Dreher und zurückgenommene Strafe: So wild war das Debüt von Antonelli
Mercedes protestiert gegen eine Strafe und bekommt Recht: Andrea Kimi Antonelli bekommt Rang vier zurück und blickt auf ein turbulentes Debüt
(Motorsport-Total.com) - Wenn man es negativ sehen möchte, dann patzte Andrea Kimi Antonelli im Qualifying im Albert Park, drehte sich im ersten Stint des Rennens und erhielt eine Fünf-Sekunden-Strafe, die ihn von Platz vier auf Platz fünf zurückwarf. Trotzdem erlebte der 18-Jährige in Australien ein gelungenes Formel-1-Debüt und bekam am Ende sogar seinen vierten Platz wieder zurück.

© LAT Images
Andrea Kimi Antonelli hat sein erstes Formel-1-Rennen hinter sich Zoom
"Einige sehr gute Fahrer haben sich gedreht oder sind in die Mauer gefahren, es war leichter, das Rennen nicht zu beenden als es zu beenden", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bei Sky Sports F1. "Er hat einen kühlen Kopf bewahrt, und das war sehr beeindruckend zu sehen. Es zeigt, dass er eine gute Zukunft vor sich hat, solange die Entwicklung so weitergeht."
Antonellis Fehler im Qualifying, der ihn auf Startplatz 16 zurückließ, war eine Frage des Winkels: Er fuhr nicht so weit über den Randstein in Kurve 6 wie viele andere Fahrer, doch die Kombination aus Aufprallwinkel und dem Kies, den andere Autos auf die Strecke getragen hatten, beschädigte den Unterboden seines W16.
Ein Start aus dem hinteren Feld wäre bereits bei guten Bedingungen am Sonntag eine Herausforderung gewesen. Doch ein Debüt im Nassen in Melbourne ist noch einmal eine ganz andere Stufe - das mussten auch die anderen Rookies im Feld erleben.
Die Lernkurve wurde durch das frühe Safety-Car nach dem Dreher von Jack Doohan noch steiler: Die langsamere Pace ließ die Reifentemperaturen drastisch fallen. "Es war am Anfang super schwierig", sagt Antonelli. "Und hinter dem Safety-Car kühlten die Reifen massiv ab."
"Der Grip war quasi nicht vorhanden. Und mit all den weißen Linien war es extrem tricky - sobald man drüberfährt, selbst in schnellen Kurven, verliert man plötzlich den Grip", so der Italiener.
Wie George Russell: Dreher in Kurve 4
Nachdem er Nico Hülkenberg in Runde 15 für Platz zwölf überholt hatte, drehte sich Antonelli jedoch und musste sich wieder nach vorne kämpfen. Dabei passierte ihm das gleiche Missgeschick an der gleichen Stelle wie Teamkollege George Russell im Training. "Ich hatte Glück, dass ich mich an einer sicheren Stelle gedreht habe", sagt er.
"Nach meinem Fehler hat das mein Selbstvertrauen ein bisschen angekratzt. Aber das Team hat großartige Arbeit geleistet, mich zu beruhigen und wieder in den Rhythmus zu bringen, und sie haben alle richtigen Entscheidungen getroffen", so Antonelli.
Die erste Hälfte des Rennens war geprägt von Unsicherheiten bei der Reifenwahl - insbesondere, ob man noch einmal auf Intermediates wechseln oder auf Slicks gehen sollte, als sich eine trockene Linie bildete.
Nachdem Antonelli Hülkenberg erneut überholt hatte, zog er auch an Lance Stroll vorbei und übernahm Rang zehn, als Fernando Alonso in Runde 34 in die Wand krachte und erneut das Safety-Car auslöste. Mercedes nutzte die Gelegenheit und holte Antonelli an die Box, um auf Slicks zu wechseln.
Doch das Wetterradar deutete auf eine baldige Regenfront hin - die Frage war nur, ob der böige Wind die Wolken von der Strecke wegtreiben würde.
