• 11.12.2007 21:31

  • von Pete Fink

Die Geschichte der NASCAR (3)

Der dritte Teil der NASCAR-Geschichte auf 'Motorsport-Total.com' beschreibt die 1960er Jahre, in denen fast ein Krieg zwischen Chrysler und Ford ausbrach

(Motorsport-Total.com) - Die ersten beiden Teile der NASCAR-Geschichte auf 'Motorsport-Total.com' handelten von den Anfangszeiten der NASCAR und dem Bau des Daytona International Speedways, der in den folgenden Jahren zu einem ähnlichen Symbol heranwachsen sollte, wie es Indianapolis für die Formelserien bedeutete.

Titel-Bild zur News: 1969 Atlanta Ford Mercury

Start zum Dixie 500 1969 in Atlanta - erste Reihe ein Ford Torino und ein Mercury

Im dritten Teil wird nun die Geschichte erzählt, wie die beiden großen amerikanischen Automobilkonzerne Ford und Chrysler einen kleinen Privatkrieg austrugen und welche Rolle Bill France und die NASCAR in dieser sehr von Politik geprägten Periode spielte.#w1#

Denn nachdem die großen amerikanischen Hersteller ihren fünfjährigen NASCAR-Bann 1962 wieder aufgehoben hatten, konnte sich NASCAR-Präsident Bill France zwar als Gewinner fühlen, das bedeutete jedoch noch lange nicht, dass seine Probleme dadurch beseitigt waren. Im Gegenteil - viele davon gingen jetzt erst richtig los.

Denn wenn sich die großen Hersteller engagieren, dann ist es auch in der NASCAR ähnlich wie in der Formel 1: Jeder versucht die eigenen Interessen durchzusetzen, jede Reglementsänderung wird misstrauisch daraufhin abgeklopft, ob möglicherweise die Konkurrenz einen Vorteil ziehen könnte - und auch vor Spionageaktivitäten schreckt man bisweilen nicht zurück.

Chrysler mit neuer Führungsspitze

Bristol 1964 - ein Mercury, ein Dodge, ein Ford

Bristol 1964 - ein Mercury vor einem Dodge und einem Ford Zoom

In den 1960er Jahren betraf dies vor allem die Motorenseite, denn - wie bereits an anderer Stelle einige Male erwähnt - neben dem fahrerischen Können war es vor allem das Feintuning an den Triebwerken, welches den entscheidenden Unterschied ausgemacht hatte. Viele Historiker sprachen in dieser Zeit sogar von einem wahren Motorenkrieg und hatten dabei so unrecht nicht.

Primär ging es um eine Auseinandersetzung Chrysler gegen Ford. Der neue Chrysler-Präsident, Lynn Townsend, war gerade einmal 43 Jahre alt, als er 1962 das Ruder des etwas damals angestaubten großen Automobilkonzernes übernahm. Sportlich lautete seine erste lapidare Anweisung an seine Ingenieure, den Rivalen Ford "kräftig in den Hintern zu treten."

Dieser Spruch erreichte irgendwann auch Henry Ford II, von dem man wusste, dass er nichts weniger mochte, als wenn die Dinge nicht in seiner Kontrolle lagen. Dies galt für Townsend genau so, wie für den Chrysler-Konzern als Ganzes und auch die NASCAR von Bill France. Fords Reaktion war eine einfache - er pumpte viele Dollars in die Entwicklung.

Bill France roch den Braten eines potenziellen Wettrüstens und NASCAR setzte das Hubraummaximum auf 427 cubic inch oder 7.0 Liter fest. Prompt brachte Ford 1963 einen Galaxie an den Start, der sich durch zwei Dinge auszeichnete: Eine etwas aerodynamischere Form und ein mächtiges 427 cubic inch V8-Triebwerk. Beim Daytona 500 im Jahr 1963 belegten fünf Fords die ersten fünf Plätze.

Richard Petty als Chrysler-Bastion

Curtis Turner 1967 Chevrolet Charlotte

Curtis Turner wartet 1967 in Charlotte auf sein Qualifying in einem privaten Chevy Zoom

Chevrolet drückte sich immer noch vor einem Werkseinstieg, aber Junior Johnson ärgerte das Werks-Establishment in einem unabhängigen Ray-Fox-Chevrolet, der einen neuen 427 cubic inch starken Motor fuhr, von dem so wenig bekannt wurde, dass er in die NASCAR-Geschichte als der "Mystery-Motor" einging.

