• 14.09.2008 17:59

Berger: "Noch schöner als vor 20 Jahren!"

Gerhard Berger gewinnt 20 Jahre nach seinem Sieg als Fahrer wieder in Monza: "Davon hätten wir nicht einmal zu träumen gewagt!"

(Motorsport-Total.com/Premiere) - 20 Jahre nach seinem Sieg als Ferrari-Pilot in Monza - sein Renningenieur bei Ferrari war damals übrigens ein gewisser Giorgio Ascanelli - stand Gerhard Berger heute im Autodromo Nazionale wieder auf dem Podium. Der Toro-Rosso-Boss erreichte dank Sebastian Vettel völlig überraschend seinen ersten Grand-Prix-Sieg als Formel-1-Teamchef.

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

Gerhard Berger feierte heute seinen bisher größten Erfolg als Teamchef

Nach der Zieldurchfahrt war sein 50-Prozent-Partner Dietrich Mateschitz erster Gratulant. Dem hat Berger viel zu verdanken, sodass er spontan sagte: "Didi, jetzt habe ich eine Aufgabe für dich: Du gehst auf das Podium!" Aber Mateschitz, ein bekannt öffentlichkeitsscheuer Mensch, lehnte dankend ab. Und so wurde Bergers zweites Monza-Märchen war - fast auf den Tag genau 20 Jahre nach seiner ersten Sternstunde im Königlichen Park...#w1#

Schöner als vor 20 Jahren

Frage: "Gerhard, was sagst du zur heutigen Leistung von Sebastian Vettel?"
Gerhard Berger: "Das ist das Beste! Es ist lange, lange her, dass ich auf dieser Strecke so etwas erlebt habe. Vor 20 Jahren habe ich hier als Fahrer gewonnen. Das war auch ein guter Moment, aber heute ist es fast noch schöner! Es braucht noch ein bisschen Zeit, bis ich das richtig realisiere. Es ist ein unglaubliches Gefühl, mit Toro Rosso zu gewinnen. Das hätte ich nicht für möglich gehalten."

"Dass wir in Monza ganz oben auf dem Podest stehen würden, davon hätten wir nicht einmal zu träumen gewagt." Gerhard Berger

Frage: "Es muss fantastisch sein, so einen Erfolg zu erleben, oder?"
Berger: "Es ist unglaublich. Dass wir in Monza ganz oben auf dem Podest stehen würden, davon hätten wir nicht einmal zu träumen gewagt."

Frage: "Sebastian ist ja schon im Qualifying auf die Pole-Position gefahren und im Rennen ist er total cool geblieben..."
Berger: "Sebastian ist wirklich ein ganz spezieller Fahrer. Er hat heute gezeigt, dass er Rennen gewinnen kann, und so wie er die Sache angeht, wird er auch Weltmeisterschaften gewinnen."

Frage: "Sebastian wirkte das ganze Rennen hindurch souverän. Hat es irgendwelche Probleme gegeben?"
Berger: "Nein, es hat keine Probleme gegeben. Man muss wirklich sagen, der Sieg war absolut herausgefahren. Da waren kein Glück und kein besonderer Zufall dabei. Es war einfach eine superstarke Leistung vom Team und vom Fahrer."

Frage: "Den Start nach dem Safety-Car hat er besonders cool hinbekommen. Wie war das aus deiner Sicht?"
Berger: "Das war eine starke Leistung, wie er den Start begonnen hat. Er ist in der letzten Kurve bis zum letzten Moment zick-zack gefahren - ganz so, wie man es von einem alten Hasen erwarten würde! Er ist schon ausgeschlafen."

Schrecksekunde in der achten Runde

Frage: "In der achten Runde wäre ihm fast das Heck weggegangen..."
Berger: "Das war am Limit, ganz knapp, aber er hat wirklich am Limit fahren müssen, denn wir haben gewusst, dass einige Herren auf einer Einstoppstrategie sind. Da mussten wir einen Vorsprung rausfahren, damit wir nach dem Stopp nicht im Verkehr stecken bleiben und überhaupt eine Chance haben, das Rennen zu gewinnen."

"Die Entscheidung war zu dem Zeitpunkt nicht mehr so schwierig, weil schon einige Autos auf Intermediates draußen waren." Gerhard Berger

Frage: "Das Wetter wurde nicht mehr schlechter, wie alle dachten, sondern es blieb trocken. Dadurch konntet ihr beim zweiten planmäßigen Stopp auf Intermediates wechseln. Die Entscheidung war goldrichtig, oder?"
Berger: "Die Entscheidung war zu dem Zeitpunkt nicht mehr so schwierig, weil schon einige Autos auf Intermediates draußen waren. Wir haben gesehen, dass es geht und dass es kein Problem sein sollte."

Frage: "Du giltst als cooler Hund, aber wie hoch war dein Puls in den letzten Runden?"
Berger: "Der Puls ist heute schon den ganzen Tag ziemlich hoch gewesen..."

Frage: "Ab wann war dir klar, dass es heute mit dem Sieg klappen kann?"
Berger: "Heute in der Früh beim Aufstehen (lacht; Anm. d. Red.)!"

