F1 Bahrain 2020, Freitag: "Ich hoffe, es ist nicht Roscoe?"
Lewis Hamilton fährt Bestzeit im Freien Training in der Sachir-Wüste, aber Toto Wolff ist davon überzeugt, dass Max Verstappen in den Longruns am schnellsten war
(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel hat das Lachen also doch noch nicht verlernt. Als das zweite Freie Training zum Grand Prix von Bahrain (Formel 1 2020 live im Ticker!) unterbrochen werden musste, weil sich ein streunender Hund aus der Sachir-Wüste auf die Rennstrecke verirrt hatte, bewies er als Sänger am Boxenfunk den besten Humor: "Who let the Dogs out?"
© Motorsport Images
Lewis Hamilton sicherte sich die Freitagsbestzeit in Bahrain Zoom
"Wenn ich gewusst hätte, dass man Hunde mitnehmen darf, hätte ich meinen auch mitgebracht", witzelte er mit seinem Renningenieur, als er nach der zweiten Unterbrechung binnen weniger Runden ganz langsam zurück an die Box rollte.
Die roten Flaggen waren freilich völlig gerechtfertigt. Wie gefährlich ein Hund auf der Strecke sein kann, weiß Bruno Senna seit seinem bizarren GP2-Unfall in Istanbul 2008. Und Lewis Hamilton wurde ganz anders, als er hörte, dass wegen eines Hundes unterbrochen wurde: "Ich hoffe, es ist nicht Roscoe?", machte er sich Sorgen. Der saß zu dem Zeitpunkt fröhlich in der Mercedes-Box.
Dass Vettel gut gelaunt ist, ist kein Wunder. Teamchef Mattia Binotto ist zu Hause in Maranello geblieben, und das war schon in Istanbul ein gutes Omen für den Ferrari-Routinier. Am Ende des zweiten Freien Trainings lag er zwar nur an 13. Position des Tagesklassements - aber er war um 0,297 Sekunden schneller als Teamkollege Charles Leclerc (14.).
Vettel: Ist das die späte Trendwende bei Ferrari?
Das war diesmal auch kein Ausrutscher, sondern Vettel fuhr im ersten und zweiten Sektor schneller als Leclerc, und im dritten waren die beiden auf die Tausendstelsekunde gleich schnell. Praktisch zeitgleich kursieren in Italien Gerüchte, dass Ferrari am Auto etwas umgestellt haben soll. Ob das der Grund für den plötzlichen Umschwung ist?
Auf die Spitze fehlen Vettel freilich 1,139 Sekunden. Zunächst hatte es lange nach einer Bestzeit für Max Verstappen ausgesehen. Der Red-Bull-Pilot fuhr auf den Mediums (C3) eine Zeit von 1:29.318 Minuten. Daran bissen sich die Mercedes-Fahrer zunächst die Zähne aus.
Doch Hamilton zog relativ spät noch einen zweiten Satz Soft auf, mit dem er die Tagesbestzeit auf 1:28.971 Minuten schraubte und Verstappen um 0,347 Sekunden unterbot. "Das Auto ist schnell", sagt Teamchef Toto Wolff. "Im Longrun war Verstappen der Schnellste, gefolgt von Valtteri und Lewis. Also alles gut."
Hamilton gilt nun als Favorit auf den Sieg am Sonntag. Bahrain 1 2020, das ist nach dem Freitagstraining unter Flutlicht evident, wird ein Rennen für "Reifenflüsterer". Die Kombination aus dem grobkörnigen Asphalt und den hohen Temperaturen sorgt dafür, dass dieses Rennwochenende quasi das komplette Gegenteil von Istanbul zu werden scheint.
Es waren gerade 15 Minuten gefahren, da wollte Verstappen am Boxenfunk von seinem Renningenieur wissen: "Wer ist das vor mir? Der driftet richtig schön." Was er nicht sehen konnte: Es war Hamilton. Der meldete seinerseits am Boxenfunk, fast synchron: "Ich habe null Grip."