Johnson gewann 1963 mit diesem Wagen sechs Rennen und ein Daytona-Qualfying und es wird kolportiert, dass Ford sich die Dienste Johnsons für das Jahr 1964 fast fünf Millionen Dollar kosten lassen wollte, was ab April 1964 auch gelang. Den Titel holte Johnson jedoch nicht mehr.

Chrysler wiederum profitierte von den starken Plymouth Belvederes der Petty-Fraktion. Richard Petty gewann 1963 14 Rennen, doch zumeist nur auf den Short Tracks. Auf den großen Superspeedways rollte die Chrysler/Plymouth-Fraktion chancenlos hinterher.

Chrysler-Chef Townsend reagierte und ließ seine Ingenieure über den Winter 1963/1964 den bereits 1951 verwendeten Hemi-Motor wieder ausgraben. Hemi bedeutet dabei "hemispherically-shaped combustion chamber." Auf Deutsch erklärt, ist dabei der Brennraum in einer Halbkugelform aufgebaut.

Chrysler bringt den Hemi-Motor zurück

Joe Weatherly

Der NASCAR-Champion von 1962, Joe Weatherly, starb im Jahr 1964 Zoom

Das Hemi-Triebwerk ist der typische Motor der amerikanischen Muscle-Cars, er zeichnet sich durch eine extrem hohe Leistung aus und ist bei höherer Verdichtung herkömmlichen Motoren überlegen. Durch ein paar Kunstgriffe wurden die PS-Zahlen auf gerüchteweise 600 Pferdestärken geschraubt - damals eine beeindruckende Zahl.

Bei Goodyear-Reifentests wurde im Winter von Durchschnittsgeschwindigkeiten um die 180 Meilen, oder knapp 290 Stundenkilometer berichtet, damals ein unvorstellbares Tempo. Und diese Speeds sollten sich nicht als Hirngespinste erweisen.

Als das Chrysler-Lager seinen brandeuen 426 cubic inch Hemi-Motor in Daytona an den Start rollte, fuhr Paul Goldsmith einen Schnitt von fast 175 Meilen. Zum Vergleich: Der schnellste Chrysler von Richard Petty erreichte ein Jahr zuvor nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 155 Meilen.

Es kam, wie es kommen musste: Die Chrsyler-Armada führte 198 der 200 Runden und sie belegten die Plätze eins bis drei. Richard Petty gewann und der "King" machte sich auf den Weg, seinen ersten von insgesamt sieben NASCAR-Titeln einzufahren.

Der Speed fordert 1964 drei Tote

Fireball Roberts 1962

Fireball Roberts 1962 mit seinem Ferrari 250 GT bei den 24 Stunden von Daytona Zoom

Doch diese hohen Geschwindigkeiten hatten auch eine fatale Wirkung, denn 1964 verunglückten gleich drei Fahrer tödlich: Jimmy Pardue erwischte es bei Reifentests für Goodyear, der Champion des Jahres 1962, Joe Weatherly, starb genauso, wie Fireball Roberts.

Am 24. Mai 1964 berührten sich die Autos von Cale Yarborough und Ned Jarrett in Runde sieben des World 600 in Charlotte. Roberts konnte einen Kontakt nicht mehr vermeiden und sein Ford krachte heftig in die Mauer. Das Auto fing Feuer und Roberts erlitt Verbrennungen an 80 Prozent seines Körpers. Am 2. Juli erlag er seinen Verletzungen, seitdem sind in der NASCAR feuerfeste Rennanzüge vorgeschrieben.

NASCAR versicherte zudem, dass man nach Mitteln und Wegen suchen würde, um die Autos sicherer und - wenn notwendig - langsamer machen wolle. Zeitweise kokettierte man mit einer Verringerung des maximalen Hubraumes auf 396 cubic inch, ließ diese Idee aber wieder fallen. Denn Ford und Chrysler protestierten heftig und drohten mit einer Abwanderung in Richtung USAC, die bei ihrem Limit von 427 cubic inch bleiben wollten.

