Fahrstil-Vergleich Sainz vs. Albon: "Fühlt sich noch nicht natürlich an"

Carlos Sainz hat alle drei Qualifyings 2025 gegen Alexander Albon verloren, kommt aber langsam dahinter, was er als Fahrer in Zukunft anders anlegen muss

(Motorsport-Total.com) - Es gibt in der Formel 1 2025 bisher nur drei Teams, bei denen ein Fahrer alle drei bisherigen Qualifying-Sessions gewonnen hat. Red Bull - wenig überraschend - zu Gunsten von Max Verstappen gegen den angezählten "Halbrookie" Liam Lawson. Mercedes zu Gunsten von George Russell gegen den echten Rookie Andrea Kimi Antonelli. Und Williams.

Titel-Bild zur News: Carlos Sainz

Carlos Sainz gelingt es im Qualifying noch nicht, das Potenzial des FW47 voll auszuschöpfen Zoom

Carlos Sainz belegte in Q2 am Samstag den 15. Platz, 1,053 Sekunden hinter der Bestzeit von Lando Norris. Sein Teamkollege Alexander Albon zog als Zehnter ins Top-10-Finale ein. Hauchdünne 0,030 Sekunden vor Esteban Ocon im Haas, aber 0,245 Sekunden vor Sainz. "Letztlich war es nur eine einzige Kurve, die ihn von Alex unterschieden hat", behauptet Williams-Teamchef James Vowles.

Beim Blick auf die Telemetrie-Overlays von Sainz und Albon gewinnt man spannende Erkenntnisse. Erstens: Die Kurve, in der Sainz alles verloren hat, war die letzte, Turn 15. Sainz kam dort mit 0,036 Sekunden Vorsprung auf Albon an, bremste einen Hauch später in die Kurve rein, hatte dadurch aber am Ausgang viel weniger Schwung.

Ein Muster, das sich im direkten Vergleich der Williams-Piloten durchzieht: Vom Brems- zum Scheitelpunkt gewinnt Sainz in fast jeder Kurve erheblich Zeit auf Albon. Am deutlichsten übrigens in der Haarnadel, Turn 14 - dort betrug sein Vorsprung zwischenzeitlich 0,427 Sekunden. Aber Albon kommt ebenso zuverlässig schneller wieder aus den Kurven raus.

"Ich habe im letzten Sektor der letzten Runde drei Zehntel verloren", analysiert Sainz. "In den anderen Kurven war ich mehr oder weniger dabei. Es sind Kleinigkeiten, die sich summieren. Diese Art zu fahren, wie man im Qualifying fahren muss, kommt bei mir noch nicht natürlich. Ich bin daran gewöhnt, etwas zu tun, was im Moment im Qualifying einfach nicht zu funktionieren scheint."

Sainz optimistisch: Ich kriege das hin!

Es sei für ihn "ein bisschen kontraintuitiv, was da gerade passiert". Dass der Williams FW47 grundsätzlich nicht zu seinem Fahrstil passe, befürchtet der Spanier nicht: "Es ist nicht so, dass er mir nicht liegt. Ich kann in bestimmten Kurven und Situationen sehr schnell sein." Aber: "Wenn du ein bisschen mehr pushst und versuchst, mit zunehmendem Grip und besser werdender Strecke Zeit zu finden ... Was auch immer ich versuche, es scheint im Qualifying nicht aufzugehen. Am Ende bin ich eher langsamer als schneller."

Das sei in Shanghai die "gleiche Geschichte" wie beim Saisonauftakt in Melbourne gewesen. Sainz fuhr in Q1 eine Bestzeit von 1:31.628 Minuten, im Vergleich zu Albons Zeit von 1:31.503 Minuten. Die Q1-Zeit hätte zwar auch nicht gereicht, um ins Q3 einzuziehen - war aber trotzdem um zwei Zehntelsekunden schneller als die Q2-Zeit.

Die Runde in Q1 sei "ordentlich" gewesen, findet Sainz: "Ich fühle mich zwar noch nicht auf 100 Prozent, aber immerhin gut genug, um in Q1 in die Top 10 zu kommen. Als ich in Q2 etwas mehr gepusht und versucht habe, Zeit zu finden, habe ich ein paar Dinge im Ansatz im Vergleich zu Freitag geändert. Aber das hat nicht wirklich viel gebracht. Ich war in Q2 sogar langsamer als in Q1. Das ist dann der Preis, den man zahlt."

Woran das genau liegt, dafür haben Sainz und die Williams-Ingenieure bislang nur "Theorien, die man dann ausprobiert, um zu sehen, ob sie funktionieren. Heute habe ich etwas ausprobiert, was offenbar nicht funktioniert hat. Ich werde also wieder von vorn anfangen und im nächsten Rennen etwas anderes probieren und sehen, ob das klappt."

