Drink mit Eddie Irvine: Hamilton hat mehr Talent als Rosberg

Zweite Folge von "Ein Drink mit Eddie Irvine": Warum Michael Schumacher einfach mehr Talent hatte und Nico Rosberg in einer ähnlichen Situation ist

(Motorsport-Total.com) - Eddie Irvine, der ehemalige Vorzeige-Playboy der Formel 1, findet, dass Lewis Hamilton trotz des Sieges von Nico Rosberg beim Saisonauftakt 2016 in Melbourne (Australien) klarer Favorit auf den Gewinn des WM-Titels ist: "Nico liefert großartige Arbeit ab, er macht nicht viele Fehler. Aber er muss besorgt sein, denn wenn Lewis den Start nicht verpatzt hätte, hätte er das Rennen gewonnen", sagt der 50-jährige Nordire in der zweiten Folge unserer neuen Video-Interviewserie "Ein Drink mit Eddie Irvine".

Titel-Bild zur News: Eddie Irvine

Eddie Irvine glaubt, dass Lewis Hamilton trotz Melbourne Favorit auf den Titel ist Zoom

Irvine findet, dass Hamilton das ganze Wochenende hindurch "der schnellere Fahrer" war. Daher erwartet er trotz des Rennausgangs in Melbourne - es war, 2015 eingerechnet, Rosbergs vierter Sieg in Folge - keine Verschiebung des Mercedes-internen Kräfteverhältnisses: "Die letzten paar Jahre haben gezeigt, dass Lewis einfach der schnellere Fahrer ist. Es ist schade, das sagen zu müssen, aber es ist einfach so."

"Es ist schwierig, jemanden zu besiegen, der mehr Talent hat. So ist das im Sport. Du kannst so hart arbeiten, wie du möchtest, aber einige haben einfach mehr Talent", erklärt Irvine und erinnert sich an gemeinsame Ferrari-Jahre mit Michael Schumacher: "Das war bei Michael so, und das scheint jetzt zwischen Lewis und Nico so zu sein. Nico muss da rauskommen und sich ein besseres Auto suchen. Das Problem ist, dass es momentan kein besseres Auto als den Mercedes gibt."

Vergleichbare Situation wie 1996 bei Ferrari

Auch die Tatsache, dass einem ein gelungener Saisonstart wichtiges psychologisches Momentum geben kann, möchte Irvine nicht überbewerten. Er selbst gewann 1996, übrigens ebenfalls in Melbourne, gleich sein erstes Ferrari-Qualifying gegen Schumacher, sah danach aber trotzdem nie wieder Land gegen den übermächtigen Deutschen. Seine Situation sei die gleiche gewesen wie jene von Rosberg heute: Der Teamkollege hatte einfach mehr Talent.

Dabei war Irvine in langsamen Kurven oftmals sogar schneller als Schumacher, "aber er schaute sich meine Telemetriedaten an und konnte genau kopieren, was ich tat". Umgekehrt fiel es Irvine nicht so leicht, Schumacher zu kopieren: "Ich habe versucht, ihn zu kopieren, aber es war unmöglich. Darum ist Michael siebenmaliger Weltmeister." Schumacher habe "einen sechsten Sinn" dafür gehabt, wo auf der Strecke am meisten Grip zu finden war.

Schumacher konnte alles von Irvine kopieren

"Ich erinnere mich an die letzte Kurve in Silverstone: Ich war um zwei, drei Zehntelsekunden schneller als er, weil ich nicht bremste. Ich fuhr wirklich schnell rein, lenkte ein und ließ das Auto selbst die Kurve hindurch die Geschwindigkeit abbauen. Michael hingegen bremste", erinnert sich Irvine. "Er sah sich das an, kopierte, was ich tat - und schwupps hatte er die Zeit gefunden. Aber durch Copse war Michael unfassbar schnell. Da kam keiner seiner Teamkollegen je auch nur in die Nähe."

Eddie Irvine, Michael Schumacher

Eddie Irvine hatte gegen Michael Schumacher fast immer das Nachsehen Zoom

Die einzige Möglichkeit, Schumachers Übermacht zu durchbrechen, wäre gewesen, gar nicht erst zu Ferrari zu wechseln, schmunzelt Irvine. Aber: "Ich wollte unbedingt für Ferrari fahren, denn diese Chance wäre vielleicht nie wieder gekommen." Und 1999, als Schumacher nach seinem schweren Unfall in Silverstone verletzungsbedingt pausieren müsste, wäre Irvine beinahe tatsächlich erster Ferrari-Weltmeister seit 20 Jahren geworden. Am Ende fehlten nur zwei Punkte.

Heute betrachtet er es als "lehrreiche Erfahrung", Schumachers Teamkollege gewesen zu sein: "Erfahrung in dem Sinn, dass ich mir sein Können genau ansehen konnte - denn letztendlich kannst du nichts dagegen tun, wenn jemand einfach mehr Können hat als du selbst. Es war nicht so, dass er das Auto besser abstimmen konnte oder in diesem und jenem besser gewesen wäre. Sondern er hatte einfach eine erstaunliche Fähigkeit, Grip zu spüren."