Insight: Die Herausforderungen beim Wasserstoffverbrennungsmotor (2/3)
Das Thema H2-Verbrenner steht kurz vor dem Durchbruch im Motorsport, doch noch sind nicht alle Hürden gemeistert - Heute in Teil 2: Emissionen und Dichte
(Motorsport-Total.com) - Die Wasserstoffverbrennung im H2-Verbrennungsmotor ist nicht komplett sauber. Konträr zu manchen Ansichten entsteht als Abfallprodukt nicht nur Wasser. Denn die Luft, mit der das Gemisch verbrannt wird, enthält auch Stickstoff. Und dieses reagiert im Brennraum ebenfalls mit dem zur Verfügung stehenden Sauerstoff zu Stickoxiden. (Teil 1: H2, die wilde Diva)
© Bosch Motorsport
Eines der gegenwärtigen Wasserstoffprojekte: Der Bosch H2 Demonstrator Zoom
Es muss also wie beim herkömmlichen Verbrennungsmotor ein Abgasreinigungssystem her. Die gute Nachricht: Die Nachbehandlung ist einfacher als bei herkömmlichem Benzin. Denn anders als bei Benzin oder Diesel müssen kaum unverbrannte Kohlenwasserstoffe aus dem Abgas entfernt werden, da sie im Kraftstoffgemisch gar nicht vorkommen.
Im Magerbetrieb braucht es magere Abgasnachbehandlung für Stickoxide wie beim Dieselmotor. Beim stöchiometrishcen Konzept braucht es statt eines Drei-Wege-Katalysators wie beim Benzinmotor beim Wasserstoffmotor nur einen Ein-Weg-Kat.
"Das geht. Mit einem konventionellen Kat wie beim Benzinmotor kann man die Stickoxidemissionen wie beim Benziner fast auf null senken", sagt Paul Kapus, Leiter Entwicklung Ottomotoren bei AVL, gegenüber Motorsport-Total.com.
Er berichtet stolz, dass der AVL-Motor stöchiometrisch, also mit einem Lambdawert von 1 gefahren ist, und nicht im Magerbetrieb wie frühere Wasserstoffmotoren, die durch den hohen Luftüberschuss das Problem der Vorentflammung umgingen. Aber dadurch eben auch eine recht niedrige Literleistung hatten.
Das stöchiometrische Verhältnis bei der Wasserstoffverbrennung beträgt 34,3:1. Man braucht also für ein kg Wasserstoff 34,4 Kilogramm Luft. Das ist deutlich mehr als man für 1k Kilogramm Benzin braucht (rund 14,5 Kilogramm Luft pro Kilogramm Benzin).
Eine weitere Herausforderung ist, dass Wasserstoff im Gegensatz zu Benzin nicht schmiert. Das führt zu erhöhtem Verschleiß an Injektoren, Ventilen und Ventilsitzringen.
Soundprobe Bosch H2 Demonstrator
Der Bosch H2 Demonstrator auf Ligier-JS2-R-Basis mit Wasserstoffverbrennungsmotor zeigt seine Kraft - und seinen Sound
Lionel Martin, Vertriebsleiter der Bosch Engineering GmbH, erläutert gegenüber Motorsport-Total.com: "Wasserstoff ist trocken. Es gibt also keine Schmierung im Injektor. Wir haben mehrere Jahre daran gearbeitet, wie wir hohe Robustheit ohne externe Schmierung schaffen. Das ist mit Standardkomponenten nicht haltbar."
Ölspritzdüsen spritzen wie bei jedem Hochleistungsmotor von unten gegen den Kolben. Denn auch die Zylinderwände müssen geschmiert werden. Dabei können aber natürlich minimale Mengen Motoröl ins Abgas gelangen.
Martin ist diesbezüglich optimistisch: "Das Öl im Motor ist die letzte Quelle für Emissionen, das sind ein paar wenige Parts per Million (ppm) HC, CO und Partikel. Aber das ist extrem gering. Die Ölfirmen arbeiten daran, das auch noch zu eliminieren."