Richtige Entscheidung für Intermediates
Mercedes reagierte sofort und rief Antonelli am Ende von Runde 44 wieder an die Box, um ihn zurück auf Intermediates zu setzen - genau nachdem die beiden McLaren von Lando Norris und Oscar Piastri fast identische Ausrutscher im Nassen hatten.
"Ich wollte eigentlich noch eine Runde draußen bleiben, weil es sich anfühlte, als wäre nur Sektor drei nass und der Rest der Strecke trocken", erklärt Antonelli. "Aber es war gut, auf Nummer sicherzugehen, denn dann fing es richtig an zu regnen."
"Noch eine Runde draußen zu bleiben, hätte funktionieren können, aber es war die richtige Entscheidung, reinzukommen, und das Team hat großartige Arbeit geleistet", lobt er.
Der Regen war, wie vorhergesagt, kurz und heftig und betraf schließlich die gesamte Strecke - was denen zugutekam, die sofort gestoppt hatten. Antonelli kehrte auf Platz acht auf die Strecke zurück.
Dreher von Liam Lawson und Gabriel Bortoleto sorgten für eine weitere Safety-Car-Phase, und Antonelli machte drei weitere Plätze gut, als Lewis Hamilton, Charles Leclerc und Yuki Tsunoda verspätet auf Intermediates wechselten. Beim finalen Sechs-Runden-Sprint nach der Safety-Car-Phase schnappte er sich dann noch Alexander Albon und lag auf Platz vier.
Wolff: Kein Verständnis für Strafe
Kurz vor der Zielflagge erhielt das Team jedoch die Nachricht, dass Antonelli eine Fünf-Sekunden-Strafe bekommen würde, weil Mercedes in der Boxengasse angeblich eine unsichere Freigabe gegen Hülkenberg praktiziert haben soll. Das Team informierte ihn nicht darüber, sondern forderte ihn stattdessen auf, eine möglichst große Lücke zu den Verfolgern herauszufahren.
"Man kann nur den Kopf schütteln", sagt Wolff. "Es wurde als Vorfall untersucht, niemand hat es gesehen - es wurde nicht im TV gezeigt - und dann, 90 Sekunden später, war da plötzlich eine Strafe."
Durch die Strafe fiel Antonelli von Platz vier wieder auf Platz fünf hinter Albon zurück. Doch Mercedes legte umgehend einen Antrag auf eine Überprüfung bei den Rennkommissaren ein.
Warum die Strafe zurückgenommen wurde
Die zentrale Voraussetzung für eine solche Überprüfung ist das Vorliegen "signifikanter und relevanter" neuer Beweise, die zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung nicht verfügbar waren. In diesem Fall konnte Mercedes Aufnahmen von der Kamera auf dem Überrollbügel von Antonellis W16 vorlegen.
Die Kommissare untersuchten zudem Helikopteraufnahmen und kamen zu dem Schluss, dass Antonelli nicht sofort in die "Fast Lane" der Boxengasse gewechselt war und vor dem Einfädeln in den Verkehr in den Spiegel geschaut hatte.
Die Onboard-Aufnahmen zeigten zudem, dass keine Gefahr für Mechaniker bestand, die weiter hinten in der Boxengasse standen. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse revidierten die Kommissare ihre Entscheidung und gaben Antonelli seinen vierten Platz zurück.
"Ich habe so viele Dinge gelernt", sagt Antonelli. "Natürlich war gestern enttäuschend, und das Rennen hätte vielleicht anders laufen können - aber man weiß es nie. Es war gut, einmal zu erleben, was hinten im Feld passiert - aber natürlich wollen wir nicht mehr so weit hinten starten."
"Es war tricky, besonders auf den Slicks war es ziemlich beängstigend, aber ich bin wirklich zufrieden mit dem Rennen."


Neueste Kommentare