• 04.09.2024 10:56

  • von Roland Hildebrandt

Lancia Thema (1984-1994): Italiener mit europäischem Gedanken

Zum 40. Geburtstag blicken wir zurück, auch auf den 8.32 mit Ferrari-Motor

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Heutzutage sind gemeinschaftliche Entwicklungen von neuen Autos fast schon Normalität. Ford und VW teilen sich einen neuen Transporter, ganz zu schweigen von den unzähligen Fahrzeugplattformen der großen Konzerne. Vor 40 Jahren hingegen ist das noch eher ungewöhnlich und so bestaunt man damals den aus einer Kooperation hervorgegangenen neuen Lancia Thema.

Titel-Bild zur News: Lancia Thema 8.32 1. Serie (1986-1988)

Lancia Thema 8.32 1. Serie (1986-1988) Zoom

Der Projektname "Tipo 4" ist Programm: Saab und Lancia entwickeln gemeinsam eine große Limousine, für die man alleine kaum Geld und genug Kapazitäten hat. Während Saab mit dem 9000 in Richtung US-Markt schielt, braucht Lancia dringend einen Nachfolger für Beta und Gamma.

Fiat und Alfa Romeo ergänzen das Quartett. Der Fiat Croma beerbt den Argenta, der auf den 132 von 1972 basiert. Ähnlich veraltet ist der Alfa 90 auf Grundlage der Alfetta. Ihm folgt 1986 der 164.

Doch den Beginn macht 1984, also vor 40 Jahren, der Lancia Thema, intern Y9 getauft. Zunächst als Limousine, die Giugiaro gestaltet hat. Ende 1986 folgt der S.W. abgekürzte Kombi Thema Station Wagon, für dessen Optik Pininfarina verantwortlich ist. In Kleinserie wird zudem eine verlängerte Limousine (mit eingesetztem Mittelstück) produziert.

Diese nur 27 Mal gebaute Repräsentationslimousine ist unter anderem der Dienstwagen des früheren Lancia-Präsidenten Cesare Romiti. Eine zweitürige Version, die die Carrozzeria Boneschi 1986 unter dem Namen Gazella als Prototyp realisiert, findet dagegen keinen Eingang in die Serienproduktion.

Noch einmal zurück zur gemeinsamen Tipo-4-Plattform: Der Fiat und der Lancia sehen dem Saab ähnlich, aber der Alfa Romeo übernimmt nur das gemeinsame Fahrgestell. Der Radstand beträgt bei allen Modellen 2,67 Meter.

Da sich die vier Fahrzeuge sehr ähnlich sind, können viele Teile untereinander ausgetauscht werden. So kann zum Beispiel die Windschutzscheibe des Croma auch für den 9000 verwendet werden. Auch die Außenspiegel des 9000 und des Thema sind fast identisch (der 9000 hat eine eingepresste Aussparung am Spiegelgehäuse, der Thema keine) und sollten an beide Fahrzeuge passen, da die Türen ähnlich (aber nicht gleich!) sind.


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Der Lancia Thema wird im Mai 1984 angekündigt, im Oktober 1984 bei einer Veranstaltung in Wien der Fachpresse und im November desselben Jahres auf dem Turiner Autosalon der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Limousine ist 4,59 Meter lang.

Die erste Serie des Thema baut Lancia zwischen 1984 und 1988, wobei zunächst vier verschiedene Modelle im Angebot sind. Zwei davon sind mit einem 2,0-Liter-DOHC-Vierzylinder mit acht Ventilen ausgestattet, den es als Saugmotor und als Turbomotor mit Ladeluftkühlung gibt.

Die Motorleistung beträgt 120 PS respektive 165 PS. Diese beiden Fahrzeuge sind vor allem für den italienischen Markt wichtig, wo über 2.000 ccm Hubraum deutlich mehr Kfz-Steuer fällig wird.

Das teuerste Modell ist zunächst der Thema 6V mit einem quer eingebauten 150 PS starken, 2.849 ccm großen Sechszylinder, der auf Laufruhe getrimmt ist. 2.849 ccm? Da klingelt es bei Kennern. Richtig, es handelt sich um den PRV-Europa-V6.

Auf den meisten europäischen Märkten ist auch ein 2.445 ccm großer Vierzylinder-Dieselmotor mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung mit 100 PS erhältlich, und zwar im Thema turbo ds.

Ein Lancia mit Ferrari-Motor

1986 folgt ein ganz heißes Eisen in Gestalt des Lancia Thema 8.32. Der 32-Ventil-Achtzylinder stammt von Ferrari und zwar aus dem 308 GTB Quattrovalvole. Für den Einsatz im Lancia Thema überarbeitet man diesen Motor (90-Grad-Versatz der Kurbelwellenzapfen, dadurch besserer Massenausgleich und ruhiger Motorlauf). Er soll dem Einsatz in einer Limousine gerecht werden.

Enzo Ferrari willigt allerdings nicht ein, diesen Lancia unter der Bezeichnung "Lancia-Ferrari" zu vermarkten. Äußerlich unterscheidet sich dieser Thema durch einen aus Edelstahl und Aluminium gefertigten Kühlergrill und durch Räder mit fünf Speichen im Ferrari-Design.

Ein roter und ein gelber handgemalter Zierstreifen in Höhe der Gürtellinie und die Besonderheit, einen Heckflügel elektrisch aus dem Kofferraumdeckel ausfahren zu können, weisen den 1.400 kg schweren 8.32 als das Topmodell der Baureihe aus.