Ford meckerte über den Hemi-Motor von Chrysler, Chevrolet hielt sich nach wie vor mit einem Werkseinstieg zurück und als NASCAR im Winter 1964 seine Regeln für das kommende Jahr herausgab, blieb man bei einem Hubraum von 427 cubic inch, legte jedoch fest, dass nur Triebwerke aus der normalen Produktion verwendet werden dürften - das Ende für den Chrysler-Hemi.

Chrysler zieht sich zurück

"Kein Chrysler-Produkt fährt mehr in der NASCAR, bis die Regeln geändert werden. " Ronnie Householder

Die Reaktion aus Detroit ließ nicht lange auf sich warten: Zehn Tage später drohte Ronnie Householder, der streitbare Renndirektor von Chrysler, mit einem sofortigen Boykott und versicherte, dass "kein Chrysler-Produkt mehr in der NASCAR fahren würde, bis die Regeln wieder geändert werden würden."

Dies hatte heftige Auswirkungen: Chrysler verschwand 1965 völlig von der Bildfläche, Chevrolet zierte sich immer noch, alles lief darauf hinaus, dass ein Ford gegen einen anderen Ford antrat. Gähnende Langeweile war die Folge, die ersten 34 Saisonrennen wurden alle von Ford gewonnen.

Bill France musste handeln und musste die Hemis wieder zulassen, was er Chrysler wohl nie verzeihen konnte. Ende Juli kamen der Hemi und auch die Pettys wieder zurück, wenn auch in zurechtgestutzter Form und Chrysler brachte zu dem eine abgespeckte Form des Hemis auf den Markt. Doch der Krieg sollte noch lange nicht zu Ende sein, denn kurz darauf kündigten sowohl Ford, als auch Chrysler neue, noch mächtigere Motoren an.

Dem NASCAR-Chef drohte nun der Kragen zu platzen und er begab sich höchstpersönlich nach Detroit. Er verdeutlichte beiden Herstellern, dass reine Rennmotoren niemals in der NASCAR fahren würden, doch während Chrysler nun ruhig gestellt war, tobte Ford weiter, und drohte nun seinerseits den werksseitigen Rückzug an, denn man wollte den Hemi-Motor von Chrysler nicht akzeptieren.

Der Dodge Charger und die ersten Tricks

Richard Petty

"King" Richard Petty ist bis heute der erfolgreichste NASCAR-Fahrer aller Zeiten Zoom

Doch des gab es noch einen anderen Grund zur Ford-Besorgnis und dieser lautete 1966 Dodge Charger. David Pearson, der große Gegenspieler von "King" Richard Petty betrat die NASCAR-Bühne und mit ihm ein Fahrzeug, das zum ersten Mal durch eine ausgetüftelte Aerodynamik von sich reden machte. Chrysler scheute keine Kosten und heuerte ein ganzes Heer von Technikern an, die sich an der windschnittigen Charger-Form austoben konnten.

Doch der Charger hatte ein großes Problem, welches Pearson einmal wie folgt beschrieb: "Er fährt sich, als würde man mit einer dicken Frau auf Schlittschuhen tanzen." Einen Windkanal gab es damals noch nicht und NASCAR erlaubte die Benutzung eines kleinen Heckflügels - die erste Ära der Wing-Cars brach an, der Vorläufer der heutigen Car of Tomorrows.

Und eine weitere, wichtige Neuerung gab es im Jahr 1967: Petty war zwar überlegen, sein Crew-Chief Dale Inman bediente sich dabei jedoch eines entscheidenden Tricks, denn er kombinierte einen 1966er Plymouth Belvedere mit dem 1967er Modell. Es stellte sich nämlich heraus, dass der Jahrgang 1966 schneller, als die neue Generation war.

Da damals jedoch immer mit dem neuesten Modell gefahren werden sollte, baute Inman einfach die 1967er Karosserie an den 1966er Belvedere von Petty - mit einem eindrucksvollen Erfolg: Petty lag beim ersten Einsatz dieses Autos zwei Runden vor der Konkurrenz und gewann am Ende des Jahres 27 von 49 Saisonrennen - davon zehn Rennen in Folge, ein bis heute unerreichter Rekord. Petty war endgültig der "King".

