchef, sondern hält auch Anteile am Rennstall. Zugleich agiert er als Motorsport-Verantwortlicher bei Mercedes, ähnlich wie sein Vorgänger Norbert Haug.
Wolff hat früher selbst Rennen bestritten, zum Beispiel in der Formel Ford in Deutschland und Österreich. Anschließend wandte er sich Sportwagen zu, wechselte später als Direktor zu Williams. Seine größte Karriereleistung aber ist sicherlich seine Arbeit als Mercedes-Teamchef in der Formel 1, wo er Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu WM-Titeln führte.
Wolff ist mit der früheren Rennfahrerin Susie Wolff (geborene Stoddart) verheiratet. Sie ist ebenfalls eine Teamchefin, und zwar bei Venturi in der Formel E.
Christian Horner
Team: Red Bull
Teamchef seit: 2005
Erfolge als Red-Bull-Teamchef: Weltmeister in Fahrer- und Konstrukteurswertung
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Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es in der Formel 1 zwar sechs deutschsprachige Teamchefs gibt, aber der Teamchef des österreichischen Rennstalls ein Engländer ist: Christian Horner ist wie Toto Wolff ein ehemaliger Rennfahrer, aber er war in seiner aktiven Zeit etwas erfolgreicher. Horner fuhr in den 1990er-Jahren immerhin in der damaligen Formel 3000, was heute der Formel 2 entsprechen würde.
In dieser Phase seiner Karriere gründete Horner den Rennstall Arden. Das macht ihn zu einem der letzten Teambesitzer und Fahrer in Personalunion, die auf diesem Niveau Rennen bestritten haben. 1998 aber vollzog Horner endgültig den Schritt vom Cockpit hin zum Kommandostand und gab das Rennfahren auf, mit 25 Jahren.
Sieben Jahre später wechselte Horner nach einigen Titelgewinnen mit seinem Team Arden in die Formel 1. Red Bull hatte ihn zur Saison 2005 als Teamchef für seinen Rennstall auserkoren. Und der Erfolg gibt beiden Seiten Recht: Horner formte Red Bull zu einem Spitzenteam, das mit Sebastian Vettel erst Siege und dann auch Titel am Fließband erzielte. Mit Max Verstappen knüpft man daran an.
Horner ist mit der früheren Spice-Girl-Sängerin Geri Halliwell verheiratet - und bekannt dafür, mit seinem Bein zu wippen, wenn es im Rennen in die entscheidende Phase geht.
Mattia Binotto
Team: Ferrari
Teamchef seit: 2019
Erfolge als Ferrari-Teamchef: Siege
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Auch wenn der Name Mattia Binotto italienisch klingt: Geboren wurde der aktuelle Ferrari-Teamchef in der Schweiz. Dort hat er auch Maschinenbau studiert. Er kennt sich also aus mit der Materie.
Und er ist jemand, der sich zur Rolle des Teamchefs hochgearbeitet hat: 1995 trat Binotto als ein Motoreningenieur dem damaligen Testteam von Ferrari bei. Von dort wechselte er ins Rennteam und wurde 2016 zum Technischer Leiter befördert. 2019 erhielt er zusätzlich die Berufung zum Teamchef. Allerdings zeichnet Binotto parallel zu seinen Formel-1-Aufgaben noch für die weiteren Aktivitäten der Ferrari-Motorsport-Abteilung verantwortlich.
Otmar Szafnauer
Team: Alpine
Teamchef seit: 2022
Erfolge als Alpine-Teamchef: Punkte
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Otmar Szafnauer ist eigentlich Geschäftsmann durch und durch. Aber auch er kann eigene Motorsport-Erfahrungen vorweisen: In den frühen 1990er-Jahren fuhr er zeitweise in der Formel Ford.
Der in Rumänien geborene US-Amerikaner wechselte dann ins Management und war zunächst für Ford tätig. 1998 übernahm er die Rolle des Betriebsdirektors bei Formel-1-Team BAR. Er blieb bis 2008 und gründete dann die Software-Firma Soft Pauer, die 2009 die offizielle Timing-App der Formel 1 erstellte.
2009 kehrte Szafnauer als Teamverantwortlicher in die Formel 1 zurück und ging zu Force India. Er verließ das Team, dann Aston Martin, nach der Saison 2021 und wurde 2022 Teamchef bei Alpine.
Andreas Seidl
Team: McLaren
Teamchef seit: 2019
Erfolge als McLaren-Teamchef: Sieg
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Andreas Seidl aus Passau in Deutschland kann auf eine erfolgreiche Motorsport-Laufbahn zurückblicken. Angefangen hat er bei BMW, wo er zwischen 2007 und 2009 als Leitender Ingenieur an der Rennstrecke tätig war. Auch in das DTM-Comeback der Marke war er federführend involviert, ehe er zu Porsche wechselte und dort als Teamchef das LMP1-Projekt verantwortete. 2019 stieß er als Teamchef zu McLaren.