Verstappens Longruns auf Augenhöhe mit Bottas
Im Hinblick auf das Rennen scheint Mercedes durch Verstappen Konkurrenz zu haben. Die Longruns zu lesen, war aufgrund der beiden roten Flaggen schwierig. Aber Valtteri Bottas' Renningenieur ließ tief blicken, als er meldete, dass die ersten Runden des Longruns des Finnen genauso schnell waren wie die von Verstappen.
"Wir haben noch ein bisschen was zu tun", seufzt Hamilton. Sein Tag sei "nicht besonders" gewesen, "aber das geht hier wahrscheinlich allen so. Die Strecke ist rutschig und staubig. Und diese Strecke zermürbt die Reifen total. Wie Tag und Nacht im Vergleich zu Portimao oder Istanbul."
Für Verstappen ist trotzdem "ganz klar", dass Mercedes schnell ist: "Wir müssen uns einfach darauf konzentrieren, dass die Balance besser wird. Es wird auf die Reifen ankommen, denn der Abbau pro Runde ist ziemlich stark." Und da ist Teamchef Christian Horner optimistisch: "Max Longruns waren ziemlich gut. Ich hoffe, wir werden im Renntrimm konkurrenzfähig sein."
Allerdings lief es nur für eine Hälfte der Red-Bull-Garage erfreulich. Alexander Albon hatte am Ende des Tages zwar nur sieben Zehntelsekunden Rückstand auf seinen Teamkollegen, was Horner als Fortsetzung seines Aufwärtstrends wertet. Aber mit einem Crash in der Zielkurve war er auch verantwortlich für die erste der beiden roten Flaggen.
"Mich hat überrascht, wie wenig Grip da war", erklärt sich Albon, der bei dem relativ heftigen Abflug zum Glück unverletzt blieb. "Ich bin vom Gas, aber nicht genug. Wenn ein Rad neben der Fahrbahn ist und eins auf dem Asphalt, dann passiert sowas."
Hinter Mercedes und Verstappen geht's eng zu
Erfreulich: Wenn schon die beiden WM-Titel vergeben sind, so geht es zumindest auf der Strecke noch spannend zu. Die Top 10 lagen am Freitag innerhalb von einer Sekunde. Hinter Bottas reihten sich, aufgefädelt wie auf einer Perlenkette, Sergio Perez (Racing Point), Daniel Ricciardo (Renault) und Pierre Gasly (AlphaTauri) ein.
Lance Stroll (Racing Point) auf P8 hatte nur eine halbe Sekunde Rückstand auf Verstappen. Die beiden wären sich auf der Strecke übrigens beinahe ins Gehege gekommen. Anders als in Istanbul setzte sich diesmal aber die Vernunft durch und Stroll steckte zurück. "Habt ihr das gesehen?", funkte Verstappen an seinen Renningenieur.
Esteban Ocon (12./Renault) und Kimi Räikkönen (19./Alfa Romeo) kassierten Geldstrafen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung in der Boxengasse. Anders als Robert Kubica: Der Pole schaffte als Freitagspilot bei Alfa Romeo als 16. eine beachtliche Zeit, war nur um 0,105 langsamer als Antonio Giovinazzi (15.) und sogar schneller als Räikkönen.
Neben den Reifen sind in Bahrain auch die Track-Limits wieder ein großes Thema. Nach einer halben Stunde waren in FT2 schon die ersten zehn Zeiten gestrichen. In Kurve 4 kam ein Fahrer nach dem anderen neben die Strecke. Daniil Kwjat (9./AlphaTauri) funkte daraufhin an den FIA-Rennleiter: "Michael, lass uns diese Track-Limits doch endlich abschaffen!"
Das Nacht-Qualifying in Bahrain steigt am Samstag ab 15:00 Uhr deutscher Zeit. Bereits davor kämpft Mick Schumacher in der Formel 2 um die Krönung zum Champion. Das heutige Qualifying verlief aus seiner Sicht unbefriedigend: Sein schärfster Titelrivale Callum Ilott sicherte sich die vier Punkte für die Pole-Position, während er selbst nur Zehnter wurde ...
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