Spielverderber Harvick verhindert Earnhardt-Sieg!
Kevin Harvick gewann den Martinsville-Krimi mit einem Last-Minute-Manöver gegen Dale Earnhardt Jr. - Kyle Busch Dritter vor Montoya, heftiger Truex-Crash
(Motorsport-Total.com) - Arme "Junior-Nation"! Bis vier Runden vor dem Ende sah es ganz so aus, als könnte der unangefochtene NASCAR-Publikumsliebling Dale Earnhardt Jr. (Hendrick-Chevrolet) seine 98 Sprint-Cup-Rennen andauernde Durststrecke beenden und den Short-Track-Thriller auf dem Martinsville Speedway gewinnen. Doch dann ließ der Spielverderber Kevin Harvick unwiderstehlich die Muskeln seines Childress-Chevrolet spielen.
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Die Schrecksekunde von Martinsville: Heftiger Crash von Martin Truex Jr. (56)
Als Earnhardt auf dem Weg in Turn 1 die Hinterachse verlor und ein wenig ins Schlingern kam, stach Harvick auf die Innenbahn. Aus Turn 2 heraus kam der Kalifornier besser in die Beschleunigungsphase und kassierte "Junior" auf der Gegengeraden. Der versuchte sich zwar noch verzweifelt zu wehren und gab dem Childress-Chevrolet in der folgenden Runde einige kleinere Schubser, doch Harvick behielt die Lage unter Kontrolle.
Damit war Earnhardts Widerstand endgültig gebrochen, der seinerseits in den letzten beiden Umläufen noch unter massiven Druck von Kyle Busch (Gibbs-Toyota; 3.) kam und diesen im Sprint zur Ziellinie nur hauchdünn hinter sich hielt. Zu diesem Zeitpunkt war Harvick längst am Jubeln und holte damit den ersten Martinsville-Erfolg für Richard Childress Racing seit Dale Earnhardt Sr. im Jahr 1995.
"Sorry Junior-Fans, ich wollte heute wirklich nicht den Spielverderber spielen", entschuldigte sich der Sieger in der Victory Lane. Wie üblich kam Harvick erst spät im Rennen so richtig auf Touren. Vor einer Woche in Fontana reichte ihm eine einzige Führungsrunde, in Martinsville waren es deren sechs. Damit ist der letztjährige Gesamtdritte auch der einzige Sprint-Cup-Pilot, der 2011 mehr als ein Rennen gewinnen konnte. Und in Sachen Titelambitionen setzte Harvick ebenfalls ein ganz dickes Ausrufezeichen.
Heftiger Truex-Einschlag
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Martin Truex Jr. erkundigt sich nach dem Wohlbefinden von Kasey Kahne Zoom
Der so bitter geschlagene Earnhardt rang gleichzeitig nach Worten. "Ich habe alles gegeben", murmelte der Hendrick-Pilot. "Ich wusste, dass die 29 kommt, dann verlor ich das Auto in Turn 1. Ich weiß nicht, was ich anderes machen hätte können." Und mit einem Blick auf seine Horrorsaison 2010 fügte er hinzu: "Ich bin heilfroh, dass wir jetzt gute Rennen abliefern und vorne mit den Jungs mithalten können."
Dabei sah es zu Beginn der 500-Rundenhatz ganz anders aus. Das Gibbs-Duo Denny Hamlin und Kyle Busch, sowie Dauerchampion Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet) und Clint Bowyer (Childress-Chevrolet) bestimmten abwechselnd die Anfangsphase. Speziell Johnson machte durch gute Boxenstopps auf sich aufmerksam und jagte auf diese Weise dem Gibbs-Duo insgesamt drei Mal eine Führung ab.
Bowyer wiederum übernahm in Runde 175 für fast 100 Umläufe das Kommando, bevor ihm im Finale die Balance seines Chevy Impalas abhanden kam. Mehr als Rang neun war für den Childress-Piloten nicht möglich. Der 31-Jährige aus Kansas war auch der Spitzenreiter, als das sechste Sprint-Cup-Saisonrennen 2011 in Runde 222 für fast 25 Minuten mit einer Roten Flagge unterbrochen werden musste.
Es war eine gewaltige Schrecksekunde: Martin Truex Jr. rauschte mit hängengebliebenem Gaspedal fast ungebremst erst in den völlig unschludigen Kasey Kahne (Red-Bull-Toyota) und dann in die Mauer. Der Waltrip-Toyota mit der Startnummer 56 war nach dem harten Frontaleinschlag anschließend fast einen Meter kürzer. Passiert ist beiden Piloten nichts, lediglich die Safer-Barrier musste einer ausführlichen Reparatur unterzogen werden. Es war die sechste von insgesamt elf Gelbphasen.
Auf der Außenbahn war nichts zu holen
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Starkes Trio: Kyle Busch vor Jimmie Johnson und Denny Hamlin Zoom
Zur Halbzeit hatten sich neben Bowyer, Kyle Busch, Hamlin und Johnson auch Juan Pablo Montoya und Jeff Gordon in Szene setzen können, die von ihren Startpositionen im Mittelfeld langsam aber sicher nach vorne fuhren. Montoya lag bei einem Restart in Runde 240 sogar auf Rang zwei, wurde auf der ungünstigen Außenbahn jedoch binnen weniger Umläufe bis auf Position 16 durchgereicht. Montoya hatte sich - wie Bowyer und Earnhardt - zuvor durch einen Stopp mit nur zwei neuen Reifen die nötige Track-Position verschafft.