Interessant: Seidl ist erst der fünfte Teamchef des britischen Traditionsteams nach Bruce McLaren, Teddy Mayer, Ron Dennis und Martin Whitmarsh. Dessen Nachfolger Eric Boullier trug den Titel Rennleiter. Erst mit der Ankunft von Seidl kehrte die Bezeichnung Teamchef zurück.
Franz Tost
Team: AlphaTauri
Teamchef seit: 2005
Erfolge als AlphaTauri-Teamchef: Siege
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Franz Tost, Jahrgang 1956, ist der aktuell älteste Formel-1-Teamchef. Und er hat in seiner Jugend selbst aktiv Motorsport bestritten: 1983 gewann er den Titel in der österreichischen Formel Ford, trat dann aber zurück und begann ein Studium der Sportwissenschaften. 1993 wechselte er als Teamchef zum Formel-3-Rennstall von Willi Weber und kam 2000 mit Williams und BMW in die Formel 1.
2005 übernahm er die Rolle des Teamchefs bei Toro Rosso, dem heutigen AlphaTauri. Unter Tost erzielte der Rennstall zwei Überraschungssiege, jeweils in Monza: 2008 mit Sebastian Vettel und 2020 mit Pierre Gasly.
Frederic Vasseur
Team: Alfa Romeo
Teamchef seit: 2017
Erfolge als Alfa-Romeo-Teamchef: Punkte
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Frederic Vasseur aus Frankreich hat nach seinem technischen Studium den Weg in den Motorsport gewählt und 1996 sein eigenes Team gegründet, das später den Namen ART erhielt. Es wurde bald zu einer Topadresse im Nachwuchsbereich: ART gewann unter der Regie von Vasseur zum Beispiel mit Lewis Hamilton die Formel-3-Euroserie und den Titel in der damaligen GP2.
2016 holte Renault Vasseur in die Formel 1, aber die Zusammenarbeit endete schon nach einem Jahr. 2017 wechselte Vasseur, ebenfalls als Teamchef, zu Formel-1-Konkurrent Sauber, dem heutigen Alfa Romeo.
Günther Steiner
Team: Haas
Teamchef seit: 2016
Erfolge als Haas-Teamchef: Punkte
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Günther Steiner aus Italien hat seine Motorsport-Laufbahn bei Rallyes begonnen, zunächst als Mechaniker. Ab 2000 hatte er die technische Leitung im Ford-Werksteam in der Rallye-WM (WRC), ehe er als Geschäftsführer zum Formel-1-Team Jaguar stieß.
Red Bull holte Steiner als neuen Teamchef seiner Motorsport-Projekte und setzte ihn zunächst in den USA als Verantwortlichen für die NASCAR-Einsätze ein. Dabei knüpfte Steiner die Kontakte, die ihn schließlich als Teamchef des Haas-Rennstalls zurück in die Formel 1 führen sollten.
Steiner hält sowohl den italienischen als auch den US-amerikanischen Pass und spricht fließend Deutsch, Italienisch und Englisch.
Mike Krack
Team: Aston Martin
Teamchef seit: 2022
Erfolge als Aston-Martin-Teamchef: Punkte
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Mike Krack aus Luxemburg hat einen Großteil seiner beruflichen Laufbahn bei BMW absolviert, und das in unterschiedlichen (technischen) Rollen. Er war zum Beispiel Chefingenieur, als BMW in der Formel 1 das Sauber-Team übernahm. Bei Porsche übernahm er später die Rolle des Leitenden Ingenieurs an der Rennstrecke im LMP1-Programm und leitete ab 2014 sämtliche Motorsport-Aktivitäten von BMW. Zur Saison 2022 kam Krack als Teamchef zu Aston Martin.
Durch die gemeinsame Zeit bei BMW und Porsche kennt Krack McLaren-Teamchef Andreas Seidl, auch mit Sebastian Vettel ist er seit den BMW-Jahren gut bekannt.
Jost Capito
Team: Williams
Teamchef seit: 2021
Erfolge als Williams-Teamchef: Punkte
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Jost Capito hat in seiner aktiven Zeit unter anderem die Truck-Wertung bei der Rallye Dakar 1985 gewonnen. Nach Zwischenstationen bei Porsche und Sauber kam er zum Rallyesport, erst für Ford und später für Volkswagen. Als VW-Sportchef führte er seine Mannschaft in der Rallye-WM ab 2012 zu vier WM-Titeln in Folge.
2016 wechselte Capito zu McLaren in die Formel 1, verließ das Unternehmen allerdings bereits nach drei Monaten wieder. 2020 stieß er schließlich als Geschäftsführer zu Williams, wo zunächst Simon Roberts die Rolle des Teamchefs antrat. 2021 aber übernahm Capito auch diesen Posten.
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