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Formel-1-Comeback am Fuße des Fujisan
Nach 30 Jahren Pause kehrt die Formel 1 nach Fuji zurück - Vorschau mit allen Informationen zur spektakulären Location, der Strecke und ihrer Geschichte
(Motorsport-Total.com) - Als im März 2006 bekannt gegeben wurde, dass der Grand Prix von Japan im Oktober 2007 erstmals wieder in Fuji stattfinden wird, reagierte die Formel-1-Gemeinde mit gemischten Gefühlen: Zwar freute man sich einerseits über die Rückkehr in eine der spektakulärsten Motorsportlandschaften der Welt, andererseits bedauerte man aber den Weggang aus Suzuka.
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Atemberaubende Kulisse: Der Fujisan liegt ganz in der Nähe der Rennstrecke
Dort hatten zwischen 1987 und 2006 insgesamt 20 Formel-1-Rennen stattgefunden, von denen viele fest in der Motorsportgeschichte verankert sind: etwa die legendäre "Kollision des Jahrhunderts" zwischen Alain Prost und Ayrton Senna 1989, die die Weltmeisterschaft zugunsten von Prost entschied, Sennas Retourkutsche ein Jahr später, die Regenschlacht von 1994, in der Damon Hill über sich hinauswuchs, oder Michael Schumachers Motorschaden im elektrisierenden 2006er-Grand-Prix, durch den der siebenfache Champion alle Chancen auf einen achten und letzten Titel verlor.#w1#
An Suzuka kommt Fuji nicht heran
Neben den Fans weinen aber auch die meisten Fahrer der klassischen Strecke in Suzuka mehr als nur eine Träne nach, denn Passagen wie das S-Geschlängel im ersten Sektor und die Mutkurve 130R ließen jahrelang die Herzen von Senna, Schumacher und Co. höher schlagen. Auch die Tunneldurchfahrt - Suzuka ist in Form einer Acht mit Kreuzung angelegt - war und ist ein Unikum der vielleicht beliebtesten modernen Formel-1-Strecke neben Spa-Francorchamps.
Ganz so prickelnd ist der Kurs in Fuji leider nicht: Unter den vier Links- und sechs Rechtskurven befindet sich keine vom Kaliber einer 130R, sondern das enge Infield erinnert eher ein wenig an jenes von Indianapolis. Die Parallele zum US-Grand-Prix ist übrigens generell nicht so weit hergeholt, denn Fuji verfügt auch über die mit 1,475 Kilometern und fast 20 Sekunden Volllast längste Gerade des gesamten Rennkalenders.
Herausragendstes Merkmal neben diesem Vollgasstück, das den V8-Motoren einiges abverlangt, ist der lang gezogene Rechtsborgen 100R, der von den Fahrern noch am meisten Präzision und Können erfordert. Insgesamt wurde das Layout aber weniger auf Herzschlagaction ausgelegt, sondern auf Sicherheit - die Auslaufzonen wurden gegenüber der früheren Streckenversion erweitert und teilweise asphaltiert. Außerdem bietet die Bremszone nach Start und Ziel eine gute Überholmöglichkeit, weil eine langsame Rechtskurve auf die lange Gerade führt, in der die Aerodynamik beim Hinterherfahren nicht allzu stark vom Vordermann beeinträchtigt wird.
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Die Start- und Zielgerade ist mit 1,475 Kilometern Länge die längste der F1 Zoom
Nichts auszusetzen gibt es an der modernen Boxenanlage, die beim Umbau komplett neu errichtet wurde und den aktuellen Formel-1-Standards entspricht. Zwar ist der Paddock nicht so gigantisch geworden wie etwa im chinesischen Shanghai, aber dafür sind die Wege im Fahrerlager bedeutend kürzer - und es ist trotzdem ausreichend Platz vorhanden. Gleiches gilt auch für die vernünftig gestalteten Tribünen, von denen die Zuschauer ausnahmslos hervorragenden Blick auf Videowalls haben.