Auch Jeff Gordon machte die kolumbianische Außenbahnerfahrung und war statt Zweiter plötzlich nur noch Achter. Hamlin übernahm kurzzeitig die Spitze, verlor bei einem Green-Flag-Stopp in Runde 315 jedoch vier Sekunden auf Kyle Busch, der 20 Umläufe später tankte. Hamlins früher Stopp sollte sich später rächen. Nach 350 Runden hatte es den Anschein, als würde der Martinsville-Sieger aus dem Fünferpaket Kyle Busch, Jeff Gordon, Denny Hamlin, Clint Bowyer und Jimmie Johnson kommen, die das Geschehen weitgehend im Griff hatten.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich gerade einmal noch zwölf Autos in der Führungsrunde, aber 14 weitere Piloten nahmen in Gelbphase neun in Runde 352 den Wave-Around in Anspruch - unter anderem Earnhardt und Harvick. Als es in Runde 370 zu Gelbphase zehn kam, fuhren beide zum Tanken und lagen damit plötzlich im Benzinfenster (125 bis 135 Runden), die Spitzengruppe nicht.
Aus dem Quintett wurde ein Quartett, weil Bowyer nun zunehmend Handlingsprobleme bekam. Dafür begann Childress-Teamkollege Harvick seinen Vormarsch und schnappte sich Platz vier von Denny Hamlin. Kyle Busch, Johnson und Gordon bildeten nach wie vor die Spitze. Hamlin, der die drei letzten Martinsville-Rennen gewonnen hatte, musste dann seinem frühen Tankstopp Tribut zollen und in Runde 458 unter Grün erneut Benzin fassen.
Harvick ringt Earnhardt nieder
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Die Entscheidung: Dale Earnhardt Jr. (li.) wird von Kevin Harvick überholt Zoom
Ein extrem gefährlicher Strategiezug, denn damit lag er eine Runde zurück und lief Gefahr, beim Fallen einer weiteren Gelbphase bitter bestraft zu werden. Genauso kam es: Regan Smith (Furniture-Row-Chevrolet) drehte sich in Runde 465, just zu dem Zeitpunkt, als auch Jeff Gordon Sprit fassen wollte. Hamlin befand sich plötzlich chancenlos auf Rang 18, Gordon musste einen zweiten Tankanlauf nehmen und war Zehnter.
In derselben Gelbphase erwischte es zu guter Letzt auch noch Jimmie Johnson. Der Kalifornier fing sich eine Speeding-Penalty ein und musste sich beim letzten Restart in Runde 470 auf Platz elf einsortieren. Für die beiden Martinsville-Dominatoren Johnson (11.) und Hamlin (12.) hatten sich die Siegeshoffnungen damit frühzeitig erledigt. Doch vorne ging nun die Post ab.
Kyle Busch gewann den Restart auf der Innenbahn vor Earnhardt, Montoya und Harvick. Wenige Runden später kämpfte sich Earnhardt am Gibbs-Toyota vorbei in Front. Die "Junior-Nation" hielt es nun nicht mehr auf den Sitzen, während der von hinten heranstürmende Harvick zwar Montoya kassiert hatte, sich aber am Heck des Kyle-Busch-Toyotas die Zähne ausbiss.
14 Runden vor dem Ende musste Kyle Busch schließlich klein beigeben und Harvick machte sich sofort auf die Verfolgungsjagd von Dale Jr. Der schwarze Childress-Chevy flog buchstäblich an das Earnhardt-Heck heran, der seinerseits alle Hebel in Bewegung setzte, um seine Spitzenposition zu verteidigen. Bis zu seinem Ausrutscher vier Runden vor Schluss - der Earnhardt-Sieg sollte wieder nicht sein.
Beide Ganassi in den Top 7
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Kevin Harvick feiert seinen ersten Martinsville-Erfolg überhaupt Zoom
Montoya hielt sich aus den finalen Scharmützeln heraus und fuhr seinen vierten Platz getreu dem Ganassi-Motto "Punkte sammeln" nach Hause. Auch Jeff Gordon gab sich nach seinem Rückschlag in der Boxengasse mit Rang fünf zufrieden. Sechster wurde Matt Kenseth (Roush), der gleich zu Beginn eine Strafe wegen zu frühem Spurwechsel kassierte. Trotzdem wurde Kenseth bester einer ansonsten blassen Ford-Truppe, in der Youngster David Ragan immerhin Achter wurde. Von Carl Edwards (18.) und Greg Biffle (21.) war jedoch nichts zu sehen.
Mit Polesitter Jamie McMurray brachte Chip Ganassi auch sein zweites Auto in die Top 7, Mark Martin (Hendrick-Chevrolet) beendete sein Jubliäumsrennen als unauffälliger Zehnter. Eine böse Schlappe musste das bisher so konstante Stewart/Haas-Racing einstecken: Ryan Newman kam nach Motorproblemen und einem Reifenplatzer nur als 20. ins Ziel, für Tony Stewart (34.) war Martinsville 38 Runden zu früh beendet.
Nach dem Short-Track-Krimi vom Sonntagabend geht es nun in Richtung Texas. Es ist ein Saturday-Night-Race, das am kommenden Wochenende in der Nacht von Samstag auf Sonntag über die Bühne geht. Obwohl bereits Saisonrennen Nummer sieben ist Texas erst das zweite 1,5 Meilenoval des Jahres 2011. In Las Vegas gewann Edwards vor Stewart und Montoya.