Der ist doch nicht ganz dicht
Die größte Herausforderung ist allerdings die Einspritzung des Kraftstoffs. "Die Einspritzung ist das Schwierigste überhaupt, weil Wasserstoff eine so niedrige Dichte hat", so Martin. Deshalb hatten Wasserstoffmotoren über einen langen Zeitraum eine äußerst moderate Literleistung.
Doch diese Zeiten sind ein für alle Mal vorbei. Bosch umgeht das Problem mit einer Mischung aus Saugrohr- und Direkteinspritzung und Turboaufladung. AVL Racetech setzt sogar auf komplette Direkteinspritzung.
Beide Parteien haben extra Injektoren entwickelt oder entwickeln lassen, mit denen bezüglich der Einspritzdrücke in unerwartete Regionen vorgestoßen wird. AVL heftet sich gar ans Revers, mit 150 Kilowatt (204 PS) pro Liter Hubraum einen neuen Wasserstoff-Rekord aufgestellt zu haben.
© AVL
Der Wasserstoffverbrennungsmotor von AVL fährt rein mit Direkteinspritzung Zoom
Wie im ersten Teil schon erklärt, war der heiße Brennraum bereits eine Einschränkung bei der Literleistung früherer Wasserstoffmotoren wie beim BMW Hydrogen 7. Kapus erklärt weitere Gründe: "Das waren [bei BMW] Saugmotoren. Und wenn man einen gasförmigen Kraftstoff ins Saugrohr eines frei saugenden Motors einbläst, dann fehlt dem ziemlich viel Luft. Das war einer der Knackpunkte."
Das bedeutet: Der BMW-Motor hatte einerseits von Natur aus schon zu wenig Luft und musste dann aufgrund der hohen Neigung des Wasserstoffs zur Selbstzündung auch noch mit einem hohen Luftüberschuss fahren.
Ein benötigter Luftüberschuss, wenn dem Motor Luft fehlt - dass da nicht viel Leistung rauskommen konnte, liegt auf der Hand. Es blieb nur noch eine moderate Menge an Wasserstoff/Luftgemisch übrig, die überhaupt in den Brennraum gelangte.
Injektoren zentrales Entwicklungsfeld
In beiden Fällen, sowohl bei Bosch als auch AVL, kommt der Motor ohne exotische Materialien aus, sondern baut auf einem Serienaggregat auf. Allerdings sind sich beide Seiten einig: Hinsichtlich der Injektoren ist die Entwicklung noch nicht am Ende. Noch lange nicht. Und das sind für den Motorsport wiederum gute Nachrichten.
Die Einspritzdüsen sind nämlich momentan der Flaschenhals, der eine weitere Erhöhung der Literleistung verhindert. Das ist wiederum eine direkte Folge der geringen Dichte des Wasserstoffs.
Kapus beschreibt das bildlich: "Man braucht Injektoren mit einem Durchsatz groß wie Scheunentore. Das sind außen öffnende Ventile. Und die Durchsätze, die wir da schon gebraucht haben, gibt es nicht. Die Injektoren, die wir hatten, waren bereits Spezialanfertigungen. Und wenn man jetzt noch höher hinaus will, dann braucht man Spezial-Spezialanfertigungen."
"Das ist definitiv eines der schwächsten Glieder in der Kette. Mit dem muss man sich sicher noch ein bisschen beschäftigen. Da muss man auch noch die eine oder andere Runde drehen, um da noch weiter hochzukommen mit Drehzahl und Leistung. Aber wie gesagt, da gibt es mit Sicherheit weitere Entwicklungsschritte."
Und mittlerweile hat die Literleistung ohnehin ein konkurrenzfähiges Niveau erreicht. Der Porsche 963 mit 4,6-Liter-V8-Motor würde bei der von AVL erreichten Literleistung von 150 Kilowatt (204 PS) mit Wasserstoff bereits einen Output von beinahe 1.000 PS liefern. Von einem Problem kann man also streng genommen gar nicht mehr sprechen.
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