NES-Absage: Sportwarte zweifeln an Darstellung, NES wehrt sich

Die Frage, ob mehr als 80 Sportwarte sich gegen die NES verschworen haben, schlägt in Marschall-Kreisen große Wellen - NES lässt ein weiteres Statement folgen

(Motorsport-Total.com) - Die Nürburgring-Endurance-Serie (NES) macht eine "konzertierte Absage" von 80 Sportwarten für die Absage des für den 4. Mai geplanten Premierenrennens verantwortlich. In Marschall-Kreisen kommt dieser Vorwurf nicht gut an, was wiederum die NES mit einer weiteren Stellungnahme auf den Plan ruft.

Titel-Bild zur News: Getspeed-Mercedes AMG GT3, NES, Nürburgring-Endurance-Serie

Die Nürburgring-Endurance-Serie ist auch im zweiten Anlauf mit einem Rennen gescheitert Zoom

Empörte Marschalls reagierten bei Motorsport-Total.com und in den sozialen Medien auf die Pressemitteilung der NES vom Freitag, die vom AvD und Nürburgring-Eigner NR Holding als Konkurrenz zur etablierten Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) der VLN neu gegründet wurde.

"Sportwarte würden so etwas nie machen", heißt es aus mehreren Mündern. Immer wieder wird die Vermutung geäußert, die NES habe von Anfang an nie genügend Sportwarte gehabt. Die Ankündigung vom 24. April wurde in Streckensicherungskreisen bereits ungläubig zur Kenntnis genommen, zumal auch nach dieser Ankündigung weiter kräftig nach Sportwarten gesucht wurde.

Die NES wehrt sich gegen solche Darstellungen mit einer Erklärung: "Für die gemäß der gültigen DMSB-Streckenlizenz erforderliche Besetzung der Rennstrecke lagen der NES-Organisation bis zum Freitagmittag inklusive Reserve eine ausreichende Anzahl an Anmeldungen und Zusagen von Sportwarten der Streckensicherung vor."

"Bis 12:30 Uhr am Freitagmittag war die Durchführung der Veranstaltung in Gänze abgesichert. Die danach erfolgten 88 Absagen innerhalb von 90 Minuten kann kein Veranstalter kompensieren. Eine Absage aus Sicherheitsgründen der für Samstag geplanten Rennveranstaltung war alternativlos."

Abgesehen davon, dass es nun genau 88 Sportwarte innerhalb von 90 Minuten sind, sagt das Statement nicht viel Neues aus. Es ist eher eine Bekräftigung der Pressemitteilung vom Freitag.

NES sieht Beweislast nicht bei sich

Auf eine Anfrage nach einem Beleg von Motorsport-Total.com vom Freitag beantwortete die NES am Sonntagabend so: "Es liegt in der Natur der Menschen, Zweifel zu haben, dann sollten aber auch diese Menschen ihre Zweifel begründen und belegen. Wir bitten um Verständnis, dass die NES kein Erfordernis sieht, Belege zu erbringen und damit Aufzeichnungen öffentlich zu machen."

In Zweifel gezogen wurde die offizielle Darstellung einer konzertierten Absage auch durch die Tatsache, dass die Marschalls nicht zentral organisiert sind. "Wenn man geschlossen mit 80 Leuten eine solche Aktionen planen würde, würde das nicht geheim bleiben", sagt eine anonyme Quelle gegenüber Motorsport-Total.com.

Ein Sportwart schreibt: "Mir ist keine Gruppe bekannt, die sich geschlossen zur NES bekannt hat. Es gibt vom Veranstalter eingesetzte Abschnittsleiter ohne festen Sportwart-Stamm. Das da dann zusammen 80 Leute absagen, halte ich für absoluten Humbug."

Streckenposten, Sportwart, Rote Flagge, Abbruch

Ohne Marschalls geht im Motorsport nichts, das hat die Absage bewiesen Zoom

Immer wieder wurde in den sozialen Medien die Theorie in den Raum geworfen, die NES habe von Anfang an nicht genügend Sportwarte gehabt. Hat die NES also einen großen Bluff versucht? Oder gar von Anfang an nicht ausreichend Sportwarte gehabt, aber auf den Freitag gewartet, um die Absage dann mit Höherer Gewalt begründen zu können?

Die NES dementiert entschieden: "Die ungeheuerlichen Behauptungen und Unterstellungen, dass von Anfang an nicht genügend Sportwarte ihre Zusage zum Einsatz bei NES.02 gegeben hätten, weist die NES mit aller Deutlichkeit und Entschiedenheit zurück."

Die NES kündigt an, die Sache an den DMSB weiterreichen zu wollen: "Da sowohl die Zu- als auch Absagen der Sportwarte protokolliert wurden, ist der NES namentlich bekannt, welche Personen am Freitag, 4. Mai, beginnend um 12:30 Uhr bis circa 14:00 Uhr, insgesamt 88 Sportwarte abgemeldet haben und welche Streckenbereiche betroffen waren."