"Für mich ist klar, dass ich unter bestimmten Bedingungen sehr schnell sein kann. Ich war beim Wintertest in Bahrain sehr schnell. Also in bestimmten Situationen und Kurventypen bin ich schnell. Aber in anderen - vielleicht bei einem bestimmten Asphalt, bestimmten Kurventypen - mache ich noch nicht genau das, was ich machen sollte. Wenn ich in den nächsten Wochen meine Hausaufgaben mache, dann mache ich in Japan den nächsten Schritt. Ich bleibe dran, aber im Moment fühlt es sich noch nicht natürlich an."


Erstaunlich ist, dass Sainz "direkt aus der Box raus gleich eine gute Runde fahren" kann: "Das Auto gibt mir also grundsätzlich ein ordentliches Maß an Vertrauen." Aber kaum muss er drei, vier, fünf schnelle Einzelrunden hintereinander fahren, wie zum Beispiel in einem Qualifying, dann beginnen seine Probleme. "Ich fange an, da ein gewisses Muster zu erkennen, das ich angehen muss."

Nicht das erste Mal in dieser Situation

Immerhin ist die Situation für den 30-Jährigen nicht neu. 2017 wechselte er von Toro Rosso zu Renault. 2019 von Renault zu McLaren. 2021 von McLaren zu Ferrari. Und jetzt von Ferrari zu Williams. "Das ist mir jedes Mal passiert, wenn ich das Team gewechselt habe", gibt er sich unbesorgt.

"Es kann sein, dass du das Team wechselst, und dann ist deine Rennpace die Schwäche, oder das Reifenmanagement, oder vielleicht die Q1s, weil du dich noch nicht auskennst. Jetzt habe ich das Team gewechselt, und es scheint, dass die Steigerung im Qualifying bei Williams mein Schwachpunkt ist. Aber das ist normal, ich akzeptiere das. Natürlich bin ich enttäuscht, weil ich mir wünsche, dass alles etwas schneller und natürlicher kommt, in einer idealen Welt. Aber es ist erst das zweite Rennen von 22. Wir werden hart daran arbeiten, und ich bin sicher, wir finden Lösungen."

Inzwischen zeigt Albon, was mit dem Williams geht. Der Thailänder belegte im Qualifying den zehnten Platz - und ist damit zufrieden, denn: "Es fühlt sich so an, als hätten die RBs an diesem Wochenende die Oberhand im Mittelfeld und sitzen den Topteams im Nacken. Wenn man alle anderen herausrechnet, war P10 sozusagen unser goldenes Ziel. Also war es etwas ganz Besonderes, derjenige zu sein, der am vorderen Ende dieser Gruppe lag."

Auf die Frage nach seinem Ziel für das Rennen antwortet Albon: "P10 ist realistisch. Ich bete, dass der harte Reifen alle Probleme löst. Das Problem ist auch, dass Pirelli den Mindestdruck von Freitag auf Samstag erhöht hat, was uns beim Graining nicht hilft. Aber das gilt für alle. Wir müssen uns als Team einfach verbessern. Ich denke, wir haben in Melbourne schon erste Anzeichen gesehen. Wir hatten Schwierigkeiten, die Vorderreifen zu managen, während man sehen konnte, dass die RBs da schon sehr gut waren. Dieses Wochenende zeigt sich das noch deutlicher."

Der Shanghai International Circuit mit der schier endlos wirkenden Schneckenkurve nach Start und Ziel stellt besonders für den linken Vorderreifen eine extreme Belastung dar. "Wenn man unser Sprintrennen gesehen hat, hatten wir extrem starkes Graining auf der Vorderachse", sagt Albon. Sainz kam in dem 19-Runden-Rennen sogar zum Reifenwechsel an die Box, um etwas für das richtige Rennen dazuzulernen. "Und er hatte trotzdem noch starkes Graining und hohen Verschleiß vorne", rätselt Albon. "Also wir machen da was falsch."

"Wir beanspruchen die Vorderreifen mehr als die anderen Teams, besonders im Vergleich zu den RBs und Alpines im Longrun. Deshalb haben wir eine große Änderung am Auto vorgenommen. Ich weiß aber nicht, ob wir das Problem wirklich behoben haben. Es fühlt sich immer noch ein bisschen zu ähnlich zu dem Auto an, das ich im Sprint-Qualifying gefahren bin. Also wird die Zeit zeigen, ob es wirklich besser ist", meint er.

Dazu kommt laut Sainz: "Das Auto ist an diesem Wochenende nicht besonders konkurrenzfähig. Wir scheinen in langen Kurven zu kämpfen. Man sieht, dass wir klar hinter den Racing Bulls und ein paar anderen Autos zurückliegen. In Australien waren wir mitten im Feld. Hier scheinen wir ein Stück dahinter zu sein."

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