Ein Erdbeben - Petty wechselt die Fronten

Bobby Allison 1968 Ford Torino

Auch Bobby Allison fuhr in der Saison 1968 den neuen Ford Torino Zoom

Doch angesichts des neuen Chargers verlangte Petty von Chrysler im Jahr 1968 mit einem Dodge antreten zu dürfen - Chrysler lehnte ab, Petty war nicht erfreut. Ford brachte den neuen Torino und den Mercury Montego, sicherte sich die Dienste von David Pearson, während der Charger seine Handlingprobleme nicht in den Griff bekommen sollte. Pearson holte sich den Titel und Petty wollte am Ende des Jahres erneut für die kommende Saison einen Dodge fahren, in dem er die Zukunft sah.

Aber Chrysler lehnte wieder ab und am 25. November 1968 platzte die Bombe: Richard Petty verkündete seinen Wechsel zu Ford. Dies ließ die Chrysler-Verantwortlichen förmlich von ihren Bürostühlen kippen. Chrysler-Chef Lynn Townsend schaltete sich höchstpersönlich ein und gab die Anweisung, den "King" sofort zurückzuholen, "völlig egal, wie".

Ford war wieder die klare Nummer eins und Pearson behielt 1969 knapp die Oberhand vor seinem neuen Markenkollegen Petty. Doch Dodge reagierte und bastelte hinter versteckten Türen am legendären Dodge Charger Daytona. Längst waren die NASCAR-Fahrzeuge mit diversen Tricks versehen, und somit eigentlich keine Stock-Cars mehr im Sinne des 1947 geschlossenen Reglements, doch der Charger Daytona sollte die Krönung darstellen.

Das große Problem war die Zeit. Um im Herbst fahren zu dürfen, musste der Daytona am 15. April 1969 vorgestellt werden. Bill France hatte einen neuen Superspeedway erbauen lassen, der noch steiler, noch schneller und noch spektakulärer sein sollte, als der Daytona International Speedway. Dieser Superspeedway lag in einem kleinen verträumten Nest in Alabama - Talladega, und genau dort wollte Dodge seinen neuen Daytona im September präsentieren.

Der große Charger-Bluff

Bobby Isaac Dodge Charger Daytona 1969

Der legendäre Dodge Daytona Charger von 1969 - hier Bobby Isaac Zoom

Drei Projektgruppen arbeiteten rund um die Uhr parallel, das neue Auto wurde am 13. April vorgestellt und am 20. Juli 1969 begannen die Tests auf dem fünf Meilen langen Chrysler-Oval, den Chelsea Proving Grounds. Es war der Tag, an dem Apollo 11 auf dem Mond landete und im Gegensatz dazu verlief der Daytona-Test enttäuschend. Dodge hatte ein aktuelles Charger-Modell als Vergleichsfahrzeug hinzugezogen und der neue Daytona entpuppte sich nur als geringfügig schneller.

Buddy Baker und Charlie Glotzbach waren damals die Testpiloten, und Baker war angesichts der mageren Zeiten völlig verstört. Er wollte einen Kontrollblick in den Motorraum werfen, denn er dachte, dass am Daytona-Motor vielleicht etwas gebrochen wäre, aber der Test-Manager schüttelte den Kopf. Über der Strecke kreiste etwa ein Dutzend Privatflugzeuge und der Manager murmelte nur: "Ford."

Später in der Garage ging die Motorhaube doch noch auf und Baker war verblüfft: Es war ein ganz normaler Hemi-Motor eingebaut, mit einem winzig kleinen Vergaser. "Was ist denn das für ein kleines Ding? Kein Wunder, dass er nicht gescheit läuft", lachte Baker und die Dodge-Leute grinsten, denn sie hatten geahnt, dass am ersten Testtag alles auf den Daytona-Test blicken würde. Und da sie es nicht verhindern konnten, blufften sie.

Das erklärte Ziel zu Projektbeginn waren Geschwindigkeiten um die 190 Meilen, am Ende der ersten Testwoche fuhr Glotzbach einen Schnitt von 203 Meilen. Der riesige Flügel und die tiefe Schnauze pressten den neuen Charger wie eine Dampfwalze auf den Asphalt, und angeblich fuhr Baker am Ende der Testfahrten einen Schnitt von 235 Meilen, etwa 378 Stundenkilometer. Die kolportierte Höchstgeschwindigkeit von Glotzbach waren 243 Meilen - 391 km/h.

Das erste Talladega-Rennen überhaupt konnte kommen, doch was dort alles geschah, berichtet in wenigen Tagen der vierte Teil der NASCAR-Geschichte auf 'Motorsport-Total.com'.

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