Umbau: 130 Millionen Euro, zweieinhalb Jahre
Der Umbau des Fuji Speedways wurde im Jahr 2005 nach zweieinhalbjähriger Bauzeit abgeschlossen. Das Projekt verschlang insgesamt 130 Millionen Euro und wurde - wie könnte es anders sein - vom Aachener Architekten Hermann Tilke geleitet, der seit Ende der 1990er-Jahre praktisch alle neuen Formel-1-Strecken gebaut hat, darunter zum Beispiel Kuala Lumpur (Malaysia), Manama (Bahrain), Istanbul (Türkei) und Shanghai (China).
Für die Finanzierung war die Toyota Motor Corporation verantwortlich, die die Betreibergesellschaft des Fuji Speedways im Jahr 2000 übernommen hat. Toyota gelang damit ein für den heimischen Motorsportmarkt in Japan genialer Schachzug, denn endlich konnte man dem Erzrivalen Honda, der ja Eigentümer der Strecke in Suzuka ist, auch mit einer eigenen Rennstrecke die Stirn bieten. Begleitend zur Gründung des in Köln stationierten Formel-1-Teams machte diese Investition großen Sinn.
Atemberaubende Kulisse durch den Fujisan
Spektakuläre TV-Bilder, die die Strecke ins rechte Licht rücken, sind sowieso garantiert, denn der Fuji Speedway verläuft am Fuße des Fujisan, des höchsten japanischen Bergs. Dabei handelt es sich um einen aktiven Vulkan mit minimalem Ausbruchsrisiko, dessen Gipfel 3.776 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Der Fujisan ist schätzungsweise 100.000 Jahre alt und wurde im Jahr 663 von einem unbekannten Mönch erstmals bestiegen. Der letzte dokumentierte Ausbruch des Vulkans ereignete sich vor genau 300 Jahren, 1707.
Der Fujisan befindet sich geologisch gesehen in der Berührungszone der Eurasischen Platte, der Pazifischen Platte und der Philippinenplatte und gehört zu den Schichtvulkanen des pazifischen Feuerrings. Geografisch gesehen liegt er auf der japanischen Hauptinsel Honshu; an der Grenze zwischen den Präfekturen Yamanashi und Shizuoka, wo sich auch sein Gipfel befindet.
Heute eine beliebte Touristenattraktion, die vor allem von Hobbybergsteigern besucht wird - im Sommer erklimmen pro Tag bis zu 3.000 Menschen den Gipfel -, ist der Fujisan immer noch ein Heiligtum des Shintoismus, einer fast ausschließlich in Japan praktizierten Religion. Daher war der Aufstieg auf den Gipfel lange Zeit dem männlichen Geschlecht vorbehalten, was inzwischen natürlich nicht mehr der Fall ist.
Im Deutschen ist der Fujisan auch als Fudschijama bekannt, dabei handelt es sich allerdings um eine falsche Übersetzung. Die Bezeichnung Fudschijama beruht auf einer falschen Lesung des Zeichens "?" (Berg). Die Kunyomi-Aussprache dieses Zeichens lautet zwar -yama, in Komposita wird aber üblicherweise die Onyomi-Aussprache -san verwendet. Der richtige Name lautet daher Fujisan oder auch nur Fuji (ähnlich wie Mount Everest beziehungsweise Everest).
Region infrastrukturell eher unterentwickelt
Abgesehen von dem spektakulären Wahrzeichen der Strecke hat die Region nicht allzu viel zu bieten: In der Hügellandschaft rund um den Fuji Speedway gibt es nur einen Hauptzufahrtsweg sowie mehrere kleine Straßen, aber die Infrastruktur ist äußerst schlecht ausgebaut. Das betrifft vor allem die Logistiker der Formel-1-Teams, die jedes Jahr vor der aufgrund dieser Umstände schwierigen Herausforderung stehen, für ihre Arbeitskollegen die Unterkünfte und Transporte vor Ort zu organisieren. Dieses Manko ist übrigens keineswegs neu, sondern war auch schon beim bisher letzten Grand Prix in Fuji ein Thema, als Sieger James Hunt die Strecke noch vor der offiziellen Siegerehrung hastig verließ, um dem Verkehrschaos zu entgehen.