Der Innenraum ist mit Leder oder Alcantara von Poltrona Frau und Wurzelholz ausgekleidet. Dazu gibt es ein elektrisch verstellbares Fahrwerk und auf Wunsch verstellbare Einzelsitze hinten.

Von Sommer 1987 bis Ende 1988 wird in Deutschland die erste Serie des 8.32 ohne Katalysator mit 158 kW (215 PS) verkauft, danach folgt bis Mitte 1992 die zweite Serie mit Katalysator und 151 kW (205 PS). In der Schweiz gibt es die erste Serie ohne Katalysator nicht. Hier wird er von Anfang an mit Abgasreinigung angeboten. Ohne Kat beschleunigt der 8.32 in 6,8 Sekunden auf 100 km/h.

Der Neupreis eines Lancia Thema 8.32 liegt zunächst bei 72.600 DM in Deutschland (erste Serie), später bei 85.200 DM und final bei 110.000 DM.

Insgesamt werden 3.520 Exemplare des Thema 8.32 hergestellt, davon 2.370 der ersten Serie und 1.150 der zweiten. 64 Exemplare existieren in einer nummerierten Sonderserie, 32 aus der ersten und ebenso viele aus der zweiten Serie, die eine spezielle Rosso Ferrari-Lackierung tragen.

Ein besonderes Exemplar wird mit einer Kombi-Karosserie für Gianni Agnelli, den Chef des Fiat-Imperiums, hergestellt, mit einer Lackierung in "Nürburgring-Silber" und einer mit blauem Leder ausgekleideten Innenausstattung. Die Leistung des Wagens liegt angeblich weit über denen der Serienmodelle.

Großes Facelift 1988

Zurück zu den zivilen Varianten des Lancia Thema. Wie urteilt die Presse? 1988 testet der ADAC einen Thema i.e mit 115 PS und Katalysator, Preis 32.950 Mark. Ein Mercedes 200 ist damals gut 5.000 Mark teurer.

Man erwähnt zunächst, dass Lancia im Vorjahr in Deutschland exakt 3.142 Thema verkauft hat. Um dann die Eleganz und Geräumigkeit der Limousie zu loben, ebenso den 530 Liter großen Kofferraum. Ebenso die exakte Lenkung und den ruhigen 2,0-Liter-Motor, der gut aufs Gas anspricht.

Die zweite Serie des Thema wird auf dem Pariser Autosalon im September 1988 vorgestellt. Neue 2,0-Liter-Motoren mit 16 Ventilen ersetzen die bisherigen 8-Ventil-Motoren und steigern die Leistung auf 147 PS (108 kW) beim Thema i.e. 16v mit Saugmotor und auf 185 PS (136 kW) beim Thema turbo 16v. Der 2-Liter-Achtventiler, der nun 117 PS (86 kW) leistet, wird weiterhin für das Basismodell Thema i.e. angeboten.

Der 147 PS (108 kW) starke Sechszylinder des Thema V6 wird nur geringfügig überarbeitet. Der Dieselmotor des Thema turbo ds vergrößert seinen Hubraum geringfügig auf 2.499 ccm und steigert seine Leistung deutlich auf 118 PS (87 kW).

Lancia nimmt eine Reihe kleinerer optischer Änderungen vor, um das Aussehen des Thema aufzufrischen. Die Frontpartie erhält einen markanteren Kühlergrill mit vertikalen statt horizontalen Streben, die Blinker verlegt man unter die Hauptscheinwerfer, wo sie unter horizontalen, dunkel getönten Gläsern sitzen. Am Heck werden alle Modellabzeichen entfernt, die Blinker und Rückfahrscheinwerfergläser sind nun rot getönt.

Schließlich wurden die seitlichen Schutzleisten, die Seitenschweller, die Radabdeckungen und die 8-Speichen-Leichtmetallräder neu gestaltet. Der Kombi und der 8.32 bekomen ein ähnliches Facelift. Mit fünf Motoren für die Limousine, drei für den S.W. (die beiden 16-Ventil-Benziner und der Turbodiesel) und dem 8.32 besteht das Thema-Programm nun aus neun verschiedenen Modellen.

Zusätzlich werden die 4- und 6-Zylinder-Benzinmotoren auch in Versionen mit Katalysator und leicht reduzierter Leistung hergestellt, um sie auf Märkten zu verkaufen, wo eine solche Ausrüstung vorgeschrieben ist.

Die dritte Serie des Thema wird schließlich auf dem Pariser Autosalon im September 1992 vorgestellt und von 1992 bis 1994 produziert. Vier Ausstattungsstufen - Basis, LE, LS und LX - sind jetzt im Programm; der 2,9-Liter-V6-Motor wird durch ein stärkeres 3,0-Liter-Aggregat mit 175 PS ersetzt, das von Alfa Romeo stammt.

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Die Produktion des Thema wird 1994 eingestellt, als sich Lancia als Reaktion auf die sinkenden Verkaufszahlen auch vollständig aus den Märkten mit Rechtslenkung (einschließlich Großbritannien) zurückzieht. Auf den Thema folgt der Lancia Kappa. Insgesamt werden über 336.000 Thema-Limousinen produziert, die Gesamtzahl mit den recht seltenen Kombis beläuft sich auf 357.572 Fahrzeuge.

Viel später bringt Lancia einen neuen Thema auf den Markt. Im Herbst 2011 wird im Zuge der Kooperation der Marken Lancia und Chrysler der Chrysler 300 als neuer Lancia Thema eingeführt. Doch darüber legen wir lieber den Mantel des Schweigens.

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