"Diese orchestrierte Vorgehensweise wird aufgearbeitet. Mitarbeiter des DMSB waren am Freitag vor Ort und haben einen unmittelbaren Eindruck von den Vorgängen bekommen. Unter den Absagen waren auch Gruppierungen, die noch bis am vergangenen Mittwoch und Donnerstag mit den NES-Sportwarte-Koordinatoren in Kontakt waren und zu dem Zeitpunkt keinerlei Anzeichen für eine mögliche Nichtteilnahme dieser Sportwarte gegeben war."

Die Nürburgring-Nordschleife erfordert mindestens 380 Sportwarte für 190 Streckenposten. Hinzu kommt Personal für Boxen, Fahrerlager und Parkplätze. Die NLS rechnet normalerweise mit 450 Helfern. Beim 24-Stunden-Rennen sind etwa 1.000 Marschalls im Einsatz.

Robert Wickens ohne Permit A

Die NES geißelt die kollektive Absage weiter: "Die NES hat in den vergangenen Monaten sicherlich nicht mehrere hunderttausend Euro investiert, um die für Rennen notwendige Infrastruktur zu schaffen, um dann ein 'Fake-Rennen' zu veranstalten."

"Die ungeheuerlichen Behauptungen und Unterstellungen, dass von Anfang an nicht genügend Sportwarte ihre Zusage zum Einsatz bei NES.02 gegeben hätten, weist die NES mit aller Deutlichkeit und Entschiedenheit zurück." NES-Statement

"Zu diesen umfangreichen Investitionen zählen beispielsweise Flaggensätze, Code-60- und andere Schilder, vier Intervention-Cars vom Typ BMW 330iX inklusive umfassenden Ausrüstungen, IT-Ausstattungen, Startnummern und Scheibenaufkleber und so weiter, Nennungssystem und weitere Software, Ausstattung für Techniker, Kassensysteme, neues Reglement, diverse Druckkosten, GPS-System, Website und weitere Kommunikationsmaßnahmen sowie vieles mehr."

"Die NES bucht zudem einen Hubschrauber für TV-Aufnahmen, bucht die komplette TV-Produktion inklusive zwei Livestreams und drei Onboards sowie Kameramänner, Kommentatoren etc., bucht Hotelzimmer, ordert Catering und so weiter, wohl wissend, dass alles nicht gebraucht wird?"

"Die NES lässt die Teams und Fahrer, teilweise aus Übersee, und das gesamte Orga-Team, Rennleitung, das Technik-Team, das Zeitnahme-Team, die Besatzungen der diversen Fahrzeuge, die Abschlepp- und Bergedienste, E-Unit, Feuerwehr und viele weitere Helfer (insgesamt mehr als hundert Personen) zum Nürburgring anreisen, in der bewussten Absicht, das Rennen nicht durchführen zu können oder zu wollen?"

"Es mag sich jeder sein eigenes Urteil bilden, die NES wird zu diesen Gerüchten und geschäftsschädigenden Unterstellungen, die ohne jede Substanz in Social-Media-Kanälen veröffentlicht werden, keine weitere Stellungnahme abgeben."

"Den Schaden dieser Absagen haben in erster Linie die Teams und Rennfahrer, die dieses Rennen fahren wollten und dafür hohen Aufwand betrieben haben. Fahrern, die von weit her angereist waren, um noch notwendige Runden für ihr Nordschleifen-Permit einzufahren, wurde diese Möglichkeit genommen. Leidtragende sind auch viele Dienstleister, Betriebe und Selbstständige, ob Hotels und Gaststätten, Caterer, Fotografen, um nur einige Beispiele zu nennen."

Bekanntester Betroffener ist Robert Wickens, dem nach seinem Horrorcrash beim NLS-Saisonauftakt zwei Runden und ein Ergebnis für das DMSB-Permit-Nordschleife (DPN) A fehlen. Ob er über die Härtefall-Regelung weiterkommt, ist auch fraglich, denn in Vergangenheit zeigte sich der DMSB in Fällen, in denen sowohl Runden als auch ein Ergebnis fehlen, hart.

Ob sich die NES einen Gefallen damit tut, den Schwarzen Peter allein den Sportwarten zuzuschieben, bleibt offen. Denn sie wäre auch für die weiteren Rennen auf die Marschalls angewiesen.

Medical Center war besetzt

Manche Theorien aus den sozialen Medien sind in jedem Fall komplett aus der Luft gegriffen. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), Kreisverband Ahrweiler, sah sich bereits am Montag zu einem Statement gezwungen, nachdem Gerüchte in den sozialen Medien die Runde machten, das Medical Center seit nicht besetzt gewesen.

Das Statement sagt: "Bezüglich der Absage des geplanten NES-Laufes am letzten Samstag wurde in den Sozialen Medien verbreitet, dass das Medical Center am Nürburgring am letzten Samstag auch nicht hätte besetzt werden können. Diese Behauptungen entsprechen nicht der Wahrheit!!! Von solchen Aussagen und Posts distanzieren wir uns als DRK-Kreisverband Ahrweiler sehr deutlich!"

"Armin Link, Leiter des Medical Centers und des DRK-Medical Service am Nürburgring stellt klar: 'Das Team des Medical Centers war teilweise schon vor Ort und für den Renntag komplett geplant. Sämtliche Rettungswagen, aber auch die Medical Cars und Extrication Teams waren für Samstag genauso wie das Medical Center einsatzbereit!'"