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Das Fahrerlager ist modern, aber nicht so gigantisch wie etwa jenes in Shanghai Zoom
Die Stadt Fuji, durch die ein gleichnamiger Fluss strömt, liegt in der japanischen Präfektur Shizuoka und wurde wurde 1954 aus der Gemeinde Fuji und zwei Dörfern gebildet. 1966 fusionierte sie mit der Stadt Yoshiwara und der Gemeinde Takaoka, 2001 erhielt sie offiziell den Status einer Großstadt. Die Einwohnerzahl liegt bei knapp 250.000, was einer Bevölkerungsdichte von 1.138 Einwohnern pro Quadratkilometer entspricht.
Mit allzu vielen Sehenswürdigkeiten kann Fuji nicht aufwarten, dafür gilt die Region aber als motorsportliches Zentrum Japans, in kleinerem Maßstab vergleichbar mit dem Großraum Silverstone in Großbritannien. Im nahe gelegenen Gotemba ist unter anderem das TOM'S-Team beheimatet, quasi die offizielle Toyota-Werkstruppe in Japan, für die 2006 ein gewisser Adrian Sutil die Japanische Formel-3-Meisterschaft bestritten hat.
Formel-1-Fahrer mit Japan-Erfahrung
Sutil ist übrigens nicht der einzige Fahrer, der einen Teil seiner Rennfahrerausbildung in Japan bestritten hat, sondern auch Ralf Schumacher und Sakon Yamamoto sammelten dort prägende Eindrücke. Ein Jahr in Japan bedeutet für einen angehenden Grand-Prix-Piloten nämlich nicht nur Rennen abseits der traditionellen Serien in Europa, sondern vor allem auch eine erzwungene Eigenständigkeit fernab von Eltern und Management. Vor den angesprochenen Formel-1-Stars profitierten davon unter anderem auch schon Eddie Irvine und Mika Salo.
Erstmals eröffnet wurde der Fuji Speedway im Jahr 1966. Die Strecke hätte ursprünglich ein Ovalkurs im amerikanischen Stil - die lange Start- und Zielgerade ist das einzige Überbleibsel dieses Plans - werden sollen, doch das scheiterte an der Finanzierung. Stattdessen entstand ein konventioneller Rundkurs, dessen Charakter in der heutigen Version im Wesentlichen erhalten geblieben ist. Zu den Änderungen gehört unter anderem der letzte Streckenabschnitt, in dem die frühere schnelle Mutkurve durch ein langsames Geschlängel ersetzt wurde, um Überholmanöver zu ermöglichen.
1976 fand in Fuji der erste Japan-Grand-Prix überhaupt statt - und das Rennen sollte in die Geschichtsbücher eingehen: Bei strömendem Regen und Nebel stieg Niki Lauda schon nach zwei Runden freiwillig aus, womit er James Hunt den Weg zum WM-Titel freimachte. Den Sieg sicherte sich Mario Andretti auf Lotus. Ein Jahr später gewann Hunt selbst auf McLaren, Lauda stand zu jenem Zeitpunkt aber bereits als Weltmeister fest.
1977: Erste von vielen Tragödien
Ebenfalls 1977 ereignete sich eine schwere Tragödie: Gilles Villeneuve fuhr beim Anbremsen der Rechtskurve nach Start und Ziel auf den Tyrrell von Ronnie Peterson auf, hob ab und segelte mit seinem Ferrari über die Streckenbegrenzung hinweg in einen an und für sich gesperrten Bereich, in dem sich aber einige Menschen verbotenerweise aufhielten. Ein Streckenposten und zwei Zuschauer kamen dabei ums Leben, einige weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Fuji wurde daraufhin aus dem Formel-1-Kalender gestrichen.