Frage: "Sebastians Vater Norbert lag in Tränen. Das ist eine ganz besondere Familie, oder?"
Berger: "Ich glaube, er wird noch viel weinen mit seinem Sohn! Sie sind eine tolle Familie - da passt einfach alles. Die laufen rund, wie man bei uns sagt. Ich möchte aber noch etwas anderes sagen: Es wird immer von Gerhard Bergers Team gesprochen. Es ist das Team von Red Bull und von mir gemeinsam. Ich möchte mich bei der Gelegenheit auch bei Red Bull bedanken. Wir haben von Red Bull Technology dieses Jahr ein Auto bekommen, das unter allen Bedingungen wirklich schnell ist. Das Team versteht jetzt schön langsam, wie man es abstimmt, setzt das auch gut um, aber die Basis ist von Red Bull gekommen. Großes Dankeschön!"

Toro Rosso schneller als das A-Team?

Frage: "Warum ist euer Auto schneller als das von Red Bull Racing?"
Berger: "Ich glaube, es ist gleich schnell, aber in der Abstimmung und in der Tagesverfassung gibt es Unterschiede. Bei manchen Rennen bekommen wir es besser hin, manchmal Red Bull. Vielleicht haben wir auch einen kleinen Vorteil mit dem Ferrari-Motor. Seit zwei, drei Rennen können wir das gut für uns nutzen. Daher sind wir momentan ein bisschen vorne."

Franz Tost, Dietrich Mateschitz und Sebastian Vettel

Väter des Erfolgs: Franz Tost, Dietrich Mateschitz und Sebastian Vettel Zoom

Frage: "Wie wichtig ist Cheftechniker Giorgio Ascanelli für euch?"
Berger: "Giorgio ist ein ganz wichtiger Spieler im Team, den ich schon aus meiner Fahrerzeit als ganz guten Mann kannte, speziell in puncto Autoabstimmung. Er war mein Renningenieur, als ich hier vor 20 Jahren auf Ferrari gewonnen habe. Wir kennen uns sehr gut."

Frage: "Es war ein Goldgriff, ihn zu holen, nicht wahr?"
Berger: "Er ist mir zu meiner Zeit schon nie aus dem Kopf gegangen. Ich wollte ihn damals mit mir mitnehmen zu anderen Teams, aber das hat leider nicht so richtig geklappt. Dass er von Ferrari zu uns gekommen ist, das war natürlich für Toro Rosso eine besonders gute Geschichte. Zum Gewinnen braucht man nämlich ein Team. Toro Rosso ist jetzt wirklich ein starkes Racerteam."

Frage: "Wie viele Mitarbeiter hat Toro Rosso heute?"
Berger: "180. Man muss im Vergleich mit anderen Teams aber aufpassen, denn wir bekommen von Red Bull Technology sehr viel Technologie rübergeschoben. Daher ist es klar, dass wir etwas weniger Leute haben, aber selbst wenn man das einrechnet, sind wir ein sehr kleines Team. Aber arbeiten tun wir sehr gut und sehr effizient."

Frage: "Viele eurer Mitarbeiter sind schon seit Minardi-Zeiten hier. Die wurden damals nie belohnt. Ist es schön, dass die jetzt auch mal was zu feiern haben?"
Berger: "Das ist irrsinnig erfreulich, denn wir haben zwei Jahre lang gekämpft, um die ehemalige Minardi-Kultur rauszubekommen und das Siegerdenken reinzubekommen. Viele sind dabei rausgefallen, weil sie sich nicht umstellen konnten. Die, die heute da sind, das sind die, die gesagt haben: 'Wir gehen den steinigen Weg!' Das ist der erste große Erfolg für sie. Ich glaube, sie werden jetzt auf den Geschmack kommen."

Keine Gedanken an die Zukunft

Frage: "Ihr dürft in Zukunft kein Red-Bull-Kundenauto mehr einsetzen. Machst du dir darüber schon Gedanken?"
Berger: "Sehr viele, aber heute denke ich darüber wirklich nicht nach..."

"Sebastian muss dort sein, wo es für Red Bull am besten ist." Gerhard Berger

Frage: "Gibt es vielleicht doch noch eine Chance, dass Sebastian 2009 im schnelleren Red-Bull-Auto, also bei Toro Rosso, bleibt?"
Berger: "Wenn uns Sebastian verloren geht, ist das ein Riesenverlust für das Team. Andererseits gehören wir alle zur Red-Bull-Familie - und wir sind uns darüber einig, dass Sebastian dort sein muss, wo es für Red Bull am besten ist."

Frage: "Ist er überhaupt in der Red-Bull-Familie zu halten oder wird er irgendwann sowieso bei einem der großen Teams landen?"
Vettel: "Das kommt auf uns an. Wenn wir ihm ein Auto zur Verfügung stellen, mit dem er wie heute Rennen gewinnen kann, dann gibt es nichts Schöneres als die Rennen für Red Bull zu gewinnen. Dann könnte es schon sein, dass er bleibt."

Frage: "Sébastien Bourdais hatte nach seinem vierten Platz im Qualifying heute gleich am Start Probleme. Was war da los?"
Berger: "Der Motor ist abgestorben, aber wir wissen noch nicht genau warum. Wir haben kurz vor dem Start das Lenkrad gewechselt. Ich glaube, dass dort irgendwo ein Fehler aufgetaucht ist, aber das müssen wir noch analysieren."

Frage: "Bitter, dass aus seiner Ausgangsposition nicht mehr geworden ist. Wie geht man in so einer Situation mit dem Fahrer um?"
Berger: "Er steht jetzt im Schatten dieses Erfolges. Man muss sich auch gleich um ihn kümmern, denn er leidet natürlich sehr heute. Er war auch in einer guten Startposition und hat gesehen, was möglich war. Dann ein technisches Problem zu haben, das schmerzt."


Fotos: Toro Rosso, Großer Preis von Italien, Sonntag