Doch schwere Unfälle ereigneten sich in Fuji auch nach der Formel-1-Ära: 1997 starb Takashi Yokoyama bei einem Formel-3-Rennen, als sein Fahrzeug bei Start und Ziel auf ein anderes Auto auffuhr, wie eine Rakete abhob und die Ampelbrücke rammte. Nur ein Jahr später forderte eine Kollision samt Feuerunfall bei einem Lauf zur Japanischen Super-GT-Serie für mehrere Verletzte, darunter auch einige Zuschauer. Nicht zuletzt deshalb war es Hermann Tilkes Hauptauftrag, die Sicherheitsstandards durch den Umbau massiv anzuheben.
280.000 Zuschauer am Wochenende, 140.000 am Renntag
Ungeachtet dessen erwarten die Veranstalter am kommenden Wochenende einen regen Zuschauerzuspruch, denn im Gegensatz zu den ersten Fuji-Gastspielen in den 1970er-Jahren ist die Formel 1 in Japan inzwischen ein echter Publikumsmagnet. Kein Wunder: Mit zwei japanischen Herstellern (Honda und Toyota), einem weiteren japanischen Team (Super Aguri) und zwei japanischen Fahrern (Takuma Sato und Sakon Yamamoto) gibt es für die Fans jede Menge Identifikationspotenzial. Insgesamt 280.000 Zuschauer sollen an den drei Tagen nach Fuji kommen.
2008 wird es wohl ähnlich sein, 2009 kehrt Bernie Ecclestones PS-Zirkus dann aber wieder nach Suzuka zurück. Aufgrund der Sympathien für Suzuka innerhalb der Formel-1-Gemeinde haben sich die zuständigen Verhandler nämlich auf ein Rotationssystem geeinigt, das eine abwechselnde Austragung in Fuji beziehungsweise Suzuka vorsieht - ähnlich wie auch in Deutschland mit dem Nürburg- und Hockenheimring.
Übrigens: Der Fuji Speedway war die erste real existierende Strecke in einer Computer-Rennsimulation. Zuerst wurde er 1982 im Arcadespiel "Pole Position" (Namco/Atari) eingesetzt. Umso verwunderlicher, dass die Fahrer vor dem Comeback im Jahr 2007 keine Gelegenheit hatten, auf der PlayStation zu trainieren, weil die Strecke damals noch nicht verfügbar war...
Alle bisherigen Grands Prix in Fuji:
© Schlegelmilch
James Hunt (im Auto) und Niki Lauda schrieben 1976 und 1977 Fuji-Geschichte Zoom
1977:
Niki Lauda (Ferrari) steht vor dem Rennen als Weltmeister fest und verzichtet auf eine Teilnahme, weil er für 1978 bereits bei Brabham unterschrieben hat. Vorjahressieger und Polesetter Mario Andretti (Lotus) scheidet schon in der ersten Runde durch eine Kollision mit Jacques Laffite (Ligier) aus, während James Hunt (McLaren) mit mehr als einer Minute Vorsprung vor Carlos Reutemann (Ferrari) und Patrick Depailler (Tyrrell) gewinnt. Überschattet wird all dies von einer schweren Tragödie: Lauda-Ersatzmann Gilles Villeneuve (Ferrari) verunfallt nach einer Berührung mit Ronnie Peterson (Tyrrell) schwer. Weil sein Auto hinter die Absperrungen segelt, sterben ein Streckenposten und zwei Zuschauer. Weitere neun Zuschauer werden zum Teil schwer verletzt.
1976:
Mit einer Runde Vorsprung auf Patrick Depailler (Tyrrell) gewinnt Lotus-Pilot Mario Andretti den ersten Grand Prix von Japan. Das Rennen steht aber ganz im Zeichen der WM-Entscheidung zwischen James Hunt (McLaren) und Niki Lauda (Ferrari): Hunt qualifiziert sich für den zweiten, Lauda für den dritten Startplatz, doch weil Lauda wenige Wochen nach seinem Feuerunfall am Nürburgring im Rennen schon nach zwei Runden wegen des strömenden Regens und der schlechten Sicht aussteigt, reicht Hunt ein dritter Platz zum Titelgewinn. Schlussendlich entscheidet ein einziger Punkt über Sieg oder Niederlage.